Jetzt ist die Zeit – 3. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1 und 4
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
1,1 Da schon viele Frauen und Männer es unternommen haben, von den Dingen, die sich bei uns zugetragen haben, eine Erzählung abzufassen –
2 so wie es uns die Augenzeuginnen von den Anfängen und die Diener des Wortes übergeben haben –,
3 scheint es auch mir gut, nachdem ich allem von vorne an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach zu schreiben, lieber Gottesfreund, liebe Gottesfreundin,
4 damit du die Zuverlässigkeit erkennst in den Worten, über die du unterrichtet worden bist.
4,14 Jesus kehrte voller Geistkraft nach Galiläa zurück und man redete von ihm in der ganzen umliegenden Landschaft.
15 Er lehrte in ihren Synagogen, und alle schätzten ihn sehr.
16 Als er nach Nazaret kam, wo er aufgewachsen war, ging er wie immer am Sabbat in die Synagoge und stand auf, um vorzulesen.
17 Und es wurde ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja gegeben, und als er sie auftat, fand er die Stelle, wo geschrieben stand:
18 Die Geistkraft der Lebendigen ist auf mir, denn sie hat mich gesalbt, den Armen frohe Botschaft zu bringen. Sie hat mich gesandt, auszurufen: Freilassung den Gefangenen und den Blinden Augenlicht! Gesandt, um die Unterdrückten zu befreien,
19 auszurufen ein Gnadenjahr der Lebendigen! «
20 Als er die Buchrolle geschlossen hatte, gab er sie dem Diener und setzte sich. Die Augen aller Menschen in der Synagoge waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet.
21 Und er begann zu ihnen zu reden: »Heute hat sich diese Schrift in euren Ohren erfüllt.«

Autorin:
Passfoto A.R.Angela Repka, Literaturübersetzerin in Offenbach, ausgebildete Diakonin, diakonische Arbeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Jetzt ist die Zeit

Liebe Leserin, lieber Leser,
nach Weihnachten haben wir in den Evangelien nicht viel über Jesus gehört. Wie war seine Kindheit, seine Zeit als Heranwachsender und junger Mann im Haus seiner Eltern in Nazaret? Da ist noch die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus, der bei der Rückreise vom Pessachfest in Jerusalem verschwindet, ohne dass es seine Familie bemerkt. Als ihn seine Eltern nach bangen drei Tagen im Tempel im Gespräch mit Schriftgelehrten wiederfinden und ihm Vorwürfe machen, bekennt er sich zu Gott als seinem Vater, in dessen Haus er habe sein müssen. Der junge Jesus hatte die Gelehrten durch seine Einsicht und kluge Antworten beeindruckt. Mit seinen Eltern nach Nazaret zurückgekehrt, hat er wahrscheinlich das Handwerk Josefs erlernt und in dessen Schreinerwerkstatt mitgearbeitet. Am Ende des zweiten Kapitels heißt es beim Evangelisten Lukas nur: Und Jesus nahm zu an Weisheit und Reife und Gnade bei Gott und den Menschen.

Wir dürfen davon ausgehen, dass Jesus seinen Glauben auch in der Zurückgezogenheit intensiv gelebt hat, dass er die Schriften des ersten Testaments studiert, in der Synagoge vorgelesen und dort mit den Gelehrten diskutiert hat. Das wäre kein Widerspruch zu seinem mutmaßlichen Brotberuf, denn unter der römischen Besatzung ernährten sich viele jüdische Bewohner lieber ehrlich von einem Handwerk, als sich um bessere, aber kompromittierende Posten zu bemühen. Dann hören wir nichts mehr über seinen Werdegang, bis er etwa dreißig Jahre alt ist. Es ist die Zeit, da Johannes der Täufer, den Gott in die Wüste gerufen hat, dem Volk Buße und Umkehr predigt und im Jordan tauft. Auch Jesus bricht dorthin auf und reiht sich ein in die Menge der Wartenden, ganz nach dem Bild des demütigen Messias, den Jesaja vor langer Zeit als Retter angekündigt hatte.

Nach seiner Taufe erlebt der betende Jesus, wie der Himmel über ihm aufgeht und die göttliche Geistkraft, die ruach (hebr.), in Gestalt einer Taube, des Liebesvogels, auf ihn herabkommt, wie die ruach, auch als Atem Gottes verstanden, ihn durchströmt und er als geliebtes Kind des göttlichen Vaters, den er zärtlich Abba nennt, bestätigt wird. Gleich darauf beginnt in der Wüste sein vierzigtägiges Fasten, eine Zeit der Klärung, in der er vielfachen Versuchungen ausgesetzt ist, die ihn zu weltlicher Macht und Selbstüberhebung verlocken, denen er aber widersteht – eine Erfahrung, die ihn weiter bestärkt.

Voll Geistkraft, die ja ganzheitlich gesehen Lebenskraft bedeutet, verlässt Jesus die Wüste und zwar genau in dem Moment, als König Herodes den Täufer Johannes ins Gefängnis wirft.
Nun beginnt Jesus unterwegs nach Nazaret zu predigen und er erntet viel Lob und Bewunderung. Als er in seinem Heimatort angekommen ist, geht er wie gewohnt am Sabbat in die Synagoge. Er steht auf, um zu lesen, und man reicht ihm das Buch Jesaja. Dort findet er sogleich die Stelle, auf die es ihm ankommt und mit der er sich nun voll und ganz identifiziert. Dort steht geschrieben: Die Geistkraft der Lebendigen ist auf mir, denn sie hat mich gesalbt, den Armen frohe Botschaft zu bringen. Sie hat mich gesandt auszurufen: Freilassung den Gefangenen und den Blinden Augenlicht! Gesandt, um die Unterdrückten zu befreien, auszurufen ein Gnadenjahr der Lebendigen! Als er das Buch schließt und die Blicke der Anwesenden erwartungsvoll auf ihn gerichtet sind, verkündet er: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

Neues ist angebrochen. Kein Warten mehr, kein Zaudern und Zögern. Die Zeit ist reif – für Jesus mit seinem messianischen Auftrag und für alle, die ihn hören und aufgefordert sind mitzumachen. Jetzt ist die Zeit. Die Worte der alten Schrift sind ab sofort nicht mehr nur eine unerreichbare schöne Zukunftsvision. Mit Jesus und denen, die ihm vertrauen, die ihm folgen und aus ihrer neuen Gottesbeziehung mitwirken, werden sie Wirklichkeit, im Hier und Jetzt, für alle Zeiten.

Damit wir aber das Geschehen nicht durch die rosarote Brille sehen, wird im nächsten Abschnitt berichtet, wie aus der begeisterten Zuhörerschaft der ‚Antrittsrede‘ Jesu feindselige Leute werden, als er ihnen kritische Worte sagt. Sie jagen ihn aus der Synagoge, wollen ihn sogar am Ortsrand in einen Abgrund stürzen, was ihnen jedoch nicht gelingt. Jesus kann nichts für sie tun, weil sie ihm misstrauen, weil sie sich auf die Macht Gottes, die in und durch Jesus wirkt, nicht einlassen können. Er wiederum lässt sich nicht aufhalten und zieht weiter. Dein Glaube hat dir geholfen, wird er später immer wieder zu den Kranken und Notleidenden sagen, denen er hilft. Vertrauen in die göttliche Macht und Liebe, die unter den Menschen, in ihnen, durch sie und mit ihnen im Sinne der Worte Jesajas und Jesu wirksam werden will und kann, ist die Grundlage. Je mehr, desto besser. Jesus hat es uns vorgelebt.

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