Ohne den kleinen Jungen geht es nicht – 17. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 6
In jener Zeit
1 ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt.
2 Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
3 Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder.
4 Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe.
5 Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?
6 Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte.
7 Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll.
8 Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm:
9 Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele!
10 Jesus sagte: Lasst die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer.
11 Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen.
12 Als die Menge satt geworden war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts verdirbt.
13 Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Brocken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren.
14 Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.
15 Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.

Autorin:
IMG_9831[1]Marita Rings-Kleer, Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft Altenkessel-Klarenthal, Diözese Trier

 
Die Predigt:
Ohne den kleinen Jungen geht es nicht

Liebe Leserin, lieber Leser,
er war ein Superstar – dieser Jesus. Zieht über Land, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Mit seinem Gefolge, mit Männern um Petrus und Andreas, mit Frauen um Maria aus Magdala. Und wo sie hinkommen, werden sie umringt und belagert. Denn Jesus predigt und vor allem: er heilt Kranke. Sein Ruf eilt ihm voraus, verbreitet sich, auch ohne soziale Medien schnell und weit.

Und dann kommt er auch an den See von Tiberias, in Galiläa, so erzählt der Evangelist Johannes. Und eine für damalige Verhältnisse riesige Menschenmenge folgt ihm: 5000 Männer und noch mal so viele Frauen und Kinder. Eine Zahl, die eines Superstars auch heute würdig wäre.

Jesus hat zu ihnen geredet, er hat von seinem himmlischen Vater gesprochen und von sich, seinem Sohn, dem Gottessohn. In seiner Rede hadert er mit den Menschen, denn sie wollen ihn nicht als solchen, als Gottes Sohn anerkennen. Seinen Wundern aber glauben sie. Wie er die Kranken heilt, das beeindruckt sie und sie wollen alle dabei sein. So ist das eben mit den Menschen: Wenn sie für sich einen Vorteil sehen, kommen sie gelaufen, aber Jesus als Gottessohn die Ehre zu geben, dass dann doch nur zögerlich oder gar nicht.

Ich stelle mir vor, dass Jesus müde ist, von den Diskussionen und Rechtfertigungen. Er ist müde, immer und immer wieder seine besondere Beziehung zu Gott zu erklären. Und die vielen Menschen beeindrucken ihn schon gar nicht. Schon der Teufel hatte ihn damals in der Wüste vergeblich mit dem Ansehen in der Welt verführen wollen. Jesus ist müde und geht an das andere Ufer, er distanziert sich von diesen Menschen.
Doch dann blickt er auf und sieht sie, all die vielen, wie sie dastehen und sitzen und Hunger haben. Aber weder er noch die Jünger haben genug Mittel und Möglichkeiten, den Hungrigen Brot zu geben.

Aber wie das so ist: Ein Problem taucht auf und es wird eine Lösung gesucht, die Jünger versuchen irgendwie zu handeln. Dann ist es Andreas, der eine Lösung hat, oder wenigstens einen Hoffnungsschimmer: Er bringt einen „kleinen Problemlöser“ mit zu Jesus, ein Jungen, mit zwölf Gerstenbroten und zwei Fischen. Nicht viel und schon gar nicht genug. Doch für Jesus reicht es! Er spricht das Dankgebet und dann teilen sie aus. Und siehe da: Es reicht für alle und es bleibt sogar noch übrig.

„Die wunderbare Brotvermehrung“, wie wir diesen Text aus dem Johannesevangelium gern überschreiben, wird meist als Beispiel dafür erzählt, wie groß Jesu Kraft war und wie groß dann auch die Wunder waren, die er wirken konnte. Der kleine Junge wird dabei gern übersehen. Dabei ginge ohne den „Kleinen“ gar nichts. Ohne ihn und die wenigen Brote, hätte Jesus die Brote auch nicht „vermehren“ können. Ohne den Kleinen geht es nicht. Er gibt alles, was er hat und hat dabei ganz sicher ängstlich daran gedacht, was passiert, wenn er ohne die Brote nachhause kommt. Der Kleine ist es, der ganz unverhofft zur Schlüsselfigur wird, zur wichtigsten Person am Platz, nicht die Jüngerinnen und Jünger. Jesus, der Superstar, braucht ihn, den völlig unbekannten, unscheinbaren kleinen Jungen. Damals und heute!

Im Bistum Trier wurde vor etlichen Jahren ein synodaler Prozess angestoßen. Eines der vier Leitmotive in diesem Prozess war das Wort „Charismen entdecken“. Der Grundgedanke war der, den schon Paulus im 1. Korintherbrief ausbreitet. Es gibt viele verschiedene Gaben oder auch: jeder hat eine Gabe, hat Gaben. Diese sind ganz unterschiedlich und jede wird gebraucht, egal wie groß sie ist. Alles hat seinen Platz im Wirken Gottes in dieser Welt und die Gaben, die Charismen sind nicht bewertbar. Keine ist wichtiger, besser, schöner, jede ist wichtig.

Es geht auch nicht darum, Dank der Gaben des Heiligen Geistes, eine Hierarchie zu begründen, sondern es geht darum, dass viele ihre Talente, Fähigkeiten und Möglichkeiten einbringen, zum Wohl der Gemeinschaft und zum Lobe Gottes. Keine Gabe ist zu gering, kein Schräubchen zu klein, alle sind wichtig, so wie der kleine Junge mit den Gerstenbroten und den Fischen. Ohne ihn, den Übersehbaren, hätte es kein Wunder gegeben, kein Zeugnis von Jesu Gottesmacht, keine Zustimmung und Anerkennung durch all die vielen Menschen.

Heute mangelt es unserer christlichen Gemeinschaft an eben diesen kleinen Menschen mit den Gerstenbroten. Immer noch wird die Pastoral an den „höheren Weihen“ festgemacht, immer noch richtet sich die Verbreitung des Evangeliums und die Entwicklung der Gemeinschaften an den Priester-Zahlen aus, immer noch kommt es zu wenig auf das an, was jeder beisteuern kann, damit das Wunder geschieht und alle satt werden.

Aber das wäre es: Mich und dich in die Mitte stellen mit dem, was wir mitbringen an mentalen, geistigen, kreativen, materiellen und auch finanziellen Gaben. Dann diese Gaben im Gebet Gott hinhalten und sie austeilen. So hat Jesus es gewollt und gemacht. So haben es die ersten Gemeinden getan, Paulus hat sie ja dazu ermutigt, so sollte es auch heute sein. Und nicht den Kleinen wegschicken mit den Worten: Was ist das schon?

Doch vielleicht geschieht ja auch heute ein Wunder und die Perspektiven ändern sich. Perspektiv-Wechsel war übrigens auch ein Leitwort aus dem synodalen Prozess im Bistum Trier. Wir sollten nicht ängstlich sein, wie der kleine Junge, sondern der Welt mutig unsere Gaben hinhalten und sie dann durch den Heiligen Geist Jesu wirken lassen, damit alle satt werden.

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