Die Geduld Gottes – 16. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus Kapitel 13
24 Jesus legte ihnen ein anderes Gleichnis vor: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte.
25 Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg.
26 Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein.
27 Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?
28 Er antwortete: Das hat ein Feind getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen?
29 Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt.
30 Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!
(Einheitsübersetzung 2016)

Autorin:
P6093807Maria Lerke, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Die Geduld Gottes

Liebe Leserin, lieber Leser,
der Tatort feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen! Die Fernsehzuschauer können sogar mitbestimmen, welche ihrer Lieblingskrimis wiederholt werden sollen. Ist ja auch ein schönes Gefühl, spätabends ins Bett gehen zu können, in dem Wissen, dass die Guten mal wieder „gewonnen“ haben.

Im wahren Leben müssen wir leider immer wieder das Gegenteil erfahren: „das Böse“ wird scheinbar immer mächtiger: Terroranschläge, Zerstörungswut, verrückte Machthaber, ja aber auch Unterdrückung, Gewaltherrschaft, Umweltvernichtung, Naturkatastrophen und die jetzige Pandemie lassen so vieler Menschen leiden.

Warum lässt Gott das alles zu? Warum greift er nicht ein?

Diese Frage hat auch den Menschen zur Zeit Jesu zu schaffen gemacht. Vielen ging es nicht schnell genug mit dem Reich Gottes. Warum nur immer diese Sanftmütigkeit, diese Engelsgeduld. Manche hätten sich von Jesus mehr Durchsetzungskraft und machtvolleres Durchgreifen gewünscht. Im Gleichnis vom heutigen Sonntag erfahren wir, dass Gottes Gedanken und Pläne wieder mal so anders sind, als wir uns das wünschen.

Jesus verwendet auch dieses Mal Bilder aus dem alltäglichen Leben, die seinen Zuhörer*innen bekannt waren: Ein Sämann hat gute Weizenkörner auf seinem Acker ausgesät, in der Hoffnung, dass sie bis zur Ernte reichlich wachsen und ordentlich Frucht bringen. Ein Feind streut heimlich Unkraut, so dass die Ernte in Gefahr ist. Mit dem Acker ist die Welt gemeint, auf die Gott gute Menschen setzt und hofft, dass sie gute Frucht bringen. Vielleicht ist den Menschen damals gleich das Schöpfungslied eingefallen, wo es nach jedem Schöpfungstag heißt: und Gott sah, dass es gut war (Gen 1,1 ff). Gott hat es gut gemeint, als er uns den freien Willen schenkte. Hätten wir diese Entscheidungsmöglichkeit nicht, wären wir „nur“ Maschinen, die eben nur das machen, wofür der Hersteller sie programmiert hat. Was wäre das für eine Liebe, wenn der Geliebte nur das machen könnte, was der andere will?

Dann kommen wir zu dem Unkraut, das auf den Acker gesät wurde. Dabei ist nicht nur Löwenzahn, oder anderer Wildwuchs gemeint. Es handelt sich um das Tollkorn, oder auch Taumellolch genannt. Zu Beginn sieht es wie Weizen aus, erst später, wenn die Wurzeln mit den anderen Pflanzen verflochten sind, wird der Unterschied deutlich. Sicher unterscheiden kann man dieses giftige und überaus schädliche Korn erst, wenn die Ernte eingesammelt wird.

Taumellolch ist dünner als Weizen, und die Körner haben kleine Sprieße. Es war üblich, die Halme beim Mähen von Hand auszusortieren, sie zu bündeln und zu verbrennen. Trotzdem verloren die Felder oft auf Jahre hinaus an Wert. Ein echter Schaden, den der Feind“da angerichtet hat und wir wissen aus der römischen Rechtsprechung, dass solche Rachefeldzüge öfters vorkamen. Dass es Menschen gibt, die Böses nicht nur in Gedanken mit sich rumtragen, sondern tatsächlich auch Böses tun, das war wohl schon zu allen Zeiten so. Ob die Menschen Böses mit Absicht tun, oder auch einfach so durch ihr Handeln Böses entsteht, das Ergebnis ist wohl immer dasselbe – die Welt nimmt Schaden.

Dass die Knechte darum bitten, so früh wie möglich diese Gefahr zu bannen, das ist schon verständlich. Sie wollen mit aller Macht gegen das Böse kämpfen, es ausrotten, um den wertvollen Weizen, die „Auserwählten“ vor allem Bösen zu bewahren. Ist das nicht allzu menschlich? Auch wir sind ja schnell dabei, Menschen in Gute oder Böse einzuordnen. Ist es nicht überlebensnotwendig zu wissen, wer Freund oder Feind ist?

Die Antwort des Gutsherrn lautet aber: Die Knechte sollen den guten Weizen und das giftige Unkraut wachsen lassen bis zur Ernte, erst dann wird aussortiert! Was will uns Jesus damit sagen? Soll uns das Böse egal sein? Sollen wir nicht aufstehen gegen Terror, gegen Gewalt, gegen Ungerechtigkeit, Umweltverschmutzung und Machtmissbrauch auf so vielen Ebenen? Aus anderen Gleichnissen, aus den Reden und dem Handeln Jesu wissen wir, dass er selbst sehr leidenschaftlich für das Gute eingetreten ist, und immer wieder deutliche Worte fand, um vor dem Bösen zu warnen.

Jesus verschließt seine Augen vor dem Bösen nicht, im Gegenteil, er leidet mit allen, die Böses erfahren. Für ihn entsteht das Böse dort, wo Menschen nicht nach dem Willen Gottes leben, wo sie ihre eigenen Vorteile für wichtiger halten als das Gebot, Gott und den Nächsten zu lieben, wie sich selbst. Die Umwandlung der Welt geschieht wohl kaum, wenn wir verbissen und mit aller Energie das Böse bekämpfen – sie geschieht eher, wenn wir alles dafür tun, dass „das Gute“ in uns und um uns herum wachsen kann.

Nach diesem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen folgen zwei weitere Gleichnisse: das Gleichnis vom Senfkorn und das Gleichnis vom Sauerteig. (Mt 31 ff) Auch in diesen Gleichnissen geht es um das Vertrauen: das Reich Gottes wächst und am Ende wird das Gute offenbar werden! Gott selbst sorgt dafür – er wird Gut und Böse „ein“ordnen, das Urteilen können wir getrost IHM überlassen. Es steht uns nicht zu, über jemanden ein endgültiges Urteil zu fällen. Jede und jeder hat die Chance, sich ein Leben lang zu ändern. Dieses Gleichnis betont die Geduld Gottes, die unsere menschlichen Vorstellungen weit übertrifft. Und diese Geduld hat er ja nicht nur mit den Bösen, sondern auch mit uns!

Wenn wir ehrlich sind, dann sind ja auch in uns die Wurzeln von Gut und Böse eng miteinander verflochten! Gott möchte doch auch in uns den Weizen nicht gefährden. Alle Menschen dürfen auf einen gnädigen und barmherzigen Richter hoffen! Papst Benedikt XVI. hat dieses Geheimnis der Liebe Gottes so beschrieben: „Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Sie ist das Zeichen Gottes, der selbst die Liebe ist. Wie oft wünschten wir, dass Gott sich stärker zeigen würde. Dass er dreinschlagen, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen würde… Wir leiden unter der Geduld Gottes. Und doch brauchen wir sie alle. Die Welt wird durch den Gekreuzigten erlöst und nicht durch die Kreuziger. Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der Menschen verwüstet.“ (Papst Benedikt XVI. in der Predigt zu seiner Amtseinführung, am 24.04.2005)

Wir leiden unter der Geduld Gottes! Bitten wir den Heiligen Geist, dass er sich unserer Schwachheit annimmt und selbst für uns eintritt, vor allem in den vielen Anliegen, die derzeit dringend nach einer Lösung schreien! AMEN

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