Aus einer liebenden Haltung – 6. Sonntag der Osterzeit A

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 14
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern – und Jüngerinnen:
15 Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
16 Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll,
17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.
19 Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich weil ich lebe und auch ihr leben werdet.
20 An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch.
21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Autorin:
M. Rings-Kleer Marita Rings-Kleer, Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft Altenkessel-Klarenthal, Diözese Trier

 
Die Predigt:
Aus einer liebenden Haltung

Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, achte ich an bestimmten Kreuzungen darauf, wie viele Autofahrer noch bei Rot über die Ampel fahren. In den letzten Tagen waren es an einem Morgen nur vier, kein Spitzenwert. Weil Ampeln bei uns nur in seltenen Fällen mit Videokameras ausgestattet sind, fährt eben so mancher Autofahrer noch bei Rot drüber, weil er keine Strafen zu befürchten hat.

Dabei sind die Situationen, die dadurch entstehen, sehr gefährlich. Denn die anderen Autofahrer haben schon Grün und fahren ebenfalls und kommen den „Rot-Fahrern“ oft ganz gefährlich nahe. Aber die Gefahr hält die Autofahrer offensichtlich weniger von ihrem Tun ab, als eine Strafe in Form eines „Knöllchens“. Wenn ich das beobachte, frage mich, warum die Zahl derer, die sich über Regeln hinwegsetzen, nicht nur bei den Autofahrern, immer größer wird? Empfinden immer mehr Menschen die Regeln, die unser menschliches Zusammenleben eben „regeln“ sollen, als lästige Gängelei? Fühlen sie sich bevormundet oder gar eingeschränkt?

Natürlich weiß ich auch, dass nicht alle Regeln hilfreich sind. Es gibt Regeln, die sind tatsächlich mit Einschränkungen verbunden, aber nicht, um mich zu bevormunden, sondern um mich zu schützen.
Verkehrsregeln helfen, dass wir uns sicher auf unseren Straßen bewegen können und jeder, der sich nicht daran hält, gefährdet sich und andere. Regeln gibt es seit Menschen in Gemeinschaften leben. Zu den berühmtesten Regeln zählen die zehn Gebote. Zumindest die sieben Gebote sind buchstäblich lebensrettend, die sich auf das menschliche Zusammenleben beziehen. Nehmen wir das Gebot: Du sollst nicht morden, es wäre fatal, wenn wir Menschen uns gegenseitig töten könnten, so wie es uns gefällt. Wie schwierig es geworden ist mit: Du sollst nicht lügen, in einer Zeit voller Fake-News, erleben wir jeden Tag.

Die Gebote sind also Regeln, die mein Leben und das Anderer schützen. Und das gilt dann natürlich auch für alle anderen Gesetze, die unser Zusammenleben regeln. Gedacht sind sie, um uns vor lebensbedrohlichen Situationen zu bewahren. Manchmal sogar vor denen, die wir selbst verursachen, wie eben an den Ampeln.

Im heutigen Evangelium geht Jesus sogar noch weiter: Wenn ihr mich liebt, werdet ihr die Gebote halten. Jesus wiederholt diesen Satz am Ende der heutigen Perikope noch einmal, so als ob er es uns regelrecht einbläuen wollte.

Nun fällt es uns sicher nicht leicht, das Halten der Gebote ausgerechnet mit der Liebe zusammen zu bringen. Kennen wir doch alle den Satz des Hl. Augustinus „Liebe und tu, was du willst!“ Der gefällt uns gut, scheint er doch eher eine „Öffnungsklausel“ zu sein, als eine Einschränkung. Doch auch dieser Satz ist selbst eine wichtige Regel:
Wer einen anderen Menschen liebt, wird nie etwas tun, was diesem Menschen schaden könnte. Im Gegenteil, wer liebt, wird sich selbst gern zurücknehmen, damit es dem geliebten Menschen gut geht. Wer liebt, wird den anderen Menschen beschützen und ihn nicht einer Gefahr aussetzen.

Jesus hat also Recht. Er weiß um den Zweck, den alle Gebote, Regeln oder Gesetze haben. Er weiß, dass sie schützen und bewahren wollen.
Da, wo das Morden verboten ist, wird das Leben von Menschen beschützt.
Da, wo das Stehlen verboten ist, wird das Eigentum von Menschen geschützt.
Da, wo Lügen verboten ist, werden Vertrauen und Wahrheit geschützt.
Niemand will sich vorstellen, dass es in unserer Welt anders zugehen soll. Gebote sind also keine Verbote, außer sie verbieten die Unmenschlichkeit. Gebote legen den Finger auf die zentralen Bedingungen menschlichen Zusammenlebens und nur, wenn wir uns nach den Geboten richten, kann dieses Zusammenleben gut werden.

Aber Jesus setzt noch eins drauf! Mit der Liebe geht er noch einen Schritt weiter. Er will nicht nur, dass wir die Regeln einhalten, er will, dass wir das aus einer liebenden Haltung heraus tun.
Das ist der Unterschied zwischen den Menschen in der Gesellschaft und den Christen. Während Menschen die Gebote halten, damit sie überleben und sicher leben, will Jesus eine neue Qualität in unser Zusammenleben bringen. Die Liebe soll Maßstab sein und die Liebe wird nie etwas Schlechtes wollen oder tun.

Das wusste auch Augustinus, deshalb konnte er gefahrlos seinen berühmten Satz verkünden. In einem liebenden Miteinander sind die Gebote sozusagen „all inclusive“, ja besser noch: Die Liebe ist nicht nur ein Geschehen zwischen Menschen, wir Menschen werden auch von Gott geliebt. Sogar zuerst von Gott geliebt und dann in die Lage versetzt, andere Menschen zu lieben.

Wie sehr die Welt in Unordnung gerät, wenn zuerst die Liebe und dann in der Folge die Gebote verloren gehen, dass sehen wir in den Kriegen dieser Welt. Sie nehmen zu und nicht ab, wie man es von modernen Menschen erwarten würde. Ein Krieg ist die grausamste Form von Lieblosigkeit und Missachtung von Geboten. Und er ist ein sichtbares Zeichen für Gottlosigkeit.

Der Evangelist Johannes legt in seinem Evangelium Jesus gern theologisch-philosophische Äußerungen in den Mund, weil es ihm wichtig ist, auf bestimmte Zusammenhänge hinzuweisen. Wie auf den zwischen der Liebe und den Geboten.

Für uns Menschen in unserem Alltag scheint das allerdings weit weg. Für die Autofahrer an der morgendlichen Ampel würde schon reichen, wenn sie den Zusammenhang von Regeln und Beschütztsein erkennen könnten. Es wäre schön, wenn sie bei Rot stehen bleiben würden, um sich und andere nicht zu gefährden. Es sieht ganz so aus, dass wir Menschen mit dem Halten der Regeln schon überfordert sind.
Erst recht mit dem hohen Anspruch Jesu.

Aber vielleicht naht ja schon Hilfe. Bald ist Pfingsten und da ist uns noch einmal der Geist Jesu zugesagt, die Kraft, die uns helfen kann, den Anspruch Jesu zu leben. Dieser Geist ist uns jedenfalls zugesagt, nicht nur an einem einzigen Tag im Jahr. Immer und immer wieder und bis er dann in mir wirkt, warte ich doch gerne an einer roten Ampel. Amen

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