Himmelschreiend – 26. Sonntag im Jahreskreis B

Zweite Lesung aus dem Jakobusbrief, Kapitel 5
1 Ihr Reichen, weint nur und klagt über das Elend, das über euch wird.
2 Euer Reichtum verfault und eure Kleider sind von Motten zerfressen,
3 euer Gold und Silber verrostet. Ihr Rost wird als Zeuge gegen euch auftreten und euer Fleisch fressen wie Feuer. Noch in den letzten Tagen habt ihr Schätze gesammelt.
4 Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum Himmel; die Klagerufe derer, die eure Ernte eingebracht haben, sind zu den Ohren des Herrn Zebaoth gedrungen.
5 Ihr habt auf Erden geschwelgt und geprasst und noch am Schlachttag habt ihr euer Herz gemästet.
6 Verurteilt und umgebracht habt ihr den Gerechten, er aber leistete euch keinen Widerstand.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 9
In jener Zeit
38 sagte Johannes, einer der Zwölf, zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt.
39 Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden.
40 Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
41 Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – amen, ich sage euch: er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.
42 Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.
43 Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer.
45 Und wenn dir dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, lahm in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden.
47 Und wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden,
48 wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.

Autorin:
Dr. Ulrike Altlherr Dr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in Herrenberg

 
Die Predigt:
Himmelschreiend

Liebe Leserin, lieber Leser,
heute ist der Wahlsonntag. Heute entscheiden Wählerinnen und Wähler, wem sie die Regierungsmacht in der Bundesrepublik für die nächsten 4 Jahre anvertrauen wollen. In der Zeit des Wahlkampfs haben sich viele aufgeregt über Zustände in unserem Land, anderen dafür die Schuld gegeben und versprochen selbst alles besser zu machen. Über so manches in unserem Land könnten wir uns so richtig aufregen, einen heiligen Zorn bekommen?
Was wäre das bei Ihnen?

Der Jakobusbrief regt sich über die Reichen auf, die auf Kosten der Armen leben. Mit harten Worten geißelt er ihr Tun. Wie ein Unheilsprophet kündigt er an, dass es mit ihnen ein schreckliches Ende nehmen wird. Sie haben Schätze gesammelt, geschwelgt und geprasst – auf Kosten der Armen, denen sie ihren Lohn vorenthalten haben. Es schreit zum Himmel.

Himmelschreiendes Unrecht gibt es seit dem Brudermord, den Kain an Abel begangen hat. Himmelschreiend, wie Menschen miteinander umgegangen sind. Mit Jesus sollen himmelschreiende Zustände ein Ende haben. Er hat das Reich Gottes angesagt, in dem die Armen zu ihrem Recht kommen. Gott stellt sich definitiv auf ihre Seite. Jesus Christus hat sich mit den Armen solidarisiert und wer zu ihm gehören will, soll ihm das nachmachen. Die Reichen, an die sich der Jakobusbrief wendet, haben es ihm nicht nachgemacht, sondern weiter nur für sich gesorgt. Nichts gelernt von Jesus. Der Brief ist vermutlich um das Jahr 100 n. Chr. entstanden. Es hätte also viel Zeit gegeben für die Reichen, etwas zu ändern, ohne dass viel passierte.

Wer die drastischen Worte hört, dem kann es als Reichem angst und bange werden. Wer arm war, konnte diese Worte mit Genugtuung hören. Endlich ging es einmal anders als sonst immer zu. Sonst hatte man als Armer keine Chance gegen die Vorherrschaft der Reichen. Man konnte sich anstrengen wie man wollte. Wer reich war, hatte immer recht und bekam immer recht. Es war aussichtslos. Endlich war das anders, denn Gott hatte die Klagerufe gehört. „Ja es gibt doch eine Gerechtigkeit“, konnte sich nun ein armer Mensch denken.

Zustände schreien auch heute noch zum Himmel.
Große Konzerne oder Privatleute, die durch Erben oder Spekulation reich geworden sind, haben ein Vielfaches dessen an Geld zur Verfügung, was jemand durch Arbeit verdienen kann. Und wieso ist beispielsweise die Arbeit einer Krankenschwester weniger wert als die eines Mangers. Wer hat mehr Verantwortung? Wer riskiert mehr seine Gesundheit? Besonders Menschen, die wenig verdienen, haben kaum Möglichkeiten an eine bezahlbare Wohnung zu kommen. Weil Wohnungen ein knappes Gut sind, haben Vermieter alle Möglichkeiten. In den letzten Jahren sind manche Gesetze zugunsten der Vermieter verändert worden. Wenn riesige Wohnungskonzerne ihre Marktmacht einsetzen, dann schauen nicht so solvente Mieter in die Röhre.

Statistisch gesehen sterben Arme früher als Reiche.

Im Vergleich zu vielen Menschen in Ländern des Südens sind auch arme Menschen bei uns reich. Wir leben auf Kosten der Menschen in der sogenannten „dritten Welt“. Der vorenthaltene Lohn der Näherin in Bangladesh schreit zum Himmel, die mein billiges T-Shirt genäht hat. Die Ausbeutung der Menschen – oft noch Kinder- , die in den Kobaltminen, Rohstoffe für mein Handy abgebaut haben, schreit zum Himmel. Die Naturkatastrophen, die gehäuft auftreten, weil wir im reichen Westen durch unseren Ressourcenverbrauch zu Klimaerwärmung beitragen, sie schreien zu Himmel. Und wir hier machen vielfach weiter, als ob nichts wäre, glauben, dass wir ein Anrecht auf unsere Bequemlichkeit haben-. Wir verbrauchen Rohstoffe, die in Jahrmillionen entstanden sind und überlassen die daraus folgenden Schäden den nächsten Generationen.

Die Beispiele ließen sich lange fortsetzen.
Es ist 5 vor 12 und es muss etwas passieren. Auch bei uns. So wie es jetzt läuft, ist es nicht im Sinne Gottes. Vielleicht ist die heutige Bundestagswahl auch eine Gelegenheit für die Kandidatinnen und Kandidaten und die Parteien abzustimmen, die sich einsetzen für die Armen. Unsere Aufgabe als Christin, als Christ, ist es für Arme einzutreten in Wort und Tat, wo wir immer Gelegenheit dazu haben. Uns zu fragen: Wo mache ich mit bei der Ausbeutung der Armen? Und zu erkennen, dass „haben“ nicht alles ist. Gerade im Krankenhaus erlebe ich oft, dass Gesundheit letztlich nicht bezahlbar ist…

Heute ist auch Caritassonntag. Dieser kirchliche Sozialverband setzt sich ein für Menschen in Not und will Lobby sein, für die, die zu wenig zum Leben haben. Sein diesjähriges Motto ist. „Wir schaffen das gemeinsam.“ Ja wir können das gemeinsam schaffen. Und wir können das mit anderen zusammen tun, die keine Christen sind.

Im Evangelium haben wir von einem sogenannten fremden Wundertäter gehört, von einem der im Namen Jesu Dämonen austrieb, also Menschen von niederdrückenden, knechtenden, quälenden Mächten befreite. Als die Jünger sich darüber aufregten und ihn daran hindern wollten, sagte Jesus: Hindert ihn nicht. Und:
Wer nicht gegen uns ist, ist für uns.

Also nicht erst fragen: „Gehört der zu uns?“ „Darf die das?“… sondern zusammen das tun, was im Sinne Gottes ist und seiner Solidarität für die Armen. Und heute damit anfangen, dass himmelschreiendes Unrecht, das Reiche Armen antun hinauszuschreien und vor allem es da abzubauen, wo wir es in der Hand haben. Amen.

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