Alles auf eine Karte setzen – 17. Sonntag im Jahreskreis und zum Fest der heiligen Birgitta von Schweden

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 13
In jener Zeit sprach Jesus zu den Jüngern – und Jüngerinnnen:
44 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker.
45 Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.

Autorin:
Walburga_2009Walburga Rüttenauer – Rest, Bensberg, verheiratet, drei erwachsene Kinder, war Grundschullehrerin und absolvierte den ersten Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, tätig im diakonischen Dienst der Pfarrgemeinde und ist Geistliche Beirätin des Kath. deutschen Frauenbundes Bergisch-Gladbach

 
Die Predigt:
Alles auf eine Karte setzen

Liebe Leserin, lieber Leser,
mit diesem Text beginnt das Evangelium des heutigen Sonntags. Dieses Doppelgleichnis finden wir nur im Matthäusevangelium. In beiden Gleichnissen ist es ein glücklicher Zufall, der den Menschen anstachelt, seinen Lebenslauf zu ändern. Ein armer Landarbeiter findet im Acker, den er gerade bearbeitet, einen Schatz. Ein reicher Kaufmann entdeckt eine kostbare Perle, wonach er gesucht hatte Beide nutzen den Zufall, um ihrem Leben eine völlig neue Richtung zu geben. Sie lassen alles, was sie erarbeitet haben, zurück und damit ihre Vergangenheit. Sie starten einen Neuanfang.

Jedem Menschen wird so ein Zufall geschenkt, manchmal sogar zweimal. Den göttlichen Zufall müssen wir selbst finden. Es lohnt sich, sorgsam in unserem Leben danach zu suchen. Das zeigt das Leben der heiligen Birgitta von Schweden

In dieser Woche feiert die Kirche diese große Heilige. Ihr Gedenktag hat verschiedene Daten. In Schweden feiert die katholische wie auch die evangelische Kirche am 23.Juli ihre Heilige. Die Bistümer Paderborn und Essen feiern diese Heilige am 24 Juli. Das Bistum Köln verehrt sie am 27.Juli. Diese Vielheit der Daten sehe ich als ein Zeichen, wie sehr die Kirche diese Heilige schätzt. Zunächst habe ich mich gefragt, was kann uns eine Heilige aus dem 14.Jahrhundert noch für Ratschläge geben ?

Als die heilige Birgitta im Jahr 1303 geboren wurde, gab es mehrere Ausbrüche der Pest in Europa, die vielen Menschen das Leben kostete. Die Bevölkerung des Abendlandes wurde um ein Drittel dezimiert. Die Leichen waren so viele, dass man sie in Massengräbern verscharren mussten

Vor einem Jahr hätten wir uns so etwas nicht vorstellen können. 2019 kannten ich nicht einmal das Wort Pandemie. Doch dann die Massebeerdigungen ohne Blumen und Familienbegleitung in Italien auf dem Höhepunkt, in Deutschland ohne Requiem und nur 6 Personen am Grab zulässig. In ganz Europa trotz guter Krankenhäuser, guten Ärzten und Pflegepersonal ist die Gefahr, sich an diesem Virus anzustecken, noch nicht gebannt. Diese Situation erinnert an die Hilflosigkeit im Mittelalter, wenn die Pest wieder sich ausbreitete.

Ein Klimawandel fand auch im 14.Jahrhundert statt: die kleine Eiszeit mit großen Naturkatastrophen, Klimawandel, Hochwasserkatastrophen. Hungersnöte in Afrika wegen der Agrarkrise und Heuschrecken.

Davon können auch wir sprechen. Verhungern werden wir nicht. Doch Hunger gibt es auch in Deutschland an den Rändern großer Städte. Hier wohnen große Familien, wo die Kinder hungern. Die Bauern leiden seit einigen Jahren unter der Dürre und den Wasserkatastrophen. Die Ernten werden immer weniger

Nur die größeren Kriege im 14.Jahrhundert möchte ich hier aufzählen: Hundertjähriger Krieg zwischen Frankreich und England; Dänisch-Schwedischer Krieg, Russischer-Litauischer Krieg. Viele kleine und größere Kriege flammten zwischen den verschiedenen Königen auf. Der König von Schweden und Norwegen, Birgittas jüngerer Vetter, verlor gegen Russland, so wie Birgitta es vorhergesagt hatte. Er wollte ihr nicht glauben und musste bis zu seinem Tod im Gefängnis bleiben. Er versuchte zu fliehen und ertrank im Meer.

Birgitta erlebte die Hälfte ihrer Lebenszeit aus der Sicht einer reichen Frau, der vieles geschenkt wurde. Doch einzelne Unglücke musste sie auch ertragen. Sie wurde in eine gottgefällige, reiche Familie aus dem Adel geboren. Sie hatte eine behütete frohe Kindheit. Doch als sie 11 Jahre alt war, starb ihre Mutter, wahrscheinlich an der Pest. Das war für sie ein einschneidendes Erlebnis. Der Vater versuchte seinen Kindern den Verlust der Mutter durch andere Menschen zu ersetzen.

So wurde Birgitta als Vierzehnjährige von ihrem Vater an einen reichen achtzehnjährigen adeligen Mann verheiratet. Aus unserer heutigen Sicht war das keine besondere gute Voraussetzung für eine gelingende Ehe. Doch beide liebten sich von Anfang an sehr. Acht Kinder brachte Birgitta auf die Welt, vier Söhne und vier Töchter. Sie war eine gute Mutter und leidenschaftliche Gattin. Sie gestand später, dass sie die Lust des Fleisches geliebt habe. Ihren Leib verglich sie mit einem ungebärdigen Füllen. Sie bat Jesus, ihr zu helfen, ihre Hemmungslosigkeit zu zügeln. Sie fand für sich eine Hilfe darin, sich der Prostituierten in Stockholm anzunehmen und brachte die obdachlosen Prostituierten in einem Gastheim unter, wo sie versuchte, den Frauen durch Unterricht ein neues Leben zu öffnen.

In ihrer Familie mit den acht Kindern erlebte sie frohe aber auch verzweifelte Zeiten. Ein Sohn starb früh, ein anderer kam in die schlechte Gesellschaft seines königlichen Vetters. Als sie 32 Jahre war, wurde sie als Hofmeisterin der Gemahlin des Königs an den Hof gerufen. Hier versuchte sie Einfluss auf den König zu gewinnen. Anfangs gelange es ihr, doch dann begann er sein ausschweifendes Leben wieder aufzunehmen. So kehrte Birgitta auf ihr Landgut zu ihrem Mann zurück, wo sie die Stimme Gottes besser hörte. Ihre Großzügigkeit zeigte sie in den Worten: „Wir müssen geben, solange wir haben.“ Ihr Verwalter nannte diese Lebensart maßlos und wirtschaftlich untragbar. Doch sie blieb bei ihrem Vorsatz, den Armen und Schwachen zu helfen. Ihr Mann ließ sie walten, ja er half ihr sogar dabei.

Zur Silberhochzeit beschlossen sie und ihr Mann, miteinander eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela als Pilger zu Fuß zu machen, als Dank für die 25 Jahre ihrer Ehe. Fast zwei Jahre waren sie zu Fuß unterwegs. Auf dem Rückweg wurde ihr Mann lebensgefährlich krank und erreichte kaum die Heimat. In einem Kloster wollte er sich auf den Tod vorbereiten. Brigitta war einverstanden. Er starb 1344 und Birgitta stand als Witwe mit 42 Jahren allein mit ihren Kindern da. Doch die Großfamilie fing sie und ihre Kinder auf.

Der Schatz, den Gott sie hatte finden lassen, war sehr kostbar: Gottes Liebe im Dialog zwischen ihm und ihr, die gegenseitige Liebe zu ihrem Mann, eine große Familie, ihre eigene Liebe zu den Menschen, der materielle Reichtum, mit dem sie Menschen helfen konnte.

Jedem Menschen wird in seinem Leben ein Zufall von Gott geschenkt, manchmal sogar zweimal. Wenn wir zurück schauen, erkennen wir manchmal den Augenblick, wo wir eine neue Richtung eingeschlagen haben. Oft geschieht das nach einem Unglück, dem Verlust eines geliebten Menschen, oder den Verlust seiner Arbeit. Oft finden wir viel später, was Gott mit mir wollte, welchen Schatz oder welche wunderbare Perle er uns gab.

Schon vor dem Tod ihres Mannes hörte Birgitta, wie in der Kindheit, immer wieder Gottes Stimme. Sie verstand sich selbst als „Gottes Sprachrohr, dass Gott eine besondere Aufgabe ihr anvertrauen wollte. Er gab ihr den Auftrag, einen Orden in ihrer Heimat zu gründen. Gerne wäre sie dort auch selber eingetreten. Ihr Mann wäre einverstanden gewesen, weil er selber bei den Zisterziensern eintreten wollte. Nun machte sie sich an die Arbeit, die Gott von ihr erwartete. “Als ich meinen Gemahl begrub, habe ich mit ihm alle irdische Liebe begraben.“

1346 bestand der erste Konvent aus 60 Schwestern und 25 Priestern und Brüdern. Eigentlich bestand der Birgittinnen-Orden aus zwei Orden. Ihre Vision von diesem Orden war das Bild der Heiligen Familie. Die Anerkennung ihrer Regeln für ihren Orden hat sie nicht mehr erleben können. Für Papst Urban war das eine unmögliche Idee. Es erging es genauso, wie es der heilige Franziskus erleben musste. Ihre Regel wurde nicht anerkannt, sondern von der Kirche verändert. Wie gut hätte das der Kirche getan: Frauen mit Männern sollten zusammen das Evangelium leben und verkünden.

Kommen wir zurück zur kostbaren Perle die der Kaufmann suchte. Als er sie gefunden hatte, verkaufte er alles was er hatte, um Besitzer dieser Perle zu werden. Birgitta gab alles Irdische auf, um ganz für Gottes Wünsche bereit zu sein. Es war Gottes Ruf nach Rom zu gehen, um dort die Kirche aus dem Sumpf zu ziehen. Sie fand in Rom ihre göttliche Perle. Mit all ihre Kraft versuchte sie, Gottes Wunsch zu erfüllen. Die Päpste sollte sie wieder nach Rom holen, um von dort die Kirche wieder aufzubauen.

24 Jahre hielt sie in Rom aus, obwohl sie sehr viel Heimweh hatte. Sie reiste durch Europa, um den Papst, die Könige, den Adel und viele Priester zu überzeugen, dass ihr Lebenswandel die Ursache für den Zustand der Kirche sei. Die Päpste hatten Rom verlassen und lebten in Avignon, ohne sich darum zu kümmern, was in Rom so geschah, die Entartung des Christlichen Abendlandes.

Aber Birgitta wurde nicht gehört. Sie sah in die Zukunft. Überall traf ein, was sie vorhergesagt hatte. Doch alle ihre Warnungen wurden in den Wind gesprochen. Mit letzter Kraft startete sie noch eine Wallfahrt nach Jerusalem. Bei einem Sturm verlor sie ihr Hab und Gut. Überall, wo sie anhielten, versuchte sie mit den Königen, Kirchenfürsten, wichtigen Landbesitzern mahnende Gespräche zu führen. Vergebens!

Als sie wieder in Rom war, spürte sie, dass sie bald sterben würde. Jetzt überfiel sie eine tiefe Traurigkeit. Nichts hatte sie in Rom erreicht, obwohl sie Gottes Aufträge immer durchgeführt hatte. Wo war der Glanz ihrer Perle? Sie starb aber während einer Messe mit Jesu Worten: Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist. Der Orden breitete sich in vielen Länder Europas aus. 1391 wurde Birgitta heilig gesprochen. Sie gilt als einzige kanonisierte Heilige des Nordens und wurde 1999 zur Patronin Europas zusammen mit Katharina von Siena und Edith Stein erhoben.

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