In jenen
39 Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Und es geschah: Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Autorin:
Gabriele Greiner-Jopp lebt in Wendlingen und war als Gemeindereferentin, Dekanatsreferentin und Beraterin tätig
Die Predigt:
Vertraut dem neuen Leben
Einführung:
Erinnern Sie sich noch, wann Sie zum letzten Mal gehüpft sind? Vermutlich als Kind, vor lauter Lebensfreude. Hüpfende Erwachsene sind oft Fehlanzeige. Leider! Freuen können wir uns an diesem 4. Advent trotzdem, dass Gott uns begegnen will – immer und jetzt in dieser Feier. Rufen wir dafür das Erbarmen Gottes auf uns herab
Predigt
Liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie es gehört – eben im Evangelium? Das Kind in Elisabeths Bauch hüpft vor Freude, als es die Stimme von Maria hört. Ein „bewegender“ Moment im wahrsten Sinn des Wortes. Johannes und Jesus begegnen sich als Kinder im Mutterbauch und es kommt etwas in Bewegung. Zwei „unmögliche“ und gegensätzliche Schwangerschaften von zwei Frauen treffen aufeinander: Eine alte Frau – Elisabeth, die lange auf Kinder gewartet hat und jetzt nicht mehr mit einem Kind rechnen konnte und eine sehr junge Frau – Maria – die überhaupt nicht mit einem Kind gerechnet hat und auch nicht schwanger sein sollte, weil sie unverheiratet ist. Der Evangelist Lukas erzählt uns hier die Kindheitsgeschichten von Johannes dem Täufer und Jesus von Nazareth. Er hat sie parallel aufgebaut. Das Alte verbindet sich mit dem Neuen, das Vergangene mit dem Zukünftigem.
Heute erlebten wir im Evangelium die erste Begegnung dieser zwei Kinder und alle Beteiligten sind davon bewegt. Maria bringt ihre Schwangerschaft in Bewegung. Sie eilt zu ihrer alten, erfahrenen Verwandten, die im Bergland lebt. Was will sie dort? Rat? Hilfe? Stärkung in ihrer schwierigen Situation als unverheiratet Schwangere?
Jesus lässt sich von Maria herumtragen – zuerst zu Elisabeth, später nach Bethlehem. Als Neugeborenes nach Ägypten und heute? Heute als lebendiges Brot in der Eucharistie. Ganz konkret tragen wir zur Zeit Jesus zu Ihnen an den Platz im eucharistischen Brot.
Und Elisabeth? Sie ist sehr hellsichtig. Wie Maria hat sie sich dem Wunder ihrer Schwangerschaft, hat sie sich dem neuen Leben geöffnet. Sie erkennt, dass in ihrer jungen Nichte etwas Großes begonnen hat und zur Welt kommen wird. Vielleicht hatte sie die Verheißung des Propheten Micha im Herzen, die wir in der Lesung gehört haben: Aus dem kleinen – Bethlehem – wird etwas Großes werden, Gott selbst wird zum Hirten für die Menschen und kehrt die Verhältnisse um. Die Menschen werden in Sicherheit und Frieden leben.
Und Johannes, der als Erwachsener die Menschen am Jordan tauft und zur Umkehr ruft? Ihn lässt Lukas heute am deutlichsten in Bewegung kommen: er hüpft vor Freude! Wann, so frage ich mich und Sie, wann gelingt uns ähnliches wie den beiden Frauen? Wann brechen wir auf und öffnen uns für Gottes überraschendes Wirken an uns?
Einfach ist das ja nicht immer; leicht und unbeschwert auch nicht. Das war es weder für Elisabeth und schon gar nicht für Maria. Leicht und unbeschwert oder einfach war Gottes Wirken auch nicht im Leben ihrer beiden Kinder, Johannes und Jesus. Ich denke, Lukas will uns mit dieser Begegnung Mut machen: Geht in Kontakt zu anderen Menschen, macht euch auf den Weg, auch wenn’s „bergig“ bzw. schwierig wird. Vertraut dem neuen Leben, das in euch wachsen will. Für diese Zusage und Ermutigung stehen heute die zwei schwangeren Frauen. Sie sind Zeuginnen für das, was in jeder und jedem von uns möglich ist, wenn wir uns auf Gottes Wirken einlassen.
Dieses Spüren und Vertrauen, was Gott in uns wirken kann, verdichtet der Evangelist Lukas in zwei Liedern. Eines davon singt der Ehemann von Elisabeth, Zacharias, nachdem sein Sohn Johannes geboren ist. Das andere singt Maria, als sie den Gruß von Elisabeth hört. Wir kennen es als Magnificat und es wurde im heutigen Evangelium leider ausgespart.
Weil wir aber nicht unbewegt bleiben können, weil wir einen Ausdruck brauchen – gerne auch einen Freuden Hüpfer machen sollen – wenn wir uns für Gottes Wirken öffnen, lese ich Ihnen zum Schluss das Magnificat in einer neuen Übersetzung vor. Gedichtet, übertragen, hat es der Priester Andreas Knapp:
-
meine Seele preist die größe dessen
der sich ganz klein machen kann
und mein körper bebt vor freude
über meinen so umwerfenden gott
denn für den himmlischen ball
hat er nicht die reichen und schönen
sondern die unscheinbaren und
vergessenen erwählt
den aufgeblasenen aber
lässt er die heiße luft ab
die größenwahnsinnigen
werden des todes fette beute
die niedergetrampelten
wärmt er mit seinem atemhauch
und das knurren der mägen
wandelt sich in wohliges glucksen
wer groß rauskommen will
geht verschrumpelt ein
wer andere klein macht
erniedrigt gott
wer ihn indessen groß sein lässt
darf dankbar staunen über
der anderen und
die eigene größe
AMEN
Aus : Andreas Knapp, Mit Pauke und Salböl, Gedichte zu Frauen der Bibel, Echter Würzburg e 2021