Gott als Vater und Mutter – 31. Sonntag im Jahreskreis A

Erste Lesung aus dem Buch Maleachi, Kapitel 1 – 2
14b Denn ein großer König bin ich, / spricht der Herr der Heere, / und mein Name ist bei den Völkern gefürchtet.
1 Jetzt ergeht über euch dieser Beschluss, ihr Priester:
2 Wenn ihr nicht hört / und nicht von Herzen darauf bedacht seid, meinen Namen in Ehren zu halten / – spricht der Herr der Heere -, dann schleudere ich meinen Fluch gegen euch / und verfluche den Segen, der auf euch ruht, ja, ich verfluche ihn, / weil ihr nicht von Herzen darauf bedacht seid.
8 Ihr aber, ihr seid abgewichen vom Weg / und habt viele zu Fall gebracht durch eure Belehrung; ihr habt den Bund Levis zunichte gemacht, / spricht der Herr der Heere.
9 Darum mache ich euch verächtlich / und erniedrige euch vor dem ganzen Volk, weil ihr euch nicht an meine Wege haltet / und auf die Person seht bei der Belehrung.
10 Haben wir nicht alle denselben Vater? / Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen? Warum handeln wir dann treulos, / einer gegen den andern, / und entweihen den Bund unserer Väter?

Die Psalmen, Kapitel 131
1 [Ein Wallfahrtslied.] Herr, mein Herz ist nicht stolz, / nicht hochmütig blicken meine Augen. Ich gehe nicht um mit Dingen, / die mir zu wunderbar und zu hoch sind.
2 Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; / wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir.
3 Israel, harre auf den Herrn / von nun an bis in Ewigkeit!

Zweite Lesung aus dem ersten Brief an die Thessalonicher, Kapitel 2
7b Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt,
8 so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden.
9 Ihr erinnert euch, Schwestern und Brüder, wie wir uns gemüht und geplagt haben. Bei Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen, und haben euch so das Evangelium Gottes verkündet.
13 Darum danken wir Gott unablässig dafür, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern – was es in Wahrheit ist – als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam.

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 23
1 In jener Zeit wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger und Jüngerinnen
2 und sagte: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt.
3 Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen.
4 Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen.
5 Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang,
6 bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben,
7 und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen und von den Leuten Rabbi nennen.
8 Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Schwestern und Brüder.
9 Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.
10 Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus.
11 Der Größte von euch soll euer Diener sein.
12 Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

zu Psalm 131

Autorin:
Walburga_Rüttenauer-Rest2009
Walburga Rüttenauer – Rest,
Bensberg, verheiratet, drei Kinder
Grundschullehrerin, nach der Pensionierung Ausbildungskurs zum
Diakonat der Frau, diakonische und liturgische Aufgaben in der Pfarreigemeinde, Geistliche Begleiterin der KFD im Dekanat Bergisch Gladbach

 
Die Predigt:
Gott als Vater und Mutter

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Als Bindeglied zwischen den drei Lesungstexten des heutigen Sonntags steht der Antwortpsalm, der früher Graduale genannt wurde: der Psalm 131.
Der Antwortpsalm ist der Psalm der Messe, denn er soll als eigenständiges Element der Liturgie die Aufmerksamkeit der Gemeinde auf sich ziehen und wird deshalb auch vom Ambo aus gesungen.
Früher stellte er einen musikalischen Höhepunkt im Wortgottesdienst dar. Heute wird er oft durch ein Gemeindelied ersetzt. Schade, denn er hat eine sehr wichtige Funktion: Er verbindet die oft sehr unterschiedlichen Inhalte der Lesungstexte, eingeschlossen das Evangelium, durch einen gemeinsamen zentralen Gedanken.
Der Antwortpsalm an diesem Sonntag ist der zweitkürzeste Psalm in Buch der Psalmen, doch er ist von großer Bedeutung für das biblische Gottesbild

Psalm 131

Herr, mein Herz ist nicht stolz, /
nicht hochmütig blicken meine Augen.

Ich gehe nicht um mit Dingen, /
die mir zu wunderbar und zu hoch sind.

Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; /
wie ein gestilltes Kind bei der Mutter
ist meine Seele still in mir.

Israel, harre auf den Herrn
von nun an bis in Ewigkeit!

Eine längere Zeit in meinem Leben habe ich sonntags nachmittags Psalmverse meditiert, indem ich sie malte. So ist dieses Bild entstanden. Damals wusste ich nichts von der Bedeutung dieses Psalms.
Er hatte mich als Mutter dreier Kinder einfach berührt. Die Erinnerung an die wohltuende Stille, die einsetzte, wenn das schreiende Kind an die Brust gelegt wurde und später dann gesättigt im meinem Schoß einschlief, ist wohl eine der glücklichsten Augenblicke meines Lebens.
Als dieser Psalm als Antwortpsalm an diesem Sonntag mir begegnete, beschloss ich, mich näher mit ihm zu befassen.
Der Sprecher und wahrscheinlich auch der Verfasser dieses Psalms ist eine Frau. Darin sind sich die meisten Exegeten einig.
„Wenige schlichte Sätze, aber von solcher Innigkeit und Wahrhaftigkeit, dass sie uns mehr dünken, als ein großes Gedicht“,
„eine Perle im Psalter, ein rührendes kleines Gedicht, das in wenigen schlichten Worten das Größte ausspricht, das höher ist als alle Vernunft und mehr sagt als viele Worte“.
So preisen einige Exegesen diesen kleinen Psalm.

Was ist es, dass die Theologen so in Begeisterung versetzt?
Zunächst fällt es auf, dass wir in diesem Psalm weder eine Bitte noch eine Klage finden. Er ist ein Gebet, denn Gott wird direkt angesprochen.
Doch sein Inhalt ist die Beschreibung des Zustandes einer tiefen Geborgenheit, eines großen Vertrauens dieser Beterin in Gott.
So wie das kleine Kind im Schoß der Mutter „seelen-ruhig“ schläft, nachdem sein Hunger gestillt wurde, so kann die Mutter, deren Augen gesenkt (..nicht hochmütig..) auf ihre geöffnete rechte Hand schauen, ohne Angst auf das warten, was Gott ihr in die Hände legen wird, was er mit ihr vor hat.
Ich habe beim Malen des Bildes versucht, ein Seelenkind – weniger einen Säugling – in den Schoß der Frau zu legen. Es hat wie die Mutter den Kopf leicht geneigt, doch seine Augen sind geschlossen. Es ruht in sich und gleichzeitig im Schoß der Mutter. Dieses Bild hält die Beterin Gott vor Augen.
Sie(Gott) wird verstehen, was sie damit aussagen will. Denn Gott ist für sie wie eine stillende Mutter, bei der wir, unseren Lebenshunger gestillt, zufrieden ausruhen können, still und ruhig, wie es im Psalm heißt.

Was bedeutet es nun, dass dieser kleine Psalm zwischen den Lesungstexten steht?
In der ersten, der alttestamentlichen Lesung begegnet uns ein strenges Gottesbild, ein Gott der zurechtweist, ein Herr der Heere, der sein Volk strafen will, weil es seinen Namen durch sein Verhalten entehrt hat, obwohl alle im Volk Gott zum Vater haben.
In der zweiten Lesung, aus dem ältesten, also ersten Brief des Apostels Paulus, dem Brief an die Thessalonicher, kennzeichnet Paulus seine Art das Evangelium zu verkündigen mit der Sorge einer Mutter für ihre Kinder und freut sich darüber, dass seine Zuhörer das Gotteswort aufgenommen haben und in sich wirken lassen.
Im Evangelium schließlich fordert Jesus seine Zuhörer auf, das Wort „Vater“ allein für den Vater im Himmel zu gebrauchen.
Die Liturgiekommission, die nach dem 2. Vatikanischen Konzil die Texte für die Liturgiereform zusammengestellt haben, hat keine Begründung für ihre Auswahl hinterlassen.
So kann ich nur eine Vermutung anstellen.
Die Bezeichnung Vater für Gott scheint Ehrerbietung und Unterwerfung Gott gegenüber zu fordern.
Sobald ich aber Gott als Mutter sehe, fällt es leicht, nicht hochmütig und stolz zu sein. Ihr Wort wirkt wie eine Hunger stillende Nahrung für meine kleine schreiende Seele.

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Hinweis: mit einem Klick auf das Bild lässt es sich genauer betrachten.

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2 Antworten auf Gott als Vater und Mutter – 31. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Maria Sinz sagt:

    Danke für diese in den Kontext gestellte Predigt. Und für das Verweben mit Lebenserfahrung.

  2. Ingrid Bös sagt:

    Lang in Krisenzeiten habe ich diesen Psalm verinnerlich und als Lebensweisheit gelebt und ich bin bis heute darin gesegnet. Danke Ihnen

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