Das ewige, göttliche Sein wecken – 12. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 4
Übersetzung von Fridolin Stier
35 Und er (Jesus) sagt zu ihnen (den Jüngerinnen und Jüngern) an jenem Tag, als es Abend geworden: Fahren wir zur Jenseite!
36 Und sie lassen die Leute stehen und nehmen ihn, wie er gerade war, im Boot mit; auch andere Boote waren mit ihm.
37 Und ein gewaltiger Wirbelwind kommt auf und die Wogen schlugen ins Boot, dass schon das Boot sich füllte.
38 Er aber war im Heck und schlief auf dem Kopfkissen. Und sie wecken ihn und sagen zu ihm: Lehrer, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?
39 Und auf richtet er sich, herrschte den Wind an uns sprach zum See: Schweig, verstumme! Und der Wind erlahmte – und es ward große Stille.
40 Und zu ihnen sprach er: Wie feig ihr seid! Immer noch habt ihr keinen Glauben! Und Furcht überkam sie, große Furcht. Und sie sagten zueinander: Wer ist doch dieser, dass auch der Wind und der See ihm gehorchen?

Autorin:
Greiner-Jopp Gabriele 2017Gabriele Greiner-Jopp lebt in Wendlingen, war als Dekanatsreferentin, Gemeindereferentin und Beraterin tätig

 
Die Predigt:
Das ewige, göttliche Sein wecken

Liebe Leserin, lieber Leser,
stürmische Zeiten – wer kennt diese nicht? In der Natur als Gewitter- , Schnee-, oder eben See-Stürme; in Kirche – zurzeit daueraktuell – und Politik gibt es sie, ebenso wie im Beruf, in der Familie und – das darf derzeit nicht fehlen – in Zeiten einer Pandemie. Vieles, wenn nicht alles, wird durcheinandergewirbelt. Sicherheiten gehen verloren, die Zukunft ist plötzlich ungewiss, dass in solchen Situationen Angst aufkommt, ist nur allzu verständlich.

Und doch: im Evangelium konfrontiert Jesus die erfahrenen, sturmerprobten Fischer mit ihrer Feigheit (F. Stier), nennt sie furchtsam (F. Weinreb) oder kleingläubig (Regensburger NT), je nach Übersetzung. Ist es dagegen nicht viel unverständlicher, dass Jesus in einer solchen Situation schläft? Verstehen wir nicht die Jünger viel besser, die Jesus fragen, ob es ihm egal ist, dass sie in Todesgefahr sind? Fragen wir uns selbst nicht ebenfalls in stürmischen, gefährlich bedrohlichen Zeiten, ob es Gott gleichgültig ist, dass unser Leben, unsere Welt, die Kirche, Gesellschaft – je nachdem – aus den Fugen gerät?

Ich jedenfalls kann die Angst der Fischer im Boot besser verstehen als den schlafenden Jeus, der ziemlich unglaubwürdig wirkt, es sei denn er ist ein Prototyp, ein Bild für Situationen in unserem Leben, in denen wir mit unserer Routine, unserer Erfahrung, dem üblichen „weiter so“, eben nicht mehr weiterkommen. Ein erster Hinweis dafür ist die Ortsangabe: Sie fahren zur Jenseite des Sees. Vom Diesseits zum Jenseits also. Ein Perspektivenwechsel ist angesagt, eine andere Qualität kommt ins Spiel.

Jesus zu wecken, darauf kommt es jetzt im Sturm an. Und mit Jesus wecken die Jünger, das göttliche Sein. Sie wecken eine andere, ewige Qualität in ihrem Leben, der die Stürme und Bedrohungen von außen nichts anhaben können. Dieses göttliche, ewige Sein handelt – wenn es geweckt wir – rettend! Zu ihrer Zeit zeigt sich diese Qualität in der Person Jesu Christi, der die Rettung sogar in seinem Namen trägt: Jehoschua = Gott rettet. Heute, in unserer Zeit, macht es für mich nur Sinn, von diesem Wunder zu erzählen, bzw. es weiterhin zu verkünden, wenn wir darauf vertrauen, dass Jesus Christus in uns lebendig sein wird. Anders ausgedrückt: Dass Gott in uns lebt und uns in jeder Situation beistehen will und wird – sofern wir – das ist entscheidend, dieses ewige, göttliche Sein wecken.

Dann kehrt Ruhe ein. Eine große Stille übersetzt das F. Stier. In dieser großen Stille, erst wenn Ruhe eingekehrt ist, geht es um die Frage, worauf wir in unserem Leben setzen, woran wir wirklich glauben und was für uns zählt. Nikolaus Cybinski hat diesen Augenblick sehr passend so zusammengefasst: „Die Ruhe nach dem Sturm, wer da feine Ohren hat, kann manchmal Gottes Stimme hören.“

Der Evangelist Markus beantwortet uns die Frage nicht, wie das gelingt. Das muss jede und jeder von uns selbst tun, immer wieder neu. Auch die Jünger im Boot bleiben mit Fragen zurück. Wenn Gott in unser Leben eingreift, in unser Durcheinander und in unsere Angst, kommt eine neue Qualität ins Spiel. Die kann auch Furcht auslösen, in der Bibel ist Furcht ein anderer Ausdruck für Erschrecken über diese andere Qualität unseres Da-Seins – aber Angst oder gar Feigheit ist es nicht.

Für uns bleibt die Frage: Ist unsere Gesellschaft, unsere Kirche, sind wir persönlich, in den Stürmen unseres Lebens feige und ängstlich oder bringen wir die Kraft auf, uns an Gott zu wenden, die Christusqualität in uns zu wecken? Bringen wir Mut auf, in der Ruhe nach dem Sturm Gottes Stimme zu lauschen? Im Getöse dieser Zeit wäre das eine wunder-bare Qualität.

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