Unser Herz als Navigationssystem – 6. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern – und Jüngerinnen:
17 Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.
18 Amen, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird kein Jota und kein Häkchen des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist.
19 Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.
20 Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.
21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein.
22 Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.
23 Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat,
24 so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe.
25 Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum Gericht bist. Sonst wird dich dein Gegner vor den Richter bringen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben und du wirst ins Gefängnis geworfen.
26 Amen, ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast.
27 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen.
28 Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
29 Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.
30 Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt.
31 Ferner ist gesagt worden: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt, muss ihr eine Scheidungsurkunde geben.
32 Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.
33 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast.
34 Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron,
35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs.
36 Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen.
37 Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen.

Kristallherz (2)
Autorin:
Sigrid Haas, Diplomtheologin, Mannheim

 
Die Predigt:
Unser Herz als Navigationssystem

Liebe Leserin, lieber Leser,  
Gedanken gehen Taten voraus
Der Zustand der Welt, der Natur, der Völker und Gesellschaften, nicht nur heute, sondern seit Jahrhunderten, zeigt, dass die Denk- und Lebensweisen der Alten nicht zum „Himmel auf Erden“ geführt haben. Fast überall auf der Welt herrschen Gewalt bis hin zu Terrorismus und Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung, Zerstörung und Spaltung. Sehr viele Menschen sind getrennt von sich selbst, von anderen, der Natur und von Gott. Sie leben ständig im Kampfmodus.

Das Gebot: Du sollst nicht töten, ist auch in unserem Land aktueller denn je. Am 8. Mai gedenken wir des 75. Jahrestages des Kriegsendes, am 13.Februar der Bombardierung von Dresden. Schon länger sehen wir, wie Menschen nicht nur immer schärfere Wort-Speere auf andere werfen, sondern zunehmend auch körperlich angreifen.

Ich aber sage euch“ – Jesus ruft uns zu einer grundsätzlichen Lebensentscheidung auf, es anders zu machen als die vorherigen Generationen. Immer wieder hat er zur Einheit gemahnt. Diese können wir jedoch nur leben, wenn wir umdenken. Unsere Gedanken, welche wiederum Gefühle auslösen, sind die Ursachen unserer Taten. Der Tat gehen Gedanken voraus (V22 und V28). Wer negative Gedanken gegen jemanden hat oder jemanden beschimpft, hat schon den ersten Samen gepflanzt für einen Mord. Wir alle haben wohl schon einmal gedacht „Ich könnte ihn oder sie umbringen!“ Wir können einen Samen nähren – oder absterben lassen. Dasselbe gilt für den Ehebruch – begehrliche Gedanken und Gefühle öffnen die Tür zum Ehebruch. Die drastischen Strafen (Verse 29-30) sind natürlich symbolisch zu verstehen. Sie verweisen auf unsere Verantwortung, Menschen, Situationen, Orte etc., die zerstörerische Gedanken und Gefühle fördern, zu meiden, um so unsere Seele, unseren Geist und unseren kostbaren Körper, den Tempel der Heiligen Geistkraft, zu schützen.

Es gilt also, wachsam und achtsam zu sein bezüglich unserer Gedanken und auch unserer Gefühle, uns immer wieder auszurichten auf die Botschaft Jesu und bewusst zu wählen, welchen Weg wir gehen wollen: den Weg der Liebe und Gemeinschaft oder den Weg der Angst und der Trennung. Das beginnt schon im Kleinen.

Wenn Sie beispielsweise eine Spinne an der Wand krabbeln sehen, haben Sie die Wahl: Denken Sie „Igitt!“, holen deshalb die Fliegenklatsche und ermorden das Insekt. Wenn Sie sich aber mit der Spinne verbunden fühlen, achten Sie ihre Fähigkeit, wunderschöne Netze zu weben, nehmen ein Glas, fangen die Spinne und bringen sie nach draußen.

Genauso ist es in der Begegnung mit Menschen. Sie können sich von Menschen mit anderen Meinungen oder Lebensstilen abgrenzen oder mit ihnen ins Gespräch kommen und nach Gemeinsamkeiten suchen.

Und schließlich können Sie auch bezüglich Ihrer Gedanken über sich selbst die Trennung oder die Liebe wählen. Wenn Sie etwa Hassgefühle gegen einen Menschen empfinden, können Sie diese verdrängen mit der Folge, dass sie sich entweder irgendwann entladen oder langfristig Ihre Gesundheit zerstören. Oder Sie können Ihre Gefühle als einen Teil von sich betrachten und nach den Ursachen suchen. Vielleicht gibt es etwas Ähnliches, was Sie an sich selbst hassen. Erkennen Sie die Botschaft dahinter? Beispielsweise wenn Sie fanatische Menschen hassen, dann schauen Sie, ob es in Ihnen auch etwas Fanatisches gibt oder aber das Gegenteil, zu wenig Konsequenz, Enthusiasmus und Engagement bezüglich Ihrer Werte und Überzeugungen. Wenn wir auf etwas mit starken Gefühlen reagieren, hat das etwas mit uns selbst zu tun.

Natürlich werden wir nie zu hundert Prozent die Kontrolle über unsere Gedanken – etwa 60.000 (!) pro Tag – erlangen. Doch je mehr wir uns darin üben, jene zu identifizieren, die uns von der Liebe abhalten und in der Trennung festhalten wollen, desto leichter fällt es uns mit der Zeit, die trennenden Gedanken und Gefühle in unser Herz zu nehmen und die Verwandlung geschehen zu lassen.

Wenn wir in dieser bewussten Aufmerksamkeit leben, dann werden wir auch rechtzeitig bemerken, ob wir uns noch mit jemandem zu versöhnen haben, nicht nur, bevor wir unsere Opfergabe zum Altar bringen (vgl. Verse 23-24). Wobei wir uns auch mit uns selbst versöhnen sollten. Wenn wir böse auf uns selbst sind, strahlen wir keine Liebe, sondern Groll aus und ziehen dadurch negative Menschen und Situationen an.

Denn durch unsere Gedanken und Gefühle senden wir elektromagnetische Schwingungen aus, rund um die Uhr, jede Sekunde! Sichtbar wird das beispielsweise bei emotionalen Massenereignissen, wie in Fußballstadien, bei Demonstrationen, kriegerischen Auseinandersetzungen etc. Leider ist das den wenigsten Menschen bewusst, genauso wenig wie die Tatsache, dass wir zu etwa 95 Prozent durch unser Unterbewusstsein – Glaubenssätze, Muster, Programmierungen, Traumata etc. – gesteuert werden.

Den Geist der Gebote leben
Es geht nicht um die korrekte äußere Erfüllung der Gebote, sondern um die ganzheitliche Hineinnahme in das Herz. Früher übliche Buß-Praktiken wie etwa mehrere Vaterunser oder Rosenkränze beten, atmen den starren Geist der äußerlichen Buße und führen selten zum Umdenken. Jesus hat immer wieder bewusst Gebote übertreten, um zu provozieren und dadurch auf den tieferen Sinn hinzuweisen. So bleibt auch Raum für Individualität, denn jeder Mensch hat eine einzigartige Beziehung zu Gott und lebt die Gebote daher auch individuell. Ein ruhiger Mensch beispielsweise hört gerne einem Einsamen geduldig zu oder hält einfach schweigend die Hand einer Trauernden. Ein aktiver Mensch organisiert lieber einen Ausflug für allein stehende Menschen oder bietet einen Workshop-Abend für Trauernde an.

Eigentlich bräuchte es keinen Gebots- und Gesetzeskatalog, sondern nur das dreifache Liebesgebot: Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst – darin ist alles enthalten. Wenn wir dieses Gebot wirklich LEBEN in allen drei Dimensionen, und zwar jeden Tag, dann verinnerlichen wir das Evangelium – die FROHE Botschaft. Es gibt dann keine Trennung mehr zwischen Gott und mir, zwischen mir und anderen Menschen, zwischen mir und allen Geschöpfen, auch nicht beispielsweise zwischen einem Baum und mir. – Er produziert kostenlos den Sauerstoff, den ich als Mensch zum Überleben brauche und nimmt dafür den Kohlenstoff, den ich durch Atmung und Lebensstil produziere.

Ein klares Ja – oder Nein
Im Schwurverbot (Verse 33-37) macht Jesus klar, dass Gottes Name nicht selbstsüchtig benutzt werden darf, um etwa überzeugender zu wirken. Wenn wir etwas sagen, es aber nicht so meinen, beispielsweise aus Angst die Wahrheit verschweigen, um zu gefallen oder zu manipulieren, dann belügen wir andere und auch uns selbst. Sind wir dagegen tief mit Gott, uns selbst und unseren Geschwistern verbunden, bemühen wir uns auch um Wahrhaftigkeit im Reden. Dann ist ein „Ja“ wirklich ein „Ja“ – kein „Jein“, „Ja, aber“ oder ein verstecktes Nein. Dasselbe gilt auch für das „Nein“.

Um jedoch klare, konsequente Entscheidungen treffen zu können und im Einklang mit dem Willen Gottes, unserer Seele und unseren Herzenswünschen zu leben, braucht es vor allem Selbsterkenntnis, Selbstreflexion, Ehrlichkeit, Mut, Bewusstheit und Präsenz.

Um uns selbst zu erkennen, müssen wir unsere Bedürfnisse, Wünsche und Träume, aber auch unsere Ängste, übernommenen Muster, Glaubenssätze und Programmierungen kennen oder erkennen. Dazu ist regelmäßige Stille nötig, um die Stimme unseres Herzen zu hören. Denn in unserem Herzen wohnt Gott. Außerdem hat unser Herz ein eigenes Gehirn und sendet sehr viel mehr Botschaften an das Gehirn als umgekehrt. Unser Herz ist also das Navigationssystem für unseren irdischen Weg als Abbild Gottes. Wenn wir in der Stille ehrlich und mutig uns selbst reflektieren, wird unsere Bewusstheit täglich wachsen. Dann gehen wir aufmerksamer und präsenter durchs Leben, unser Denken, Reden und Handeln wird immer wahrhaftiger, weil wir aus dem Herzen, aus der Liebe heraus leben.

Jesus hat uns auf vielerlei Weise in einfachen Worten, Bildern und Gleichnissen gezeigt, dass das Himmelreich in uns ist und wir es auch im Außen erschaffen können, indem wir seinem Beispiel folgen. Seien wir wahrhaftig in unseren Worten – gerade jetzt in Zeiten unzähliger Fake-News – und bezeugen sie durch ent-sprechendes und be-herztes Handeln.
Amen.
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1 Das Liebesgebot ist kein Doppelgebot, sondern ein Dreifachgebot. Mehr dazu in meiner Predigt „Die drei Dimensionen der Liebe“
http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=6141

2 Forschungen über das Energiefeld des Herzens
http://www.heartmathdeutschland.de

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