Rechtzeitig zur Quelle gehen – 32. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 25
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern und Jüngerinnen das folgende Gleichnis:
1 Mit dem Himmelreich wird es sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen.
2 Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.
3 Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl,
4 die klugen aber nahmen außer den Lampen noch Öl in Krügen mit.
5 Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein.
6 Mitten in der Nacht aber hörte man plötzlich laute Rufe: Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!
7 Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht.
8 Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus.
9 Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es weder für uns noch für euch; geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht.
10 Während sie noch unterwegs waren, um das Öl zu kaufen, kam der Bräutigam; die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen.
11 Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf!
12 Er aber antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
13 Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.

Autorin:
Gaby Bungartz 001
Gaby Bungartz, Pastoralreferentin in einer Seelsorgeeinheit im Allgäu, Sozialpädagogin, Supervisorin (DGSv)

 
Die Predigt:
Rechtzeitig zur Quelle gehen

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ –Vom russischen Politiker Michail Gorbatschow einst im Zusammenhang von Perestroika und Glasnost, kurz vor dem Ende der sowjetischen Großmacht, gesagt, ist dieser sein Ausspruch längst zu einem geflügelten Wort geworden.

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ – diese Lebensweisheit hätte – zumindest auf unser heutiges Gleichnis bezogen – auch von Jesus stammen können. Kein Wunder also, dass das Gleichnis mit einem Appell zur Wachsamkeit schließt: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“.

Doch: wachsam worauf? – Einige Kapitel vorher im Matthäus-Evangelium werden wir Christinnen und Christen als das Licht der Welt bezeichnet. Dieses Wort ist mir eingefallen beim Lesen des heutigen Gleichnisses. Wie sollen wir Christinnen und Christen Licht der Welt sein, wenn uns, wie den törichten Jungfrauen, der Nachschub, das Öl ausgeht??? –

Vielen Menschen engagieren sich innerhalb und außerhalb der Kirche für die Sache Jesu und trotzdem nehmen wir in unserer Gesellschaft oftmals nur eine geringe Strahlkraft der Botschaft Jesu wahr. Viele, vor allem Frauen, setzen sich für andere Menschen ein, bis an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit und oft auch darüber hinaus. Viele Engagierte bekommen beinahe ein schlechtes Gewissen, wenn sie einmal „nein“ sagen müssen. Und doch: trotz eines solchen großen Engagements ist die Ausstrahlung christlicher Gemeinden, der Kirchen, eher blass.

Kann es sein, dass das Licht des Glaubens so wenig leuchtet, weil es vielen von den Engagierten, den Frauen und Männern in den Gemeinden so geht wie den törichten Jungfrauen mit ihren Lampen: sie, die Menschen, sind (fast) ausgebrannt und können oft nicht mehr? –

Der Appell zur Wachsamkeit, den wir im Evangelium hören, könnte dann heißen, dass ich aufmerksam werde auch für das eigene Leben – dass ich darauf achte, dass ich rechtzeitig zur Quelle gehe, auftanke, nachfülle, für mich sorge, damit genügend Licht in der Lampe ist, damit ich das Ausbrennen, den burn-out, vermeiden kann.

Jesus erzählt dieses Gleichnis als Gleichnis vom Himmelreich. Und wie wir wissen, hat Jesus sich in seinem Handeln immer danach ausgerichtet, dass die Menschen schon hier auf Erden etwas vom Himmel spüren, dass auch vor dem Tod schon Leben, erfülltes Leben spürbar und erfahrbar wird.

Spürbares Leben gibt es aber nicht dort, wo Menschen ausgebrannt sind. Bis wir wieder aufgetankt und an der Quelle nachgeschöpft haben, versäumen wir Entscheidendes vom Leben – „die Tür wurde zugeschlossen“, „ich kenne euch nicht“ – oder auf neudeutsch: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.
Vielleicht kann dieses Gleichnis uns gerade jetzt in diesen Novembertagen etwas sagen: vielerorts, in vielen Geschäften und anderswo, herrscht bereits Weihnachtsrummel. Und viele Menschen, denken wir etwa an Verkäuferinnen, aber auch Mütter und viele andere, sind in der kommenden Zeit mehr als sonst gefordert, haben die ganze Zeit bis zum und im Advent selber Hektik, bis sie am Weihnachtsfest selbst ausgepowert und ausgebrannt sind.

Lassen wir uns also vom Evangelium mahnen: Nicht vergessen, rechtzeitig aus den Quellen zu schöpfen, damit unser Licht leuchten kann, wenn es darauf ankommt. Amen.

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2 Antworten auf Rechtzeitig zur Quelle gehen – 32. Sonntag im Jahreskreis A

  1. W. sagt:

    Nicht vergessen, rechtzeitig aus den Quellen zu schöpfen, damit unser Licht leuchten kann, wenn es darauf ankommt.
    Dem Satz kann ich zu stimmen, aber das sagt sich so schnell.
    Anruf des Pfarrers: „Ich bin morgen alleine, keiner vom Seelsorgeteam ist da. Ich habe schon viele vergeblich angerufen. Können Sie mir aushelfen?“
    Dabei bräuchte ich diesen freien Tag so notwendig, um aufzutanken für die kommende Woche. Wer sagt mir aber, ob dies vielleicht der Augenblick ist, wo es darauf ankommt, dass ich aushelfe oder ob dieser Tag mir das rechtzeitige Schöpfen aus den Quellen ermöglichen sollte, damit mein Licht besser leuchten kann?

  2. U. sagt:

    Eine für mich ganz neue Betrachtung dieses Evangeliums. Die Auslegung passt wunderbar auf meine derzeitige Situation. Ich merke, wie das Licht meiner Lampe immer schwächer wird. Wenn ich es nicht schaffe, rechtzeitig sie nachzufüllen (auch gegen die Erwartung mir nahestehender Menschen, die ich nicht im Stich lassen möchte), wird sie bald gar nicht mehr leuchten.

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