Auf der Spur Gottes – 6. Sonntag im Jahreskreis A

Erste Lesung aus dem Buch Jesus Sirach, Kapitel 15
15 Gott gab den Menschen seine Gebote und Vorschriften. / Wenn du willst, wirst du die Gebote bewahren und die Treue, um wohlgefällig zu handeln.
16 Er hat dir Feuer und Wasser vorgelegt, / was immer du erstrebst, danach wirst du deine Hand ausstrecken.
17 Vor den Menschen liegen Leben und Tod; / was immer ihm gefällt, wird ihm gegeben.
18 Denn groß ist die Weisheit des Herrn; / stark an Kraft ist er und sieht alles.
19 Seine Augen sind auf denen, die ihn fürchten / und er kennt jede Tat des Menschen.
20 Keinem befahl er, gottlos zu sein, / und er erlaubte keinem zu sündigen.

Autorin:
4546 023bMaria Sinz, Gemeindereferentin in Aalen, KAB (Kath. Arbeitnehmer*innenbewegung)

 
Die Predigt:
Auf der Spur Gottes

Liebe Leserin, lieber Leser,
Frida erhebt Einspruch
Frida sitzt in einem Gremium von drei Personen. Alle acht Wochen treffen sie sich. Heute wird bewertet, ob der Lagerist Jakob gesundheitlich in der Lage ist, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Die Akten liegen vor. Es geht nun darum, sich ein Bild von der Situation zu machen. Für den Kollegen im Gremium scheint die Sache klar. Sechs Stunden leichte Tätigkeit im Lager seien machbar. Bei Frida regt sich Unbehagen. Ob der Kollege wisse, was als Lagerist zu arbeiten sei, stellt sie in den Raum, und zählt kurzerhand eine Liste von Tätigkeiten auf aus ihrer 40jährigen Berufserfahrung in der Schleckerzentrale.

Als Frida mir von dieser Begebenheit erzählt, stellt sie fest: ob jemand sechs Stunden täglich eine gewisse Arbeit leisten kann, diese Einschätzung sieht eben anders aus, wenn du 40 Jahre geschafft hast, und weißt wovon da die Rede ist.

Genau deshalb sitzt Frida in diesem Gremium. Sinn und Zweck ist, aus unterschiedlicher Perspektive die Situationen, die vorgetragen werden, zu bewerten. Versicherte haben in Konfliktfällen das Recht, gehört zu werden. Im Gremium sind neben der Fachkompetenz der Hauptamtlichen, ehrenamtlich je eine Person von Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite vertreten. Widerspruchsausschuss nennt sich dieses Gremium. Allein in Baden Württemberg arbeiten 21 Widerspruchsausschüsse der Deutschen Rentenversicherung.

Frida war lange Jahre Betriebsrätin. Alltagswirklichkeiten, Sorgen und Nöte sind ihr vertraut, ebenso wie betriebliche Zusammenhänge. Regelungen aus dem Blickwinkel der Menschen zu lesen, für die sie gemacht sind, hat sie gelernt und in ihrem Berufsleben umgesetzt. „Dieses Erfahrungswissen bringe ich gerne ein. Die Arbeit im Widerspruchsausschuss ist mir wertvoll. Wir betonen ja immer: Wem gehört die Rentenversicherung? Uns, den Versicherten. Das wird in dieser Aufgabe wirklich gelebt.“

Gottes Willen zu tun ist Treue
Frida reflektiert ihr Engagement als aktives christliches Handeln. “Im Grunde ist es mein Glaube, der mich anspornt. Wir haben hier demokratisch geregelt die Möglichkeit, uns füreinander einzusetzen. Diese Verantwortung wahrzunehmen, das ist für mich gelebter Glaube. Ich kann es und deshalb mache ich es. Natürlich ist es anstrengend, kostet immer wieder Überwindung, aber nicht zu tun, wozu ich vom Innersten her mich aufgerufen fühle, das ist keine Option. Ja, und es macht zufrieden, weil es sinnvoll ist und mir zeigt, dass ich gebraucht werde.“

Überreich ist die Weisheit
Menschen wie Frida beeindrucken mich. Menschen, die Glaube und Leben unmittelbar verbinden und dies zum Ausdruck bringen. Sie handeln so selbstverständlich, dass sie kaum darüber sprechen. Die innere Gewissheit, sich in allen Widrigkeiten, gewissermaßen auf der Spur Gottes zu sehen, das wird in der Begegnung mit ihnen spürbar. Menschen, die in ihrem Leben einen Auftrag erkennen und diesen beherzt annehmen. In diesen Begegnungen wird Einheit spürbar. Gleichzeitig tut sich eine Weite auf, ein befreiender Blick auf das Leben.

Einssein mit sich und mit Gott. In der Welt – wo sonst?
Meine Kirche war immer die, in der es darum ging, diesem Auf-der-Spur-Gottes-Sein Raum zu geben. Ihm Bedeutung beizumessen, zum Beispiel indem wir Menschen wie Frida zuhören, von ihnen erzählen und uns anstecken lassen von ihrer nüchternen Begeisterung.

Es sind verschiedene Prägungen, die mich immer mehr in diese Richtung führen. In der KJG verstanden wir Jugendarbeit als Gottesdienst. Kindertage planen ist Gottesdienst, ebenso wie eine Jugendfreizeit organisieren und – damals – für Maßnahmen gegen das Waldsterben zu demonstrieren. Ich kann mich gut erinnern wie sehr mich diese Sichtweise, bewusstes Handeln im Alltag, als Gottesdienst zu verstehen, beeindruckt hat. Eine zweite Prägung war die Aufgabenstellung für eine Hausarbeit im Studium, Seminar Erwachsenenbildung. Es galt, in Biografien nach Spuren des Religiösen zu suchen. Gemeint waren nicht Lebensgeschichten von Heiligen, sondern Biografien der Gegenwartsliteratur. Es war eine Übung, mit unseren Augen auf ein Leben zu schauen, und zu sehen, ob wir darin Gottes Spuren finden. Dabei ging es nicht um religiöse Vereinnahmung, sondern darum, auf Grundlage theologischer Vorbildung, Gott im Leben zu entdecken.

Als Drittes sei die hörende Haltung der Kontemplation genannt. Den Anderen wirklich wahrnehmen, hören und verstehen wollen. Im Moment, mit gesammelter Aufmerksamkeit. Bei Menschen wie Frida fällt mir das Hören leicht. Dabei ist nicht die gute Tat im Vordergrund, die bei uns einfachen Menschen manchmal gönnerhaft gelobt wird. Vielmehr ihr Selbstverständnis, ihre Lebensfreude, ihre tiefe Überzeugung, die sie ‚ganz einfach‘ lebt. Genau wie in folgenden Zeilen beschrieben:

Das den Menschen nahe Gebot
Dieses Gebot… geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. Es ist nicht im Himmel, so dass du sagen müsstest: wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, so dass du sagen müsstest: wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.(Deuteronomium 30,11-14)
Frida, eine von uns, hat diese Weisheit für ihr Leben erkannt. Wir können das auch.

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Anmerkung: Vom 11. April bis 31. Mai 2023 sind Sozialwahlen. Wahlberechtigt sind u.a. Millionen Rentenversicherte. Die Unterlagen werden per Post zugeschickt. Was jede/r tun kann: Menschen wie Frida unterstützen, Wahlrecht wahrnehmen, und dadurch der Wahl Bedeutung geben. Auf dem Wahlzettel werden sie vergeblich nach Namen suchen, genannt sind Arbeitnehmerorganisationen, diese entsenden ihre Vertreter*innen.

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