Bedingungslos geliebt und Gottes Erste – 25. Sonntag im Jahreskreis B

Zweite Lesung aus dem Jakobusbrief, Kapitel 3 und 4
Schwestern und Brüder!
3,16 Wo Eifersucht und Streit herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art.
17 Doch die Weisheit von oben ist erstens heilig, sodann friedfertig, freundlich, gehorsam, reich an Erbarmen und guten Früchten, sie ist unparteiisch, sie heuchelt nicht.
18 Die Frucht der Gerechtigkeit wird in Frieden für die gesät, die Frieden schaffen.
4,1 Woher kommen Kriege bei euch, woher Streitigkeiten? Etwa nicht von den Leidenschaften, die in euren Gliedern streiten.
2 Ihr begehrt und erhaltet doch nichts. Ihr mordet und seid eifersüchtig und könnt dennoch nichts erreichen. Ihr streitet und führt Krieg. Ihr erhaltet nichts, weil ihr nicht bittet.
3 Ihr bittet und empfangt doch nichts, weil ihr in böser Absicht bittet, um es in euren Leidenschaften zu verschwenden.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 9
In jener Zeit
zogen Jesus und seine Jünger – und Jüngerinnen – durch Galiläa. Jesus wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr;
31 denn er belehrte seine Jünger – und Jüngerinnen – und sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird in die Hände von Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.
32 Aber sie verstanden das Wort nicht, fürchteten sich jedoch, ihn zu fragen.
33 Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?
34 Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei.
35 Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.
36 Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen:
37 Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.

Autorin:
Foto-SueSusanne Grimbacher, Pastoralreferentin in der Diözese Rottenburg-Stuttgart

 
Die Predigt:
Bedingungslos geliebt und Gottes Erste

Liebe Leserin, lieber Leser,
ich denke nicht, dass die Jünger Angeber waren. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die unterwegs waren und auf einmal sagt Johannes: „Ich bin übrigens viel cooler als ihr. Jesus liebt mich nämlich mehr als euch.“
Und dann sagt Andreas: „Nein, nein, ich bin viel besser als ihr, denn ich sorge schließlich dafür, dass wir alle was zu essen haben.“
Dann Judas: „Aber meinen Eifer für seine Sache übertrifft niemand von euch.“
Nun schaltet sich Petrus ein und ruft: „Nein, ich bin der Beste! Auf mich, den Felsen, will Jesus seine Kirche bauen.“
Und am Ende sind alle munter am Diskutieren.

Aber ich kann mir das nicht vorstellen. Als ob Jesus solche Angeber in seine Nachfolge ruft? Haben Sie schon mal Kinder beobachtet, die zusammen malen? Ich erinnere mich lebhaft an den Kunstunterricht. Da lief das so ab: „Deins ist viel besser als meins!“ – „Nein, deins ist viel besser!“ – „Aber deine Blumen haben viel schönere Farben.“ – „Aber dein Pferd sieht viel realistischer aus.“ Und so weiter.

Oder ein anderes Beispiel: Wer von Ihnen hat schon mal eine Familienfeier betreten und gesagt: „Schaut mal alle her, ich habe das schönste Outfit hier. Ihr alle seht viel schlechter aus!“
Ich hoffe niemand.
Ich denke eher, dass Sie auf Familientreffen gehen und zum Cousin sagen: „Oh, schöner Anzug, der sitzt aber gut!“ Oder zur Tante: „Schöne Ohrringe!“ Und zur Nichte: „Deine Frisur ist der Hammer!“

Sie merken, worauf ich hinauswill? Im Evangelium heißt es nur: Sie hatten auf dem Weg miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei.
Es könnte also auch sein, dass Johannes anfing und sagte: „Hey, Andreas, du bist echt der Beste von uns, ohne dich wären wir gestern hungrig ins Bett.“
Und Andreas sagt: „Danke, Bruder, aber so liebevoll und wertschätzend du mit uns allen und mit Jesus umgehst, ich glaub, dafür bist du der Erste von uns Jüngern.“
Und Judas sagt: „Aber Petrus macht seine Sache echt auch richtig gut.“
Und Petrus sagt: „Ja, aber von deinem Eifer lasse ich mich immer inspirieren.“

Vielleicht waren sie aber auch Angeber, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich beim Nachdenken über diese Stelle zum ersten Mal festgestellt habe, dass es an keiner Stelle heißt, dass jeder selbst der Erste und Beste sein wollte. Und selbst, wenn es so war. Ich kann’s verstehen. Ich würde auch alles tun, um Jesus zu beeindrucken. Wäre ich nur eine langweilige, faule Mitläuferin, hätte ich Angst, dass Jesus mich tadelt oder noch schlimmer rausschmeißt. Ich meine: Wir reden hier von Jesus. Dem Sohn Gottes selbst. Eine super charismatische Persönlichkeit. JEDER will Jesus gefallen. Jeder will der Erste sein. Das ginge mir nicht anders.

Was wir alle gelernt haben, das haben Menschen vermutlich schon vor tausenden von Jahren gelernt: Anerkennung muss man sich verdienen. Wenn ich im Büro nur schlafe und meine Aufgaben nicht oder nur schlampig erledigte und die Firma in Misskredit bringe, begrüßt mich der Chef nicht um meiner selbst willen mit: „Guten Morgen und schön, dass Sie da sind.“

Wenn ich im Sport die Erste bin, bekomme ich einen Pokal. Wenn ich in der Schule die Beste bin, bekomme ich einen Preis und daheim noch viel Lob. Das Prinzip, dass auf gute Leistung Belohnung folgt und dass es sich lohnt, die Beste und Erste zu sein, das herrscht seit tausenden Jahren vor. Es gilt schon immer: höher, schneller, weiter, effizienter, besser. Und das ist nicht nur schlecht: Das bringt Hochkulturen hervor und entwickelt die Menschheit weiter. Und dass das in unsere Erziehung einfließt, ist völlig selbstverständlich.

Wir dürfen nur eins niemals vergessen: Es ist schön, wenn ein einjähriges Kind schon die zwei wichtigsten Wörter sagen kann: „Mama“ und „Nein“. Aber wenn nicht, dann ist das auch okay. Bei so kleinen Kindern wird es ganz deutlich: Sie bekommen unsere bedingungslose Zuneigung, einfach, weil sie existieren.

Vielleicht ist es das, was Jesus uns zeigen will: Ein Kind, ein hilfloses, wehrloses Kind, das nichts leistet und noch nichts kann, ist das Erste im Leben der Eltern. Ohne Bedingung. Ich denke, da stecken mehrere Botschaften drin:
Zum einen die, all das in dieser Welt, das wehrlos und hilflos ist, an erste Stelle zu setzen.
Zum anderen die, in jedem Menschen das Kind zu sehen, das er mal war und ihm mit liebevoller Zuneigung zu begegnen.
Und zum dritten auch die, dass wir uns von Gott genau so angeschaut fühlen dürfen: Bedingungslos geliebt und seine „Ersten“, ohne, dass wir etwas dafür leisten müssten. Alles, was wir tun, tun wir gestärkt von dieser Liebe. Und nicht, weil wir uns sie verdienen müssten. Die Logik ist genau andersrum.

Ich denke, dass in der Haltung dieser Liebe: nämlich geliebt zu sein und daraus andere zu lieben, andere als Erste zu behandeln, vor allem die, die es bei anderen nicht sind – ich denke, dass in dieser Haltung die Weisheit wachsen kann, von der im Jakobusbrief die Rede ist: die Weisheit, die heilig, friedfertig, freundlich, reich an Erbarmen und gerecht ist.

Was ich für mich in die kommende Woche mitnehme, sind zwei Dinge. Zum einen möchte ich mein eigenes Leistungsdenken überdenken. Zum anderen möchte ich versuchen, alle Menschen, gleich welchen Alters, so anzuschauen, als wären sie unschuldige Einjährige.

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