Es geht eine Kraft von ihm aus – 6. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 6

    12 Es geschah aber in diesen Tagen, dass Jesus auf einen Berg ging, um zu beten. Und er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott.
    13 Als es Tag wurde, rief er seine Jünger – und Jüngerinnen – zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus; sie nannte er auch Apostel…

17 Jesus stieg mit ihnen den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seiner Jünger – und Jüngerinnen – stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon
18 waren gekommen,

    um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Und die von unreinen Geistern Geplagten wurden geheilt.
    19 Alle Leute versuchten, ihn zu berühren; denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte.

20 Er richtete seine Augen auf seine Jünger – und Jüngerinnen – und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.
21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. / Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.
22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen.
23 Freut euch und jauchzt an jenem Tag, denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht.
24 Aber weh euch, ihr Reichen, denn ihr habt euren Trost schon empfangen.
25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.
26 Weh, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.
– Die eingerückten Verse sind im offiziellen Sonntagsevangelium ausgelassen. –

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin der Diözese Rottenburg a.D., Pfarrgemeinderätin in St. Bruno, Würzburg

 
Die Predigt:
Es geht eine Kraft von ihm aus

Liebe Leserin, lieber Leser,
Eine Vorbemerkung
Von beiden Evangelisten, Matthäus und Lukas, kennen wir die sogenannte „Bergpredigt“. Je länger sich das Ende der Welt hinauszögerte, wie es Jesus und die Menschen seiner Zeit ganz nah erwartet hatten, umso wichtiger erschien es vielen, die Worte und Taten des Messias Jesus aufzuschreiben, denn sie sollten nicht in Vergessenheit geraten. Schließlich wusste man nicht, wie lange die Weltzeit noch dauern würde. Es entstand eine Sammlung von Worten Jesu, die sogenannte „Redenquelle“ und Markus verfasste als erster sein Evangelium als Lebensbeschreibung Jesu. Als Matthäus und Lukas in den 70er Jahren des 1. Jahrhunderts sich daran machten, ihre Lebensbeschreibungen Jesu für ihre Gemeinden zu verfassen, kannten sie einander nicht, wohl aber das Markusevangelium und die Redenquelle. Sie haben vieles aus dem Markustext übernommen und bringen beide die Bergpredigt, aber mit ganz eigenen Akzenten. Heute und an den beiden kommenden Sonntagen hören wir sie in der Fassung des Evangelisten Lukas.

Inzwischen war viel geschehen. Lukas hat die Anfänge der Jesusgemeinden nach Pfingsten in seiner Apostelgeschichte beschrieben. Das Jahr 70 brachte die Katastrophe. Die Römer schlugen einen jüdischen Aufstand mit brutaler Gewalt nieder. Jerusalem und der Tempel lagen in Trümmern. Bis heute steht vom alten Tempel nur noch die Westmauer, Klagemauer genannt. Welche Anklänge an unsere Zeit, wenn wir an Syrien z.B. denken! Von da an hatte das Volk Israel keine Heimat mehr. Viele jüdischen Menschen und Christen flohen in den ganzen Raum rund um das Mittelmeer. Überall bildeten sich jüdische und christliche Gemeinden und die Christen jüdischer Herkunft mussten viel an Ablehnung und Anfeindung ihrer Glaubensgeschwister ertragen. An Jesus, dem Christus, dem Messias, am Glauben an seine Auferweckung, schieden sich die Geister.

Weshalb so ein langes Vorwort? Weil am heutigen und den beiden kommenden Sonntagen die Christusrede in der Fassung des Lukas im Gottesdienst vorgetragen wird. Und wir wollen ja verstehen, was Jesus in der Erleuchtung des Lukas für die Zukunft, also auch uns, sagen will.

Die „Feldrede“
Zuerst fällt auf, dass Jesus in der Fassung des Lukas keine „Bergpredigt“, sondern eine „Feldrede“ hält. Für Lukas ist der Berg ein besonderer Ort der Gottesbegegnung, ein Ort für Auserwählte; das Volk Israel ist dort nicht zugelassen. Lukas erzählt: Jesus verbrachte eine ganze Nacht mit seinen Jüngerinnen und Jüngern im Gebet auf dem Berg. Und als der Morgen dämmert ruft er die männlichen Jünger zu sich und wählt 12 von ihnen aus, die er Apostel nennt. Mit der ganzen Schar geht er schließlich den Berg hinunter, wo sich auf dem Feld schon viele Menschen versammelt haben und um ihn drängen. Sie wollen ihn hören, sie drängeln vor, um ihn berühren. Denn sie spüren die heilende göttliche Kraft, die von ihm ausgeht.

Trostworte oder Vertröstung?
Jesus wendet sich an seine Jüngerschar und spricht sie direkt auf ihre Situation hin an. Doch gelten seine Worte auch dem ganzen Volk – und damit auch uns. Jesus der Wanderprediger ohne ein eigenes Zuhause, die Nacht auf dem Berg – das war kein bequemes Leben, sondern Entbehrung und Mühen, Hunger und auch Tränen als ständige Begleiter. Daher die Trostworte an die Jüngerinnen und Jünger. Selig, die ihr jetzt hungert… selig, die ihr jetzt weint… selig, wenn ihr um meinetwillen gehasst werdet. Dieses letzte Wort bezieht sich, wie schon angedeutet, auf die Erfahrung, dass Judenchristen oft aus den jüdischen Gemeinden ausgeschlossen wurden. Gestern waren sie noch Nachbarn und Freunde und jetzt: Verleumdung, üble Nachrede und Hass. Selig seid ihr, denn euer Lohn im Himmel wird groß sein, hören wir Jesus sprechen. Wenn das nicht nach Vertröstung klingt! Jetzt geht es euch richtig schlecht, aber dann werdet ihr immer satt sein, ihr werdet lachen, tanzen und frohlocken. – Einfach so dahin gesagt: das wird schon wieder, … du kannst doch noch Kinder bekommen,… das hast du dir selber eingebrockt, …solche Worte, lieblos dahingesagt, sind kalte Vertröstungen, die nur noch mehr herunterziehen, weil sie zeigen, da ist jemand richtig hilflos oder will nur seine Ruhe haben.

Es ging eine Kraft von ihm aus,
heißt es jedoch von Jesus. In seiner Nähe haben die Menschen gespürt: Gott selber spricht uns Mut zu. Gott will, dass wir satt, froh und heil sind. Das ist sein Wille für seine Menschen, für alle seine Menschen. Das wird uns, so unglaublich es scheinen mag, garantiert. Wenn wir bei Jesus sind, dürfen wir mitten in allen unseren Schwierigkeiten spüren, dass Gott zu uns steht und dass er sein Versprechen erfüllt, dass er uns hält und nicht im Stich lässt. So können wir aushalten, belächelt zu werden, auch Anfeindungen und abschätzige Kommentare. Seine Nähe hilft, unter Tränen zu lächeln und Schweres zu tragen, wenn es nötig wird, auch Belastungen abzuschütteln und zu beenden.

Warum aber Weh euch, wen sollen diese Rufe treffen?
Weh euch, die ihr jetzt satt seid…, die ihr jetzt lacht…, die ihr von allen Leuten gelobt werdet… Damals an die Adresse der Wohlhabenden gesprochen und an die rechthaberischen Gesetzestreuen, die ihr Mitgefühl für ihre Nächsten und die Liebe zu ihrem Gott verloren hatten, aber eben auch zu uns, wenn wir meinen, alles in der Hand zu haben: Gut leben, denn dann, wenn wir sterben, ist es ja sowieso aus; Hauptsache, gut drauf sein und Spaß haben – egal, was um mich herum geschieht; Hauptsache, bewundert und gelobt werden – das sind doch gängige Verhaltensmuster, die uns nicht unbekannt sind. Wer meint, sein Leben selber in der Hand zu haben, entfernt sich, zumindest gefühlsmäßig, weit von seinem Gott. Gott spielt dann keine Rolle mehr. Aber kann ich mich selber trösten in schwierigen Zeiten? Kann ich mir selber Halt geben, wenn ich eine bittere Enttäuschung erleben muss? Können Freunde letztlich Halt geben? Wo finde ich den Sinn? Und wer bringt mich zur Einsicht, dass ich vielleicht etwas ändern muss und was gibt mir die Kraft dazu? Es ist traurig zu sehen, man liest immer wieder davon, wie junge Menschen ihr Leben beenden, weil sie den permanenten Druck, vor andern gut und strahlend dazustehen, nicht mehr aushalten und ihnen alles aussichtslos erscheint.

Es geht eine Kraft von ihm aus. In diesem Satz liegt für mich der Kern dieser Feldrede. Lukas hat ihn aufgeschrieben, damit wir ihn – heute – auch uns sagen lassen. Er ist wie ein Versprechen für ein frohes und gutes Leben zusammen mit Christus, dem Messias, auch wenn alles „so ist, wie es ist“. In diesem Gottesdienst und in unserer Gemeinschaft dürfen wir diese Kraft heute wieder neu erfahren. – Das Vertrauen in Christus und seine Kraft bedeutet aber auch eine Verpflichtung, nämlich die Erkenntnisse der Psychologie zu nutzen, wie wir für uns selbst gut sorgen können, damit wir psychisch gesund bleiben. Genügend Erholungszeit, Bewegung im Freien, Freude an Kunst und Natur, Achtsamkeitsübungen und Meditation, Gemeinschaft pflegen, ja, das hört sich schon wieder nach einem Leistungskatalog an, aber ganz ohne Überlegung und Konsequenz geht es eben nicht. Kinder und Jugendliche müssen vor den schädlichen Einflüssen des Internets möglichst gut geschützt werden – wir hören die Warnungen der Psychologen – am besten durch das Beispiel der Erwachsenen. Wir haben viele und ganz andere Probleme als die Menschen damals und trotzdem gilt auch für uns: Es geht eine Kraft von ihm aus und wir dürfen daran teilhaben, damit Leben gelingt. Amen

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

81 + = 87

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>