„… ohne sich um Gerechtigkeit zu sorgen“ – Zum Festtag der heiligen Hildegard am 17. September

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 8
In jener Zeit
1 wanderte Jesus von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn,
2 außerdem einige Frauen, die er von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt hatte: Maria Magdalene, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren,
3 Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie alle unterstützten Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen.

Autorin:
csm_Gabriele_Kraatz_2015-05-13_EBO-MA_137n_fb567737d8Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin in Heidenheim

 
Die Predigt:
„… ohne sich um Gerechtigkeit zu sorgen“

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Die Lehrer und die Prälaten schlafen, ohne sich um die Gerechtigkeit zu sorgen.“
Heute gedenkt die Kirche der Hildegard von Bingen.
Wenn ich im Internet nach ihr suche, finde ich in erster Linie Rezepte und Tipps fürs Wohlsein. Merkwürdig oder? Viele Menschen – auch Nichtchristen und- christinnen – kennen sie, aber es bleibt eben an der Oberfläche. Vielleicht auch so ein Zeichen unserer Zeit. Wenn ich tiefer nachforsche, wird sie als große Predigerin vorgestellt, die trotz ihrer harten Worte von nicht allzu wenigen Priestern, Fürsten und Bischöfen zum Predigen eingeladen wurde. Und da sind wir bei einem der heißen Themen unserer „Kirchenzeit“: die predigende Frau. Da fällt mir auch gleich die Frage ein: Predigte sie auch während einer Eucharistiefeier? Und ich füge dazu: So weit ist es nun schon gekommen, dass mir das als Erstes einfällt.

Charisma und Amt, beides gemeinsam ist relativ selten. Charisma ohne Amt scheint machtlos, Amt ohne Charisma leer. Wollen wir z.B. ein Priesteramt, dass so gestrickt ist, wie wir es heute erleben? Oder anders gefragt: Welches Priesteramt meinen wir, wenn wir für das Amt streiten? Oder ist es vielleicht richtig und gut, wenn es „nur“ die Möglichkeit der Predigt auch in der Eucharistie gäbe.

Hildegard hat sich mutig auf den Marktplatz der Welt gestellt und ihre Botschaft von Gott, auf dem Hintergrund ihrer Visionen, offen und sehr laut ausgesprochen. Wenn ich heute für mehr Rechte für Frauen in der Kirche eintrete, möchte ich das bewahren, diese frei mutige unabhängige Rede von und über Gott…, aber wenn schon Amt, dann möchte ich ein anderes Priesteramt. Ich möchte eines, das nicht den Wein für sich behält und der „Braut Gemeinde“ trocken Brot reicht. Hier wird deutlich, wie sehr sich das Priesteramt von Jesus Christus entfernt hat – und wie viele das dennoch unwidersprochen mitmachen. Der „Dienst an der Einheit“ wird zur Manifestation einer Teilung, Symbol dafür ist die Feier der Eucharistie. Wie merkwürdig.

Die Predigt im Gottesdienst ist die Auslegung des Wortes Gottes durch unsere menschlichen Erfahrungen in unseren Alltag hinein. Hier braucht es keine Engführung durch Lebensstand und Geschlecht. Hier ist es auch liturgisch sogar falsch. Hildegard hat es uns vorgemacht. Das Wort zu ergreifen, war immer schon, durch die Geschichte aller Kulturen hindurch, ein großer Schritt zur Sichtbarwerdung von Frauen. Das „Wort Gottes“ zu ergreifen und auszulegen am „Hauptort“ unserer Liturgie, wäre ein Meilenstein. Ob es danach diese Form des Amtes für uns noch braucht? Wir werden sehen.

Hildegard ist nicht heiliggesprochen. Es wäre eine Verbeugung vor einer großen, deutlich werdenden Predigerin. Es wäre gerecht.

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Anmerkung der Redaktion: Hildegard wurde zwar nie „heilig gesprochen“, aber offiziell 2012 in das Martyrologium Romanum, das amtliche Verzeichnis der Heiligen, aufgenommen und zur Kirchenlehrerin erklärt.

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