Werden wie Gott uns gedacht hat – Hochfest Allerheiligen

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
1 Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger und Jüngerinnen traten zu ihm.
2 Dann begann er zu reden und lehrte sie.
3 Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; / denn ihnen gehört das Himmelreich.
4 Selig die Trauernden; / denn sie werden getröstet werden.
5 Selig, die keine Gewalt anwenden; / denn sie werden das Land erben.
6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; / denn sie werden satt werden.
7 Selig die Barmherzigen; / denn sie werden Erbarmen finden.
8 Selig, die ein reines Herz haben; / denn sie werden Gott schauen.
9 Selig, die Frieden stiften; / denn sie werden Töchter und Söhne Gottes genannt werden.
10 Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; / denn ihnen gehört das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
12 Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.

Autorin:
Sabine Mader 2Sabine Mader, Pastoralreferentin in Esslingen, verheiratet, zwei Kinder,
Mitglied im Diözesanrat, Delegierte bei der Auftaktveranstaltung zum Dialogprozess der Deutschen Bischofskonferenz

 
Die Predigt:
Werden wie Gott uns gedacht hat

Liebe Leserinnen und Leser!
Wie geht es Ihnen mit dem Wort heilig? Heilig zu sein, war in meiner Jugend eher ein Schimpfwort. „Der ist vielleicht heilig!“ verächtlich ausgesprochen, bedeutete vieles: Spaßbremse, Besserwisser zu sein, jemand, der die Einhaltung der Regeln über alles andere stellt. Wie oft musste und muss ich mir auch heute noch anhören: Du – gemeint ist: als kirchliche Mitarbeiterin – bist ja gar nicht so heilig wie ich befürchtet habe.
Auch mit kirchlichen Heiligsprechungen tun sich heute viele Menschen schwer, scheint doch dabei das Urteil der Menschen über einen anderen Menschen das Maß aller Dinge zu sein. Heilige werden dabei zu oft so idealisiert, dass man hinter diesem Heiligkeitsanspruch den Menschen mit seinen Fehlern und Schwächen gar nicht mehr wahrnimmt. Man selber kommt sich daneben nur noch kleiner und fehlerhafter vor. Ist heilig zu sein also nur etwas für absolute Ausnahmegestalten oder ist es etwas, was jeder von uns anstreben kann? Gibt es einen zeitgemäßen Begriff der Heiligkeit, den wir als Ziel anstreben können?

Geht man von der Wortbedeutung aus, so hat Heil – also auch heilig – immer etwas mit ganz sein zu tun. Im Englischen wird das sehr deutlich – klingt doch in holy immer auch whole an.
Im Neuen Testament kommt stark auch noch die Bedeutung: heilig = von Gott berufen dazu. Der Heilige Geist ist Teil der Persönlichkeit Gottes, der das Heilige in den Menschen weckt. In ihnen kann Gottes Heil erfahrbar werden.
Gott bietet uns sein Heil an, damit wir heil werden, also so werden, wie er uns gedacht hat, damit wir immer mehr in uns finden können, was Gott uns Gutes will.
Es geht also bei Heiligkeit nicht um fromme Verrenkungen oder Selbstverleugnung, ja sogar Weltflucht. Nicht um ein Ausnahmeleben, das als Ziel jedem normalen Menschen zu hoch sein muss. Sondern es geht wohl eher darum, immer mehr zu sich selbst finden, immer mehr im Einklang mit sich selbst und damit auch Gott zu stehen. Heilig werden bedeutet, so zu werden wie Gott uns gedacht hat. Ein Jugendlicher hat es einmal so formuliert: ein Heiliger ist auch nur ein Mensch, aber ein Mensch, der immer wieder neu anfängt. Heilig zu sein könnte also auch heißen, trotz allem, was uns widerfährt, an der Positivität des Lebens fest zu halten. Darauf zu vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint. Darauf zu vertrauen, dass wir berufen sind, die Würde der Gotteskindschaft zu leben, immer wieder, entgegen allem, was uns immer wieder unheil macht.

Doch wie können wir immer wieder heil / heilig werden? Oder selig, wie ein anderes Wort diesen Zustand des vollendeten Heils nennt? Im Tagesevangelium zu Allerheiligen lesen wir die Seligpreisungen aus dem Matthäusevangelium – Jesus lehrte durch sie die Menschen, die ihm folgten. Ganz klar lesen wir, welches Verhalten, welche Einstellungen bei Gott ganz groß sind:
selig die arm sind vor Gott,
selig die Trauernden,
selig die keine Gewalt anwenden,
selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit,
selig die Barmherzigen,
selig, die ein reines Herz haben,
selig, die Frieden stiften,
selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden,
selig, die um Jesu Willen beschimpft und verfolgt werden.
Ganz anders hört sich das an, als uns die Gesellschaft heute unser gutes Auskommen versprechen will. Es ist keine Botschaft an die Starken dieser Welt, die glauben, alles aus eigener Kraft tun zu können. Es ist vielmehr eine Botschaft der Zuversicht an all die, die sich täglich neu ausliefern an das Leben, wie es wirklich ist. Die nicht nur an sich selbst denken sondern voll Kraft und Hoffnung anderen Menschen beistehen und ihnen voll Liebe begegnen. Es ist auch eine Botschaft der Zuversicht an all die, denen das Leben übel mitspielt. Die für ihre Überzeugungen verlacht, verspottet und verfolgt werden. Selig sind die, die auf Gott blickend alles von ihm erwarten und nicht von den Menschen kurzfristige Antworten wie Macht, Wohlstand und Ansehen. Selig sind die, die daran glauben, dass von Gott alles kommt: das Himmelreich, Trost, Satt – Sein, Erbarmen,…
Kardinal Schönborn hat einmal gesagt: wir Menschen sehnen uns nicht mehr nach dem Himmel, wir haben vergessen, dass wir Pilger sind. Mehr noch: Im Kampf gegen die Weltflucht und die Jenseitsvertröstung haben wir den Himmel verloren. Wir sind hier auf Erden nur all zu oft satt und zufrieden. Aber schenken kann man nur Menschen, die sich noch etwas wünschen. Weiterentwickeln können sich nur Menschen, die noch von einer Sehnsucht nach tieferen Erfahrungen getrieben werden.

So ist die Bergpredigt neben aller Vision der Zuversicht für alle, die Trost brauchen, für mich immer auch eine Mahnung an all die, die satt und zufrieden geworden sind, die gelernt haben, mit der Ungerechtigkeit zu leben, obwohl es den Menschen neben ihnen immer noch nicht gut geht. Heil werden kann man nicht alleine, es braucht immer auch das Heil der Menschen um einen herum. Viele Vorbilder fallen mir dabei ein, Menschen, die sich unermüdlich für andere einsetzen.
Heilig zu sein bedeutet also, ein anderes Leben zu führen als das bequeme. Und Heilige sind Menschen, die den Mut haben, anders zu sein, die sich nicht anpassen an den Zeitgeist. Es sind Menschen, die sich ganz auf Gott einlassen, weil sie daran glauben, dass sie ihren Lohn von Gott bekommen und nicht durch die Zustimmung der Menschen.

Wenn wir heute gemeinsam das Fest Allerheiligen feiern, dann soll es uns ermutigen, unseren Weg zur Heiligkeit zu gehen. Es soll uns Kraft geben, uns immer wieder danach zu sehnen, heil zu werden an Leib und Seele. Es soll denen, die scheinbar keine Zukunft haben, eine ganz andere Zukunft verheißen. Und es soll uns die Botschaft feiern lassen: Gott wirkt, auch wenn wir mutlos geworden sind. Nur wer sich ganz auf Gott einlässt, der wird verändert.
Vielleicht steckt in den Verspottungen der Heiligen meiner Jugend doch viel mehr Wahrheit als angenommen. Wir Christen und Christinnen haben wirklich die Bestimmung, anders zu sein. Denn nur wer sich täglich bemüht, Heil zu bringen, wird den Lohn Gottes erhalten.

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 61 = 66

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>