Lieben und immer wieder anfangen – 27. Sonntag im Jahreskreis A

Erste Lesung aus dem Buch Jesaja, Kapitel 5
51 Ich will ein singen von meinem Freund, /
das Lied meines Liebsten von seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg /
auf einer fruchtbaren Höhe.
2 Er grub ihn um und entfernte die Steine /
und bepflanzte ihn mit edlen Reben. Er baute in seiner Mitte einen Turm /
und hieb zudem eine Kelter in ihm aus. Dann hoffte er, /
dass der Weinberg Trauben brächte, /
und er brachte nur faule Beeren.
3 Und nun, Bewohner Jerusalems und Männer von Juda, /
richtet zwischen mir und meinem Weinberg!
4 Was hätte es für meinen Weinberg noch zu tun gegeben, /
das ich ihm nicht getan hätte? Warum hoffte ich, dass er Trauben brächte? /
Und er brachte er nur faule Beeren?
5 Jetzt aber will ich euch kundtun, /
was ich mit meinem Weinberg mache: Seine Hecke entfernen, /
sodass er abgeweidet wird; einreißen seine Mauer /
sodass er zertrampelt wird.
6 Zu Ödland will ich ihn machen. /
Nicht werde er beschnitten /
nicht behackt, sodass Dornen und Disteln dort hochkommen. /
Und den Wolken gebiete ich, keinen Regen auf ihn fallen zu lassen.
7 Denn der Weinberg des Herrn der Heerscharen /
ist das Haus Israel und die Männer von Juda sind die Bepflanzung seiner Lust. /
Er hoffte auf Rechtsspruch – /
doch siehe da: Rechtsbruch, auf Rechtsverleih – /
doch siehe da: Hilfegeschrei.

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 21
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohepriestern und den Ältesten des Volkes:
33 Hört noch ein anderes Gleichnis: Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land.
34 Als nun die Erntezeit kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um seine Früchte holen zu lassen.
35 Die Winzer aber packten seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um, wieder einen anderen steinigten sie.
36 Darauf schickte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; mit ihnen machten sie es genauso.
37 Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben.
38 Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn umbringen, damit wir sein Erbe in Besitz nehmen.
39 Und sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.
40 Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt: Was wird er mit jenen Winzern tun?
41 Sie sagten zu ihm: Er wird diese bösen Menschen vernichten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist.
42 Und Jesus sagte zu ihnen: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, /
er ist zum Eckstein geworden; /
vom Herrn ist das geschehen, /
und es ist wunderbar in unseren Augen?
44 Und wer auf diesen Stein fällt, wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen.
43 Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die Früchte des Reiches Gottes bringt.

Autorin:
4546 023bMaria Sinz, KAB Sekretärin für Pflegepolitik (KAB = Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung)

 
Die Predigt:
Lieben und immer wieder anfangen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Herzblut und Enttäuschung
Kennen Sie das: Gut vorbereitet, unter besten Bedingungen wird eine Arbeit, eine Aufgabe, ein Projekt angepackt, viel Energie reingesteckt, Stolpersteine aus dem Weg geräumt. Alle Sensoren stehen auf Gelingen. So ist es auch bei Jesaja, im Lied vom Weinberg, das so schön beginnt. Voller Liebe. Ein Stück Land, fruchtbarer Boden, mit Zuversicht und Arbeit gut bestellt. Reben werden sorgfältig ausgewählt. Alles ist getan. „Was da draus werden kann!“ – Vorfreude. Erwartung. Hoffnung. Und dann spielen die Weinstöcke nicht mit. Statt süßer Trauben liefern sie saure Beeren. Entsetzen, Verwirrung. Enttäuschung. Was konnte ich denn noch für meinen Weinberg tun, was ich nicht für ihn tat?

Auch das eine Erfahrung, die viele von uns kennen, alles gegeben zu haben und die erhoffte Ernte, das Ergebnis, der Erfolg bleibt aus. Etwas mit Herzblut angegangen, voller Fehlschlag, am Boden zerstört. Dann kommt die Wut. Das sorgfältig Behütete wird Preis gegeben, kann zertrampelt werden, wird Ödland mit Dornen und Disteln. Die Rachephantasie gipfelt in der Aussage, dass selbst den Wolken verboten wird diesem Weinberg noch Regen zu spenden. Auch das eine so sehr nachvollziehbare Regung. Am liebsten alles Einstampfen. Aufhören. Nie wieder Energie und Herzblut vergeuden. Bei Jesaja war es nicht irgendein Weinberg, es war der Weinberg meines Liebsten. Am Unglück geliebter Menschen teil zu haben kann mehr schmerzen, als selbst betroffen zu sein.

Dann wechseln die Verhältnisse. Zu den Bürgern von Jerusalem gewandt heißt es, der Streit zwischen mir und dem Weinberg und dann mein Weinberg. Bei meinem Dogmatikprofessor habe ich vor vielen Jahren gelernt, dass wir Gott in sich immer schon als Beziehung denken. So ist auch das sehr nachvollziehbar, die Rachephantasie ist ausgeschmückt, weil der Geliebte enttäuscht wurde. Aus Schmerz darüber springt die „erste Person“ in die Bresche und rechnet mit dem Weinberg ab.

Dasselbe Spiel in anderem Gewand.
Mit den ersten Zeilen des Gleichnisses im heutigen Evangelium wird Bezug genommen auf das Lied vom Weinberg. Nun ist es ein Gutsbesitzer, der seinen Weinberg verpachtet, auf Reisen geht, und schließlich teilhaben will an der Ernte. Denken wir die Kategorie Besitzer mal weit, wie wir Christen das grundsätzlich verstehen, dass „die Welt“ Gott gehört und damit allen Menschen, und Besitz lediglich dazu dient, die Erde treuhänderisch zu verwalten. War es im Jesajalied vom Weinberg das Geschenk an den Liebsten, so ist es im Gleichnis der Sohn. Im Jesajalied war die Hoffnung, der Weinberg bringe süße Trauben. Im Gleichnis ist die Hoffnung: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben.

Um nicht an der Geschlechterfrage hängen zu bleiben, könnten wir auch sagen die Mutter schickt ihr Kind. Wieder ein Bild von unvergleichlicher Nähe. Ein Bild der Liebe, eine Mutter schickt ihr Kind. Alles auf Anfang. Der Weinberg ist bestellt. Die Ernte soll eingeholt werden. Bei Jesaja sind es die Weinstöcke, die statt süßer Trauben saure Beeren liefern. Dieses Mal sind es die bösen Winzer, die nicht mitspielen. Statt die Freude am Ertrag, den es dieses Mal offensichtlich gab, zu teilen, bringen sie den Sohn um. Vollkommen sinnlos.

Die unendliche Geschichte geht weiter.
Wieder stellt sich die Frage: was tun? Die Zuhörer antworten in der Kategorie Strafe für die bösen Winzer und als Perspektive bessere Winzer finden. Dann wird das Bild vom verworfenen Eckstein eingefügt. Der Psalm, der damit zitiert wird ist aus einer Dankliturgie. Darin besingt ein Mensch die Freude darüber, dass er ausgerichtet geblieben ist, trotz extremer Widrigkeiten. Besser sich zu bergen beim Herrn… sind Worte dafür. Die Antwort, die Gott sich so sehr auf sein Liebesangebot, auf das Angebot vom guten Leben für alle, wünscht, kommt in dem Psalm tatsächlich von einem Menschen. Es ist möglich. Daran wird mit dem Zitat erinnert. Dagegen wirkt der Schluss des heutigen Evangeliumstextes schwach. Hier bleibt die Kategorie, ein besseres Volk zu finden, das die erwarteten Früchte bringen werde. Der Weinberg wird ins Bild Reich Gottes übersetzt, das in andere Hände gelegt werden soll. Eine Illusion. In einer Liebesgeschichte geht es nicht darum, den Partner auszuwechseln, sondern den Anderen zu erreichen. Immer wieder. Und gerade das Verworfene wieder zurückzuholen. Und wieder anzufangen.

Biblisch gesehen verstehen wir die ganze Menschheitsgeschichte als Liebesangebot Gottes an die Menschen. Eine Geschichte, in die hinein wir alle verwoben sind. Die einzige Antwort, die Gott will, ist, sich der Liebe zu stellen. Dass dies –auch- Kampf ist, davon berichtet der Brief an die Philipper. Sie haben mit mir für das Evangelium gekämpft. Für mich heißt kämpfen in diesem Kontext, für das Liebesangebot Gottes an die Menschen einzutreten. Für die Erinnerung daran, dass die Erde Gott und damit allen Menschen gehört. Ich habe das Glück, in der KAB mit Menschen verbunden zu sein, die in diesem Sinne unterwegs sind und das ganz konkret in Aufforderungen hier und jetzt übersetzen. Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein. Amen.

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Anmerkungen: zum Verständnis, wie biblische Texte aufeinander und mit der aktuellen Zeit bezogen sind vgl: exegetische Zeitschrift „Texte und Kontexte“.
Zum Ausblick KAB vgl: www.kab-drs.de/jetzthandeln

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