Ehrlich vor Gott und den Menschen – 30. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 18
In jener Zeit
9 erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis:
10 Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11 Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
13 Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Autorin:
Maria Lerke Maria Lerke, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Ehrlich vor Gott und den Menschen

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Hochmut kommt vor dem Fall!“ Sicher kennen Sie alle dieses Sprichwort und wissen, dass es einerseits „Schadenfreude“ auslöst, auf der anderen Seite aber auch eine gewisse Portion an „Neid“ hochkommen lässt.

Im Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner scheint es auf den ersten Blick ja genau darum zu gehen. Schnell sind wir dabei mit dem Finger auf den hochmütigen Pharisäer zu zeigen. Wobei es eigentlich doch ganz wichtig ist, mit einem gesunden „Selbstwertgefühl“ ausgestattet zu sein. Schauen wir genauer hin:

Die Pharisäer waren zur Zeit Jesu die geistliche Elite. Sie hielten sich peinlichst genau an die Gebote und versuchten alles richtig zu machen. Der Pharisäer in dem Gleichnis geht sogar noch einen Schritt weiter: er fastet nicht nur einmal im Jahr, so wie es Vorschrift war, er fastete sogar zweimal die Woche und er gab zehn Prozent nicht nur von dem, was er mit seiner Arbeit verdient hatte, sondern er gab zehn Prozent von seinem gesamten Einkommen. Er gab und machte also viel mehr, als vom Gesetz verlangt wurde.

Dürfen wir so einen Menschen „abstempeln“? Wo er doch Gutes tut. Darf er sich bei Gott nicht bedanken, dass er immer auf dem rechten Weg geblieben ist, dass er kein Räuber oder Betrüger geworden ist, dass er so vielen Versuchungen widerstand, dass er Gottes Willen respektierte, nicht korrupt wurde und seiner Frau treu blieb? Was ist falsch daran, wenn er sagt: „Herr, ich danke dir, dass ich so bin, wie ich bin!“ Ich glaube nicht, dass Jesus mit diesem Gleichnis uns die Freude an unseren Bemühungen und Erfolgen nehmen will. Vielmehr geht es ihm um unsere innere Haltung mit der wir uns im Gebet an Gott wenden.

Der Pharisäer ist sich sicher, dass sein Lebensstil und seine Leistungen völlig in Ordnung sind. Jesus selbst hat die Pharisäer aber immer wieder als Heuchler bezeichnet (Matthäus 23, 23-28) Er wirft ihnen vor, dass sie nach außen fromm erscheinen, innerlich aber voller Unrecht sind. Ihre inneren Schwächen werden durch auffällige Leistungen nach außen verdeckt. Mehr Schein als Sein. Außerdem beruhigen Sie ihr Gewissen und sagen, dann streng ich mich halt noch mehr an, lächle mehr, übernehme noch mehr Ämter und Aufgaben, damit die Fassade wieder glänzt. Außerdem gibt es ja noch viel schlechtere Menschen als mich! Hochmütig schauen sie auf die Anderen herab.

Nehmen wir dagegen die Zöllner, dann wissen wir, dass diese von vielen Menschen damals verachtet wurden, weil sie korrupt waren und ihren ganzen Reichtum nur deshalb anhäufen konnten, weil sie die Menschen betrogen. Die Zöllner arbeiteten mit den verhassten Römern zusammen, legten selbst die Höhe der Zölle fest, einen Teil bekam Rom und den größeren Teil brauchten sie selbst, um ihr „Geschäft“ am Laufen zu halten und ihren Reichtum zu sichern. Wie kann Jesus diesen korrupten Geldmenschen als Vorbild hinstellen?

Aber es fällt auch auf, dass dieser Zöllner seinem Gott im Gebet mit einer anderen Haltung begegnet: er vergleicht sich nicht, muss sich nicht besser „darstellen“ als andere, die noch schlimmer sind als er. Er beruft sich nicht auf seine Leistungen und traut sich nicht einmal, nach oben zu schauen. Mit leeren Händen ist er da und bittet Gott um sein Erbarmen.

Jesus will uns mit Hilfe dieser zwei Menschentypen wieder einmal deutlich machen, dass Gott anders „tickt“ als wir. Allein aus Gnade und weil er uns liebt, erhört er uns, schenkt er uns das, was wir zum Leben brauchen. Es kommt bei ihm nicht drauf an, ob wir besser, schneller, oder perfekter sind als die anderen – bei ihm zählt nur die Liebe! Ich darf mich über meine Talente, über meine Begabungen, über meine Erfolge freuen und das auch zeigen; ich darf mich ins rechte Licht rücken. Aber das allein macht mich bei Gott nicht zu einem besseren Menschen.

Mein Gebet kommt dann bei Gott an, wenn ich mich ihm anvertraue, wenn ich von Gott erwarte, dass er meine leeren Hände füllt, wenn ich vertrauen kann, dass er mir meine Schuld vergibt, wenn ich weiß, dass er mich aufrichtet und zwar einfach nur deshalb, weil er mich liebt.

Je mehr wir uns selbst zurücknehmen, je ehrlicher wir vor Gott und den Menschen werden, um so größer wird Gott in unserem Leben sichtbar und erfahrbar werden. Der Pharisäer will mit seiner Frömmigkeit „punkten“, dem Zöllner geht es darum, dass Gottes Erbarmen sichtbar wird. Gott soll in seinem Leben von nun an mehr „Leuchtkraft“ bekommen. Wenn er ihn um „Verzeihung“ bittet, dann will er ja sein Leben ändern, sein Leben mehr auf Jesus Christus ausrichten.

Das Frohe an dieser Botschaft ist, dass wir uns nicht einem dieser beiden „Typen“ zuordnen müssen. Nirgends steht, dass wir nicht so sein sollen wie der Pharisäer. Die Botschaft lautet vielmehr: Du brauchst gar nicht so zu sein!

Denn wir begegnen Gott viel mehr, wenn wir schwach sind. Vor ihm dürfen wir unsere Masken ablegen, vor ihm brauchen wir nicht mit irgendwelchen Höchstleistungen prahlen, im Gegenteil, ihm können wir all unsere Verwundungen hinhalten, die uns so schwach und verletzlich machen. Er liebt uns trotz unserer Schwächen und Fehlern, trotz unserer Sünden und unserem Versagen.

Gott stellt mit seiner Liebe unsere allzu menschlichen Berechnungen wieder mal völlig auf den Kopf! Gott sei Dank ist er „anders“!

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