Ein Netz, das auffängt – 5. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 5
In jener Zeit
1 als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Genesaret
2 und sah er zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
3 Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.
4 Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
5 Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin, werde ich die Netze auswerfen.
6 Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen.
7 Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.
8 Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: geh weg von mir; ich bin ein sündiger Mensch, Herr.
9 Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten;
10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.
11 Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.

Autorin:
Rings-KleerMarita Rings-Kleer, Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft Altenkessel-Klarenthal, Diözese Trier

 
Die Predigt:
Ein Netz, das auffängt

Liebe Leserin, lieber Leser,
ein bekannter Zirkus war in der Stadt und auch ich ging in die Vorstellung. Der Zirkus ist berühmt für seine waghalsige Artistik und so hielt ich jedes Mal die Luft an, wenn die Artisten mit atemberaubenden Sprüngen und Fängen ihr Können zeigten. Oft genug habe ich dabei gedacht: was ist, wenn sie nun danebengreifen und abstürzen? Und genauso oft fiel mein Blick dann auf das Netz, das aufgespannt war und die Artisten im Falle eines Falles auffangen würde.

Netze gibt es viele, auch ihre Verwendung ist vielfältig. Auffangnetze im Zirkus, die Netze der Fischer, Schutznetze an Straßen, Netze auf Sportplätzen, Einkaufsnetze und viele mehr. Das wohl bekannteste Netz ist sogar weltweit gespannt im world-wide-web. Wie bei jedem anderen Netz, das geknüpft werden muss, gilt es auch dort, Verbindungen und Beziehungen zu knüpfen, die helfen, beruflich und auch privat erfolgreich zu sein. Wer es heute weiter bringen will, muss gut vernetzt sein.

Netze können auch ein negatives Image bekommen, wie z.B. Fischer-Netze. Als Mittel und Arbeitsgerät zum Fangen von Fischen, jahrtausendelang wichtig und gut, wird aktuell immer öfter von ihrer negativen Wirkung beim „Beifang“ gesprochen. Da töten und vernichten die Netze Fische, die nicht gebraucht werden, einfach nur, weil sie zufällig ins Netz geraten sind.

Wenn wir heute im Evangelium davon hören, dass die Fischer um Simon ihre Netze auswerfen, um Fische zu fangen, war das zur Zeit Jesu ein alltäglicher Vorgang. Wenn wir aber dann hören, dass Jesus Simon, Jakobus und Johannes auffordert, von nun an Menschen zu fangen, stößt das doch sehr negativ auf. Wer will schon „gefangen“ werden?
Gefangen werden hat mit dem Verlust der Freiheit zu tun, Gefangenschaft.
Gefangen werden hat mit dem Überstülpen einer anderen Bestimmung zu tun, Gehirnwäsche.
Gefangen werden hat mit unbedingtem Gehorsam zu tun, Diktatur.
Niemand will so gefangen werden und deshalb distanzieren sich Menschen heute immer öfter von solchen „Gefangenschaften“, auch und vielleicht sogar besonders dann, wenn sie unter dem Label der Kirche daherkommen. Deshalb distanziert sich umgedreht die Kirche heute ja auch gerne von der Bezeichnung „Menschenfischer“, weil sie dieses Image abschütteln will, sie will lieber als missionarische und diakonische Institution wahrgenommen werden. Leider gelingt ihr dies nicht mehr; zu lange haben zu viele Menschen unter den Gefangenschaften der Kirche gelitten und das hat sich negativ in das Image der Kirche regelrecht eingebrannt.

Die globale Wirtschaft war und ist das cleverer: Auch sie fischt Menschen, um ihre Produkte zu vermarkten und geht dabei sehr geschickt vor. Frei nach Goethe: „Den Teufel merkt das Völkchen nicht, auch wenn es ihn beim Kragen packt.“ Psychologische ausgetüftelte Strategien „verfangen“ bei sehr vielen Menschen und steigern die Verkaufszahlen. Sektenprediger tun es ihnen gleich und oft genug werden Menschen in ihren fundamentalistischen oder gar diktatorisch organisierten Gemeinschaften eingefangen.

Solche „Menschenfischerei“ hat Jesus ganz sicher nicht gewollt, als er Simon und die anderen Fischer auffordert, von jetzt an Menschen zu fangen. Für mich ähnelt diese Aufforderung tatsächlich viel eher dem Tun unserer heutigen Wirtschaftsmanager. So wie sie, sollen die Jüngerinnen und Jünger Jesu den Menschen etwas anbieten, das ihnen hilft, ihr Leben besser und gut zu gestalten. So, wie Fische und andere Nahrungsmittel den körperlichen Hunger der Menschen stillen, so soll die Botschaft Jesu den „Seelenhunger“ der Menschen stillen. Und nicht nur seine Botschaft, sondern auch das Wirken seines Geistes in unserer Welt, soll den Menschen gut tun. Ihre vielfältige Not soll durch die Güte Gottes, die im Wort der Bibel und in der Nächstenliebe der Menschen deutlich wird, gelindert werden. Das ist der Auftrag Jesu an diejenigen, die er „Menschenfischer“ nennt. Keine Gefangennahme, keine Gehirnwäsche, keine Diktatur, sondern Lebenshilfe in jeder möglichen Form.

Doch diese Lebenshilfe, diese „Seelsorge“ braucht auch Hilfsmittel. Kein Fischer stellt sich mit bloßen Händen ans Meer, um Fische zu fangen. Keine Manager verlässt sich heutzutage nur auf sein Wort. Und da kommt das Netz wieder ins Spiel. Aber kein Netz, das „fängt“, sondern eher ein Netz, das „auffängt“. So, wie im Zirkus.

Das Leben war und ist oft genug ein Drahtseilakt. So vieles kann passieren, unverhofft und auch selbst verschuldet, so vieles kann als Stolperstein auf dem Lebensweg liegen, das Schicksal kann auf so viele Weise seine Schläge austeilen, und dann stürzt man ab. Unsere Sprache kennt ja genau diese Sätze: „Ein Mensch ist in seinem Leben abgestürzt“ oder „er konnte sich nicht mehr halten“ oder „er ist daneben getreten.“ Wie gut wäre es dann, wenn ein Netz eingespannt ist, das auffängt, den Sturz mildert.

Und darum geht es: Verhindern können wir Menschen die vielfältigen Nöte unsers Lebens nicht, sie passieren. Aber, wir können Netze einspannen und diese Netze können vielfältig sein. Das beste Netz sind Glaube und Gottvertrauen. Auch sie verhindern den Sturz nicht, fangen aber auf. Und all die Menschen, die helfen, solche Netze zu spannen, die helfen, dass Menschen auf Gott und seine Güte trotz allem vertrauen, das sind sie: die Menschenfischer.

Denn sie fangen Menschen – auf. Und ihnen wird zugesagt: Fürchte dich nicht, wenn du solch ein Menschenfischer bist, dann bist du genau richtig.

Zum Schluss eine kurze Geschichte:

    Ein Fischer lebte mit seiner Frau in einem Dorf hoch über den Klippen. Wenn er zum Fischfang ausfuhr, war er oft lange unterwegs und so geschah es, dass seine Frau, müde vom Warten, sich einem anderen Mann zuwandte. Die Dorfgemeinschaft entdeckte dies, tolerierte es aber nicht und verurteilte die Frau zum Tode. Sie sollte über die Klippe ins Meer gestürzt werden. Doch am Vorabend der Urteilsvollstreckung kam ihr Mann wieder nachhause. Er erfuhr, was passiert war und war unendlich traurig darüber. Dann verschwand er auch schon wieder. Am nächsten Morgen wurde das Todesurteil vollstreckt und die Frau in die Tiefe gestürzt. Doch kurze Zeit später schritt sie an der Hand ihres Mannes durch das Dorf und beide fuhren mit seinem Boot für immer davon. Und dann entdecken die Dorfleute das Netz, das der Fischer über Nacht unter die Klippe gespannt und seiner Frau so das Leben gerettet hatte.
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