Du kommst auch drin vor – 4. Adventssonntag B

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1
In jener Zeit
26 wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret
27 zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.
28 Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.
29 Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
30 Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
31 Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.
32 Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
33 Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
34 Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
35 Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.
36 Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat.
37 Denn für Gott ist nichts unmöglich.
38 Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.

Autorin:
4f42d070Gabriele Thönessen, Gemeindereferentin im Pfarrverband Selfkant mit Schwerpunkt in der spirituellen Erwachsenenbildung, Bistum Aachen

 
Die Predigt:
Du kommst auch drin vor

Liebe Leserin, lieber Leser,
mögen Sie unerwarteten Besuch? Wenn ich ehrlich antworten soll: nicht immer. Die Wohnung ist evtl. nicht aufgeräumt, ich muss gleich weg oder lese gerade ein spannendes Buch – und dann klingelt es an der Türe.
Manchmal sind solche Besuche aber auch das Highlight des Tages, etwa, wenn meine Freundin plötzlich mit strahlendem Gesicht vor der Türe steht und eine gute Nachricht im Gepäck hat. Dann fällt es mir leicht, mir trotzdem Zeit zu nehmen und ich freue mich mit ihr, weil ihr Mann die neue Arbeitsstelle bekommen hat, dass ihre kleine Enkelin das erste Mal „Oma“ gesagt hat oder dass ihre erwachsene Tochter umzieht – in ihre Nähe. Umgekehrt stehe ich manchmal auch vor ihrer Türe mit leuchtenden Augen und kann es kaum erwarten, dass sie öffnet und ich sagen kann: Stell dir vor, das glaubst du nie! Dann lässt sie alles stehen und liegen, hört mir zu und strahlt bald genauso wie ich.

Das heutige Evangelium ist auch Grund zur großer Freude – in ganz anderen Dimensionen. Die gute Nachricht, die der Bote Gottes zu der jungen Frau Maria bringt, ist einmalig, von ewiger Bedeutung und Anlass zur Freude für alle Menschen. Und auch hier könnte man sagen: Stell dir vor, das ist unglaublich, unvorstellbar! Denn Gott will sich auf ganz neue Weise den Menschen zuwenden und kommt ihnen dabei so nah wie noch nie. Gott will Mensch werden. Für diesen Plan wählt er einen Menschen, eine Frau, aus, daran mitzuwirken. Die Frau ist weder lebenserfahren noch adlig, ihre Familie weder reich noch einflussreich. Gott wählt eine junge, unverheiratete Frau aus Handwerkerkreisen aus, die abseits in einem Ort lebt, der für fromme Juden schon gar nicht mehr richtig zum Heiligen Land gehört. Wo und mit wem Gott diesen neuen Anfang macht, auch das ist schon eine gute Nachricht. Es zeigt, dass das Heil, was hier verkündet wird, nicht exklusiv für bestimmte Menschen gedacht ist, etwa nur für reiche, einflussreiche oder fromme Menschen. Nein, alle sind gemeint, so gering sie sich selbst – oder andere – sie auch einschätzen mögen.

Als eine Kollegin von mir vor einigen Jahren heiratete, fand ich, wie jeder Gottesdienstteilnehmer und jede Teilnehmerin, auf meinem Platz eine Karte vor mit dem Evangelium der Trauung. Etwas weiter darunter stand: Du kommst auch drin vor. So ist es mit jedem Evangelium, so ist es auch bei der Begegnung Marias mit dem Engel: Sie kommen drin vor – und ich auch. Weil die Botschaft uns allen gilt: damals und heute und morgen, im Heiligen Land, in Europa und in sogenannten Entwicklungsländern; sie gilt Frauen und Männern, Millionären genauso wie Hartz4-Empfängern, kleinen und großen Sündern. Sie gilt jedem, der auf Rettung und Barmherzigkeit hofft, jedem der erkennt, dass er sich nicht selbst retten kann, jedem, der nach Gott sucht.

Das ist eine sehr gute Nachricht. Wir dürfen alle guter Hoffnung sein, weil Gott sich auf neue und unüberbietbare Weise den Menschen zuwendet trotz allem menschlichem Versagen. Das kann mich immer wieder neu -wie Maria damals -überraschen, verwirren. Doch wenn ich mich dieser Nachricht zuwende wie dem überraschenden Besuch einer guten Freundin, führt das zu echter, tiefer Freude.

Dieses Evangelium ruft uns zu: Dort, wo Sein Gruß, Seine Botschaft, Sein Plan auf offene Ohren und vor allem auf offene Herzen trifft, da kann Unmögliches geschehen. Obwohl mir diese Bibelstelle schon lange vertraut ist, habe ich mit der Vorbereitung dieser Predigt noch etwas mir Neues entdeckt. Mit der wichtigen, aber auch schweren Aufgabe, die der Engel Gabriel Maria verkündet, zeigt er ihr auch einen Ort und einen Menschen, an den sie sich wenden kann, wenn das Gerede losgeht, weil sie unverheiratet schwanger wird. Er spricht von Elisabeth, ihrer Verwandten im Bergland von Judäa. An ihr hat Gott schon gezeigt, dass ihm nichts unmöglich ist. Sie, die als unfruchtbar galt und über das gebärfähige Alter hinaus war, trägt ein Kind in sich. Elisabeth wird Maria zuhören und verstehen, weil auch sie Gottes außergewöhnliches Wirken am eigenen Leib erfahren hat. Sie wird später den Besuch Marias freudig aufnehmen und erkennen, was Gott da gerade wirkt.

Damit Gott seine guten Pläne verwirklichen kann, brauchte und gebrauchte er in biblischen Zeiten Menschen wie Maria und Elisabeth und all die anderen biblischen Frauen und Männer. Gott braucht Menschen, die sich begeistern lassen, damals und heute. Damit Gott heute seine guten Pläne verwirklichen kann, braucht er empfangsbereite Menschen; Frauen und Männer, die sich Zeit nehmen und seiner Botschaft zuhören wollen, die seinen Plänen und seiner Führung vertrauen und damit durchs Leben gehen. Diese Menschen verkünden – in aller Unvollkommenheit – in dem was sie sagen und tun Gottes gute Nachricht. Und sie erleben Begegnungen, in denen sie mit leuchtenden Augen sagen: „Stell dir vor! Das ist unbegreiflich!“ -und Seine gute und frohe Nachricht im Gepäck haben.

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Eine Antwort auf Du kommst auch drin vor – 4. Adventssonntag B

  1. Maria sagt:

    berührt mich. sehr lebendig. Vielen Dank

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