Ein Osterfest mitten im Sommer – Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel

Zweite Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 15
Schwestern und Brüder!
20 Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.
21 Da nämlich durch e i n e n Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch e i n e n Menschen auch die Auferstehung der Toten.
22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.
23 Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.
24 Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft entmachtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt.
25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.
26 Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.
27 Denn: Alles hat er seinen Füßen unterworfen.

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1
In jenen
39 Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Und es geschah: Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
46 Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, /
47 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
48 Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. /
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
49 Denn der Mächtige hat Großes an mir getan /
und sein Name ist heilig.
50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht /
über alle, die ihn fürchten.
51 Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: /
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
52 er stürzt die Mächtigen vom Thron /
und erhöht die Niedrigen.
53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben /
und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an /
und denkt an sein Erbarmen,
55 das er unsern Vätern verheißen hat, /
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
56 Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.

Autorin:
csm_20200702_Margret_Schaefer-Krebs_51271f80a6Margret Schäfer-Krebs, Pastoralreferentin für Ökumene im Bischöflichen Ordinariat Rottenburg-Stuttgart und Referentin für die bischöfliche Liturgie

 
Die Predigt:
Ein Osterfest mitten im Sommer

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Ich habe alles geregelt; meine Kinder wissen, wie ich beerdigt werden möchte, welche Lieder bei der Beerdigung gesungen und welcher Bibeltext vorgetragen werden soll. Die Todesanzeige ist auch schon verfasst und die Grabpflege vertraglich abgesichert.“ So oder ähnlich kann man gelegentlich von Menschen hören, die bewusst und vorsorglich mit ihrem Lebensende umgehen und meist schwingt dabei auch eine große Erleichterung mit, die sich später als Entlastung für die Angehörigen ausbezahlt. Das Leben ist tod-sicher, gut wenn man das nicht vergisst oder hartnäckig verdrängt. Ist aber mit einer noch so guten und begrüßenswerten Regelung der letzten Dinge alles gesagt und erledigt?

Wie ist das mit dem Sterben? Ist damit alles aus? Gibt es eine Ewigkeit und ein anderes Leben für uns dort? Die letzten Dinge bergen auch letzte Fragen und die kann auch das renommierteste Bestattungsinstitut nicht beantworten. Selbst Theologen können damit überfordert sein. So wird von einem Theologieprofessor erzählt, der in vorgerücktem Alter wissen wollte, was auf ihn zukomme, wenn er in absehbarer Zeit sich auf jenen Weg machen muss, von dem es keine Rückkehr gibt. Er besorgte sich eine Menge Bücher und Abhandlungen. Nach einiger Zeit des Forschens und Lesens erklärte er verzweifelt, dass man darüber Nichts weiß. Unwissend und blind werde er den letzten Schritt tun müssen.

Der große Schriftsteller Francois Mauriac (1885-1971) wurde ein Jahr vor seinem Tod in einem Interview gefragt, wie er sich die himmlische Existenz vorstelle. Darauf sagte er, er könne sich überhaupt nichts Jenseitiges vorstellen; er müsse es dem Herrgott überlassen, wie er die Seinen überraschen wolle.

Die Aufnahme Mariens in den Himmel ist so eine Überraschung, die uns aber genauso wie das Osterfest an eine Grenze bringt. Eine Grenze, die nicht mit Wissen sondern nur mit Glauben überschritten werden kann. Weil unsere Sinne nur das Diesseitige erfassen, übersteigt das Jenseitige unsere diesseitigen Vorstellungen unendlich. Am Anfang seines ersten Briefes an die Korinther schreibt Paulus davon: Was keine Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben (vgl 1Kor 2,9).

Was dem Glauben offen steht muss aber nicht unserer diesseitigen Verfasstheit widersprechen. Die Psychoanalyse spricht davon, dass in unserem Wesen ein Sehnen nach Unsterblichkeit verwurzelt ist. Wollten wir dieses Sehnen nach Unsterblichkeit als Selbsttäuschung ablehnen, so würde eine solche Entscheidung unser Unbewusstes nicht überzeugen. In einer Erzählung von Martin Buber wird von einem Mann berichtet, der einen Zaddik, also einen besonders frommen Juden, aufsuchte, um mit ihm zu diskutieren und letztlich mit der Rückständigkeit seines Glaubens an eine ewige Heimat zu konfrontieren. Nach einiger Zeit wandte sich der Rabbi seinem Besucher zu und sagte ganz gelassen, dass er ihm Gott und sein Reich nicht auf den Tisch legen kann, genauso wenig wie die Gelehrten, die er vor ihm aufgesucht hat, aber, so fährt der Rabbi fort: „Aber, mein Sohn, bedenke, vielleicht ist es wahr.“ Dieses „Vielleicht“ ist entwaffnend, und eine Hilfe, offen, fragend und suchend zu bleiben; die letzten Fragen sind eben nicht abschließend zu behandeln.

Dass auch für Christen der Glaube an die Auferstehung der Toten nicht automatisch und selbstverständlich ist, zeigt sich im 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes, aus dem die zweite Lesung des heutigen Festes genommen ist. Was Paulus zur Auferstehung und zu einem Leben nach dem Tod sagt, ist an eine Gruppe von Christen in Korinth gerichtet, die die Auferstehung grundsätzlich bestritten. Die in Korinth angesprochenen Zweifel zwingen Paulus zu einer Klärung seiner eigenen Position.

Zweifel dürfen also sein und Paulus geht darauf ein. Der Zweifel der Gruppe aus Korinth setzt Paulus seine unerschütterliche Glaubensgewissheit entgegen: Wäre Christus nicht auferweckt worden, wäre alle Hoffnung dahin. Und nicht nur die Hoffnung, es gäbe gar keine christliche Gemeinde. An was oder wen sollten wir denn glauben, wenn das Kreuz der Schlusspunkt wäre? Kirche und Gemeinde gibt es nur, weil Jesus lebt und durch seinen Geist lebendig da ist – bis heute. Wer nicht an die Auferstehung Jesu glauben kann, braucht, auch wenn es ihm nicht bewusst ist, den Glauben der anderen, sonst gäbe es Gemeinde nicht. Und dieser Glaube an den auferstandenen Herrn ist untrennbar verbunden mit dem Glauben an die eigene Auferstehung. Biblisches Denken, erzählen und glauben geht dabei von Zusammengehörigkeiten aus: die Stammeltern prägen das Geschick der ihnen folgenden Generationen: Adam war der erste begrenzte sterbliche Mensch, also sterben alle Menschen. Christus ist auferstanden, also werden in ihm alle lebendig gemacht. Paulus spricht hier an der äußersten Grenze dessen, was wir Menschen von hier aus sagen können. Was unser Unbewusstes ersehnt, bekommt im Glauben an den auferstandenen Herrn eine Antwort, mit der sich hoffend leben und hoffend sterben lässt.

Dieser Durchblick wurde Paulus vor Damaskus von Christus geschenkt, aus einem Christenverfolger wurde so ein Christuszeuge. Der „Beweis“ für die Wahrheit der Auferstehung war keine Theorie, sondern seine Existenz. Für diese Botschaft hat er gelebt und unter unsäglichen Strapazen die halbe Welt bereist. Auf europäischem Boden fand er dabei bei einer Frau namens Lydia zuerst Gehör und Glauben.

Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht. Das glaube ich nicht nur für mich, sondern für alle die uns vorausgegangen sind im Glauben an den auferstandenen Jesus. Allen voran Maria, die Mutter Jesu. Was Papst Pius XII. am 1. November 1950 als Glaubenssatz verkündet hat, gehört seit der Frühzeit zum Glaubensinhalt. In Christus haben wir Leben über den Tod hinaus, das beste Beispiel ist Maria, deshalb feiern wir heute ein Osterfest mitten im Sommer. Die Auferstehung ist keine graue Theorie, sondern wirklich und wahr im Glauben, der das Leben hell, bunt und hoffnungsfroh macht. –
Das hat Christus für uns wie für seine Mutter geregelt.

Den kleinen Rest mit den sterblichen Überresten können wir getrost und wenn‘s geht auch bei Zeiten hier regeln.

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Eine Antwort auf Ein Osterfest mitten im Sommer – Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel

  1. Gabriele sagt:

    Liebe Margret,
    besten Dank – eine Osterpredigt mitten im Sommer tut gut!

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