Wer Jesus folgt, bekommt seine ganze Zuwendung – 2. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 1
In jener Zeit stand Johannes am Jordan, wo er taufte,
35 und zwei seiner Jünger standen bei ihm.
36 Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!
37 Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.
38 Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, sagte er zu ihnen: Was sucht ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du?
39 Er sagte zu ihnen: Kommt und seht! Da kamen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde.
40 Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer der beiden, die das Wort des Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren.
41 Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden – das heißt übersetzt: Christus – der Gesalbte.
42 Er führte ihn zu Jesus. Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen. Das bedeutet: Petrus, Fels.

Autorin:
Greiner-Jopp Gabriele 2017Gabriele Greiner-Jopp lebt in Wendlingen, war als Dekanatsreferentin, Gemeindereferentin und Beraterin tätig

 
Die Predigt:
Wer Jesus folgt, bekommt seine ganze Zuwendung

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Do kannsch seha wo de bleibsch“ (da kannst Du ja sehen, wo du bleibst)! Wenn wir diese Worte hören oder selbst zu jemand sagen ist das als Drohung gemeint – meistens steht es am Ende einer Auseinandersetzung; ganz sicher ist es nicht einladend gemeint. Eine Begegnung wird so beendet, nicht begonnen.

Ganz anders klingt es im Evangelium. Zwei Jünger von Johannes dem Täufer fragen Jesus: Rabbi wo wohnst Du? Wörtlicher übersetzt heißt es: Rabbi wo ist Deine Bleibe? Jemand zu fragen, wo er wohnt bzw. zu Hause ist, wo er seine Bleibe hat, bedeutet interessiert zu sein an diesem Menschen. Wenn ich so frage will ich diesen Menschen kennenlernen. Im Gegensatz zur Drohung, die eine Beziehung oft beendet, ist eine offene und interessierte Frage die Einladung zu einer Begegnung, einem Kennenlernen.

Und wie reagiert Jesus auf diese Frage? Er lädt sie ein, mit ihm zu kommen und zu sehen. Auf ehrliches Interesse folgt eine ehrliche Einladung. Wohin sie gehen, was dort geschieht wird nicht erzählt, nur dass sie bleiben den Rest dieses Tages. Und erzählt werden die Folgen dieses Kennenlernens. Andreas erkennt, spürt und benennt, dass er in Jesus den Gesalbten, den Messias, gefunden hat. Auf diesen haben in Israel zu jener Zeit viele Menschen lange gewartet. Die Hoffnungen der beiden sind jetzt erfüllt. Der Evangelist Johannes erzählt in wenigen Sätzen, was gar nicht selbstverständlich ist. Woher wissen wir, dass ein bestimmter Mensch der ist, der unser Leben zum Guten verändert? Woher wissen wir, dass ein Messias kein falscher ist? Woran erkennen wir, dass ein bestimmter Mensch es ernst mit uns meint, ehrlich ist? Jesus braucht drei Worte für seine Einladung “Kommt und seht“ und Zeit, die er sich nimmt für die zwei.

Wenn wir uns bei einem Menschen zu Hause fühlen, sagen wir damit: Bei Dir bin ich geborgen, bei Dir bin ich sicher. Bei Dir fühle ich mich verstanden. Woran Andreas und sein Begleiter das erkannt/gespürt haben, darüber sagt Johannes nichts und vermutlich würden wir das auch nur schwer in Worte fassen können, aber spüren in unserem Inneren können wir es – meistens – wenn wir jemand begegnen, bei dem wir bleiben wollen.
Mit einer knappen Zeitangabe um die zehnte Stunde macht Johannes klar, worum es in dieser Begegnung geht: Ich denke, dass Johannes uns nicht sagen wollte: Es war 16.00h. Vielmehr steht die Zahl zehn steht für das abgerundete Ganze. Denken wir an die zehn Gebote, daran, dass es in der Schöpfungsgeschichte zehnmal heißt und Gott sprach, die Welt also mit zehn Worten erschaffen wurde. In der Mathematik ergibt die Summe (Vielheit) der ersten vier Zahlen die Zehn (Einheit). Überdies ist mit dem Dezimalsystem leicht zu rechnen. Auch da rundet sich etwas. Nicht zuletzt hat der erste Buchstabe des Namens Jesus „Iota“ den Zahlenwert zehn. Bei der Begegnung Jesu mit seine ersten Jüngern rundet sich etwas, es entsteht eine neue Einheit, eine neue Schöpfung wird sichtbar. Gottes Gebote werden wirklich erfüllt. All das schwingt also mit, wenn wir hören: es war um die zehnte Stunde.

Nicht nur die Jünger erkennen, wer ihnen in Jesus begegnet, auch Jesus erkennt in den Jüngern wer sie sind und was in ihnen steckt. In Simon, der Name bedeutet „das Hören“, steckt auch der Fels = Petrus. Auch wenn es lange nicht danach aussieht, im Laufe seines Jünger-Seins wird sich Simon Petrus zu dem entwickeln, was Jesus schon zu Beginn in ihm sieht. Auch darin wird sich Jesus als Meister erweisen: zu erkennen, was in einem Menschen steckt; welche Sehnsüchte und Wünsche, welche Fähigkeiten – auch wenn diese verschüttet sind – und was an Ängsten und Verletzungen. Er kann es sehen, wecken und heilen. Darin zeigt er sich, mit Gottes Geist getauft, als Gesalbter. Und es wird verständlich, weshalb Menschen bei ihm bleiben wollen, ihm folgen.

Damit diese Begegnungen möglich werden geschehen gleich zu Beginn zwei Dinge: Andreas und der andere Jünger hören was Johannes der Täufer sagt, sie ge-horchen ihrer inneren Sehn-Sucht, ihrer Suche nach Heil. Jesus wendet sich um – er wendet sich ihnen ganz zu. Kein Blick über die Schulter, keine halbe Drehung. Wer ihm folgt, bekommt seine ganze Zuwendung, wird angesehen. Jesus wird das immer wieder tun – es wird sein „Markenzeichen“ würden wir heute sagen: Anhalten, sich umwenden, die Menschen in Blick nehmen. Sie fragen was sie suchen, brauchen, wollen – ehrliches Interesse haben.

Der Jünger Begegnung zu Beginn des Johannesevangeliums entspricht ganz dessen Schluss, im Kapitel 20, der Begegnung des Auferstandenen mit seiner Jüngerin Maria von Magdala. Etwas suchen, jemand suchen, sich umwenden, gefragt werden, beim Namen genannt werden, alles was zu einer wirklichen Begegnung gehört, findet auch hier statt. Nur: Maria darf nicht bleiben. Am Ende einer wahren Begegnung mit dem Göttlichen, mit Gottes Geistkraft können und sollen Menschen ihren eigenen Weg gehen – der Auferstandene ist ja in und bei ihnen. Solchen Menschen kann man nicht mehr drohen, dass sie sehen sollen, wo sie bleiben, sie wissen es ja bereits. Sie haben ihre Bleibe in Gott gefunden.

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3 Antworten auf Wer Jesus folgt, bekommt seine ganze Zuwendung – 2. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Winfried Seifried sagt:

    wie kann ich die Frauenpredigten abonieren

  2. Maria sagt:

    „ich sage nur: 10″ Danke für diese formvollendet runden Gedanken, die sachte und kraftvoll anschubsen!

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