Wenn es ums Lebensrecht geht – 29. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 18
In jener Zeit
1 sagte Jesus seinen Jüngern – und Jüngerinnen – durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher
4 Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
5 weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
6 Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt.
7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?
8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Autorin:
Birgit 2022 001 (4)Birgit Droesser, Pastoralreferentin a.D. der Diözese Rottenburg-Stuttgart, jetzt ehrenamtlich tätig in der Pfarrei St.Bruno, Würzburg

 
Die Predigt:
Wenn es ums Lebensrecht geht

Liebe Leserin, lieber Leser,
was für ein harter Kampf es sein kann, zu seinem Recht zu kommen, dafür gibt es viele Beispiele. Ich denke daran, wie hartnäckig chronisch kranke Menschen und ihre Angehörigen sein müssen, wenn sie bei den Krankenkassen Hilfsmittel, Erstattungen, Kuren oder was auch immer nötig ist, beantragen. Zuerst wird fast immer abgelehnt. Das kostet so viel Energie, die die Betroffenen oft nicht haben.

Das fiel mir gleich dazu ein, als ich die Geschichte von der Witwe las, die bei dem Richter, dem nichts heilig ist, um ihr Recht kämpft. Es ist einfach großartig, wie Jesus im Lukasevangelium an vielen Stellen die Lebenswirklichkeit von Frauen aufgreift und sie den Jüngerinnen und Jüngern als Beispiel vorstellt. Mehrmals kommen Witwen vor, wie z.B. bei der Auferweckung des toten jungen Mannes in Nain, weil sie zu seiner Zeit meistens arme Frauen waren, ohne Einkommen und ohne männlichen Beistand. – Ja, der Mann im Haus stellt auch heute oft noch etwas dar. Mit ihm verhandeln Handwerker oder Geschäftspartner immer noch lieber, weil sie den Frauen weniger Sachverstand zutrauen… –

Es geht hier nicht um irgendeinen Rechtsstreit wegen diesem oder jenem. Diese Witwe ist auf sich alleine gestellt. Sie kämpft um ihr Recht, weil sie sonst nicht überleben kann. Wahrscheinlich um ein Eigentumsrecht, das ihren Lebensunterhalt garantiert, vielleicht ein Acker, ein Stück Land, auf dem sie anbauen kann. Für sie geht es um alles oder nichts. Deshalb kommt sie immer wieder zu diesem Richter, auf den sie angewiesen ist, und lässt ihm keine Ruhe. Und der fühlt sich nicht nur belästigt, ja er hat geradezu Angst vor ihrer Unverschämtheit: sonst kommt sie noch und schlägt mich ins Gesicht. So ereicht die Witwe ihr Ziel: er verschafft ihr Recht, um sie endlich los zu sein.

Und jetzt sagt Jesus: genau das tut Gott und um unendlich viel mehr als dieser problematische Richter. Er verschafft seinen Kindern, ohne zu zögern, das Recht zu leben. Der Johannesevangelist lässt Jesus sagen: damit sie das Leben in Fülle haben.

Aber wer kann das glauben? Sprechen nicht alle Tatsachen dagegen? Muss nicht jeder denkende Mensch zugeben, dass es äußerst ungerecht in der Welt zugeht und so viele Gebete offensichtlich nicht erhört werden? Schließlich musste auch Jesus die Erfahrung machen, dass sein Bitten: Vater, wenn es möglich ist, lass den Kelch – des Leidens – an mir vorübergehen! nicht erfüllt wurde. Allerdings ging die Geschichte weiter, wie wir wissen.

In dem Rechtsstreit der Witwe geht es um ihr Lebensrecht, um ihre materielle Absicherung, in diesem Jahr auch für uns ein brennendes Problem. Noch mehr Menschen als in der Coronakrise haben Angst vor dem finanziellen Absturz. Die Sorgen sind groß und berechtigt. Dennoch ist es für uns Christinnen und Christen die Frage, wie wir im Geiste Jesu damit umgehen. Lauter werden die Stimmen, nicht nur in den östlichen Bundesländern, die in geflüchteten Menschen in unserem Land eine existentielle Bedrohung sehen, in dem Sinne: „denen wird geholfen und was ist mit uns?“ Die Probleme sind riesig und die politisch Verantwortlichen wirklich nicht zu beneiden. Aber ein Verteilungskampf, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt, in dem Ablehnung und Hass geschürt wird, darf nicht sein.

Wie im Brennglas sehen wir in dieser Frage, wie bedeutend Religion und Glaube für unsere Gesellschaft sind. Gott wird seinen Kindern zu ihrem Recht verhelfen ohne zu zögern. Ihm geht es auch um unser Lebensrecht. Diese Worte Jesu sollten uns darüber nachdenken lassen, ob wir vielleicht im Offensichtlichen nicht doch nur die täuschende Oberfläche sehen, wenn wir meinen, das Beten doch nichts hilft, oder sehr oft nichts hilft. Wir wissen nicht, was „zwischen Himmel und Erde“ vorgeht.

Was Beten bewirkt, kann niemand messen, und auch nicht welcher Halt anderen Menschen zuteil wird, für die wir beten. Unsere persönlichen Erfahrungen, die wahr sind, auch wenn sie andere nicht teilen, sagen uns: Beten verleiht in jedem Fall Stärke. Beten hilft uns, Schweres zu tragen und beharrlich und unablässig an Lösungen zu arbeiten. Wie viele gute Gedanken gibt doch die heilige Geistkraft ein, wie öffnen sich doch immer wieder Türen, bahnt sich eine Lösung an.

Die Verbindung mit Gott im Bitten und Beten ist eine große Kraft in allen Lebenslagen. Deshalb beten wir seit Februar in unserer Gemeinde jeden Sonntag um den Frieden. Das gemeinsame Bitten und Beten stärkt unseren Glauben. Amen

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