Wann erfüllen wir den Willen Gottes? – 26. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 21
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohepriestern und Ältesten des Volkes:
28 Was meint ihr? Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Kind, geh und arbeite heute im Weinberg!
29 Er antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn und er ging hinaus.
30 Da wandte er sich an den zweiten und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ja, Herr – und ging nicht hin.
31 Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie antworteten: Der erste. Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, ich sage euch: Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.
32 Denn Johannes ist zu euch gekommen auf dem Weg der Gerechtigkeit und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt. Ihr habt es gesehen und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt.

Herz
Autorin:
Sigrid Haas, Diplomtheologin, Mannheim

 
Die Predigt:
Wann erfüllen wir den Willen Gottes?

Liebe Leserin, lieber Leser,
Wort und Tat in Disharmonie miteinander

die Situation der beiden Männer im Gleichnis kennen wir wohl alle gut: Eltern oder Vorgesetzte geben uns einen Auftrag und erwarten, dass wir ihn umgehend erfüllen. Nicht selten löst eine solche Situation einen Gewissenskonflikt aus. Je nachdem, wie unsere Beziehung zu diesem Menschen ist und welche Folgen eine Weigerung hätte, sagen wir Ja oder Nein. Manchmal bereuen wir später unser Nein, oft ärgern wir uns aber auch, weil wir trotz innerlichem Nein zugesagt haben.

In der Geschichte erkennt der zweite Sohn zwar mit Worten die Autorität des Vaters an: Ja, Herr!, handelt dann aber ungehorsam. Dagegen ist der erste Sohn ehrlich: Ich will nicht. Doch dann bereut er sein Nein und erfüllt den Auftrag schließlich doch. Was ihn allerdings dazu veranlasst hat, bleibt unerwähnt.

Interessant ist, dass im Griechischen nicht das theologische, programmatische μετανοέω (umkehren, Buße tun) verwendet wird, sondern μεταμέλομαι (bereuen, leid tun, sich anders überlegen). Es bezeichnet also ein Gefühl, das aus der Selbstreflexion über eine Handlung entstanden ist. Entscheidend ist eben nicht das Wort, sondern die Tat: Der erste Sohn, welcher seinem Gefühl, also seinem Herzen gefolgt ist, hat letztlich den Willen Gottes erfüllt. Merkwürdig ist, dass keiner der beiden nachfragt, warum er im Weinberg arbeiten soll, auch die näheren Umstände, z.B. eine Bezahlung, bleiben unklar und wie der Vater auf das Tun seiner Söhne reagiert, erfahren wir ebenfalls nicht.

Denken, Reden und Handeln sollen eins sein
Im Matthäusevangelium 5,37 sagt Jesus: Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein. Und im ersten Johannesbrief 3,18 heißt es: Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. Gott will, dass unser Denken, Fühlen, Reden und Handeln eins sind, denn nur so können wir glaubwürdig sein. Nicht nur schöne Worte zu machen, sondern sie auch zu leben, das sollte die Gläubigen auszeichnen. Dies schließt auch ein, mutig zu sein und klar zu sagen, was der Liebe und dem Leben entgegensteht, und dann auch entsprechend zu handeln. Jesus hat uns das konsequent vorgelebt, mehrmals hat er deshalb sogar bewusst Ge- und Verbote übertreten.

Menschen, die innerlich zerrissen sind, weil ihre Gedanken, Gefühle, Worte und Taten nicht miteinander übereinstimmen, führen ständig gegen sich selbst Krieg und finden keinen inneren Frieden. Sie strahlen diese Disharmonie aus und werden deshalb immer auch Konflikte mit anderen haben und früher oder später aufgrund dieses Dauerstresses krank werden. Nicht umsonst sagte Jesus so oft: Friede sei mit euch. Um allerdings diesen Frieden leben zu können, ist es sehr wichtig, uns selbst gut zu kennen: unsere Grenzen, unsere Werte, unsere Bedürfnisse, unsere Wünsche, Sehnsüchte und Träume.

Wir brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir das machen, was uns gut tut, denn nur dann können wir auch Freude, Liebe und Frieden ausstrahlen. Sind wir nämlich erschöpft, unglücklich und zerrissen, wie sollen wir anderen Menschen dann noch helfen?

Das Liebesgebot wurde leider – und wird noch immer – auf Gottes- und Nächstenliebe verkürzt. Jedoch ist der Maßstab der Nächstenliebe die Selbstliebe, die fälschlicherweise oft als Egoismus gebrandmarkt wird. In Wahrheit ist sie aber die Voraussetzung. Wenn wir mit uns selbst liebevoll umgehen, dann werden wir das auch mit anderen tun.

Vor Gott zählen nur Taten aus Liebe
Das, was wir aus, mit und in Liebe tun – das hat vor Gott Bestand. Machen wir dagegen etwas aus Gewohnheit, suchen Liebe und Anerkennung oder tun etwas gar aus Angst, entspringt unser Handeln nicht unserem Herzen. Dann verhalten wir uns wie der erste Sohn: Äußerlich sagen wir zwar Ja, doch unser Verhalten widerspricht unserem Wort.

Je öfter wir in kleinen Dingen konsequent unsere Gedanken, Gefühle, Worte und Handlungen in Einklang miteinander bringen, desto leichter wird es uns auch in großen und wichtigen Entscheidungen gelingen. Denn wir haben immer die Wahl: Wir können auf unser Herz hören, wo Gott wohnt, oder der Angst folgen, die uns unser Geist so oft einflüstert und uns von Gott wegführt.

Zum Nachdenken:
– Sind Sie mit Ihrem Herzen verbunden und hören auf Ihre Gefühle?
– Sind Sie sich bewusst, aus welcher Motivation heraus Sie etwas tun?
– Können Sie sich Ihre Bedürfnisse und Wünsche erfüllen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben?
– Haben Sie den Mut, ehrlich zu sagen, wenn Sie etwas nicht tun wollen?
– Oder sagen Sie oft Ja, obwohl Sie eigentlich Nein sagen wollen?
– Sind Ihre Gefühle, Gedanken, Worte und Handlungen in Harmonie miteinander?

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