Widerstand im Sinne Jesu – 7. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:
38 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn
39 Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
40 Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.
41 Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.
42 Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
43 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,
45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?
47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?
48 Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.

Autorin:
csm_Gabriele_Kraatz_2015-05-13_EBO-MA_137n_fb567737d8Gabriele Kraatz, Diplomtheologin, Dekanatsreferentin in Heidenheim

 
IMAGE_4
Die Predigt:
Widerstand im Sinne Jesu

Liebe Leserin, lieber Leser,
Ich aber sage euch: Leistet dem, der Euch Böses tut, keinen Widerstand. Wenn jemand sehr lange in der Frauenarbeit tätig war, dann weiß sie, dass dies genau der Satz für viele Frauen ist, der nicht gesagt werden kann, und das durch diesen Satz – vor allem Frauen gepredigt – viel Elend entstand unter den Opfern männlicher Herrschaft. Schauen wir momentan in den Iran und nach Afghanistan, dann sehen wir sinnbildlich für vieles, wie Männer Frauen „Böses antun“ und diese – falls sie sich zu Wort melden – unglaubliche Gewalt erfahren. Und wieviel Männer stehen an ihrer Seite? Und ähnlich wie bei der Ukraine fragen wir: Lohnt sich da der Widerstand bei dem Preis, den die Widerständler zahlen? Geht es anders?

Ich denke, dass Jesus hier in erster Linie ein Krisenmanagement „unter Männern“ anspricht: Die Juden – so war es damals römisches Gesetz – mussten jedem Römer, der es verlangte, das Gepäck eine Meile weit tragen. Um die eigene Aggression und den Hochmut des Römers zu „unterwandern“, kann „mann“ statt in Trotz und Aggression zu fallen, eben „mehr“ als erzwungen tun. Dann ist man nicht mehr nur der Hilflose, über den bestimmt wird, sondern versucht, handlungsfähig zu bleiben. Die genannten Worte waren für Martin Luther King und Gandhi wegweisend und haben viel bewegt – für Männer viel bewegt. Die Frauen in Indien leiden auch heute noch im großen Maße unter patriarchalen Strukturen. Und die Frauen Afrikas leiden unter sexueller Ausbeutung und Gewalt auch durch afrikanische Männer. Gandhi und ML King erreichten viel – in erster Linie für die indischen und schwarzen Männer.

Was sagt uns Frauen dieser Text? Zum einen: Gott steht auf der Seite derer, die Gewalt erleiden. Punkt. D.h. jede und jeder muss – wenn sie oder er Christ:in ist – an der Seite unterdrückter Frauen stehen und für Ihr Wohl einstehen. Dieses Glaubenszeugnis gilt auch für Männer. Wir können dieses Gottesbild Jesu nicht genug verehren. Gott nimmt in den Worten Jesu eindeutig Stellung, ergreift eindeutig Partei. Ein Gott, der die Unterdrückung und Unsichtbarmachung von Menschen anderer Rasse oder anderen Geschlechts fordert, ist Götze, Ideologie – aber nicht Gott im jesuanischen Sinne. Das können wir sagen, das ist christlicher Glaube. Bei allen möglichen Diskussionsformen ist diese Position klar und eindeutig, nicht verhandelbar.

Zum anderen: Wie durchbrechen wir ganz konkret die Gewaltspirale, die Unterdrückung und Unsichtbarmachung, die sexuelle Ausbeutung von Frauen meint? Wenn selbst der Mund und das Wort genommen wird, um zu argumentieren, wenn selbst das Gesicht unsichtbar gemacht wird, um gesehen zu werden? Es gibt eben nur einen Weg: Verbündete finden und sichtbar werden. Die patriarchale Ordnung baut auf dem Grundsatz des Stärkeren per Muskelmasse – oder Raketenmasse – auf. Welchen Vorschlag kann Jesus uns Frauen machen?

Der Widerstand in Jesu Sinne auch für Frauen ist ein anderer: Lass dich um Himmels willen nicht von der inneren Wut zerfressen und zur Gewalt verleiten; Gott steht auf Deiner Seite, Du bist im Recht. Lass deine Seele, deinen Geist, von der Gewalt, wenn irgend möglich, nicht beherrschen. Suche Wege, Dich daraus zu befreien, wenn möglich. Und wenn Du dagegen aufstehen musst, steh auf. Das ist für mich der Kern dieses Satzes.

Oft genug wird gewaltloser Widerstand mit Gewalt beantwortet. Veränderung geht nicht kampflos, geht oft auch nicht schmerzlos. Daher kommt es so sehr auf Verbündete an, lautstarke Verbündete. Da haben wir Frauen viel Erfahrung. Möge sie überall in der Welt Wege finden, fruchtbar zu werden.

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Widerstand im Sinne Jesu – 7. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Gabriele sagt:

    Wunderbare Predigt, das musste mal so gesagt werden. DANKE.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

4 + 1 =

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>