Auf der Suche nach Gott – 2. Sonntag im Jahreskreis B

Neue Einheitsübersetzung
Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 1
In jener Zeit
35 stand Johannes am Jordan, wo er taufte, und zwei seiner Jünger standen bei ihm.
36 Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!
37 Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.
38 Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du?
39 Er antwortete: Kommt und seht! Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde.
40 Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer der beiden, die das Wort des Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren.
41 Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden – das heißt übersetzt: Christus.
42 Er führte ihn zu Jesus. Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen, das bedeutet: Petrus, Fels.

Autorin:
Susanne-WalterSusanne Walter, Gemeindereferentin in Filderstadt, verheiratet, vier Kinder

 
Die Predigt:
Auf der Suche nach Gott

Liebe Leserin, lieber Leser,
 
Was wollt ihr? Diese Frage stellt Jesus heute den Jüngern des Johannes, die Jesus gefolgt sind.
 Was wollt ihr? Das sind die ersten Worte, die Jesus überhaupt im Johannesevangelium spricht.
Er beginnt nicht mit einer großartigen Rede oder einem Gleichnis.
Nein, Jesus beginnt mit einer Frage.
Er interessiert sich für die beiden Menschen, die ihm gefolgt sind.
Er interessiert sich für das was sie denken, wollen, fühlen, suchen.
Er schenkt ihnen Beachtung und kommt mit ihnen ins Gespräch.
Aber, er erzählt nicht, sondern fragt, er hört zu, will sie zu Wort kommen lassen.
 
Diese Szene spielt sich unmittelbar nach der Taufe Jesu am Jordan ab. Wir können davon ausgehen, dass Johannes und Jesus nicht alleine da waren, denn viele Menschen waren zu Johannes gepilgert, um sich von ihm taufen zu lassen. Es sind Menschen auf der Suche, auf der Suche nach Gott und einem erfüllten Leben. Viele werden als Jünger des Johannes bezeichnet.
 
Zwei dieser Jünger des Johannes gehen wohl nach der Taufe spontan Jesus hinterher. Sie haben offensichtlich noch nicht gefunden, was sie gesucht haben. Jesus bemerkt sie, wendet sich um – also ihnen zu –  und stellt ihnen eine Frage. Er will nicht, dass die beiden Jünger ihm einfach so hinterherlaufen. Er bringt sie zum Nachdenken: Was wollt ihr?

Versetzen Sie sich einmal in die Situation der beiden Jünger. Was würden Sie auf die Frage, was willst du?, antworten? Was wollen Sie – momentan, in ihrem Leben, für ihren Glauben?
 
Sie merken sicher, eine Antwort darauf ist gar nicht so einfach, kann nicht schnell beantwortet werden. Den beiden Jünger geht es ähnlich. Aber – würden Sie sagen, was die beiden Jünger antworten: Wo wohnst du? Vielleicht sind sich die beiden selbst nicht im Klaren, was sie eigentlich von Jesus wollen.
 
Wo wohnst du?
Das ist mehr als nur eine Frage nach dem Wohnort von Jesus. Eigentlich möchten sie wissen, wer dieser Jesus ist, was ihn ausmacht. Es ist mehr die Frage nach einem Ort, an dem man leben kann, nicht nur wohnen.
 
Vom Möbelhaus Ikea gibt es den Werbeslogan: „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ Und natürlich will das Möbelgeschäft seinen Kunden vermitteln, dass eine Wohnung mehr ist als nur der Ort um freie Zeit zu verbringen. Sie möchten mit ihren Möbeln einen Ort anbieten, an dem man sich erst richtig wohlfühlen und angenehm leben kann.
 
In eine ähnliche Richtung zielt die Frage der beiden Jünger. Doch geht es sicher nicht um den Wohnort von Jesus und die richtige Ausstattung seines Hauses. Es geht um keine Adresse. Im Evangelium wird auch nicht berichtet, wo dieser Ort ist, und das ist auch gar nicht wichtig. Wir können auch davon ausgehen, dass Jesus kein eigenes Haus hatte, da er als Wanderprediger unterwegs war. Er selbst sagt über sich: Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, doch der Menschensohn hat keinen Platz wo er sein Haupt hinlegen kann. (Mt 8,20).
 
Um was geht es dann?
Eine Spur kann noch einmal die Frage ganz am Anfang sein: Was wollt ihr? Genauer übersetzt müsste es heißen, was sucht ihr? 
Jesus bemerkt offensichtlich, dass die beiden Männer auf der Suche sind. Bei Johannes haben sie nicht das gefunden, was sie gesucht haben.
 
Jesus lädt sie einfach ein:
Kommt uns seht
Kommt und seht – keine Erklärung, keine Wegbeschreibung, einfach eine Einladung mitzukommen.
Jesus lädt ein.
Die Jünger sollen selber sehen, erleben, wo und wie er lebt.
Er erzählt nicht über sich, sein Leben, seine Mission, seinen Glauben …
Er lädt sie ein, an seinem Leben teilzuhaben, mit ihm zu leben.
 
Diese Stunde wird für die Jünger zur Sternstunde. Sie bleiben bei ihm.
 
Wir wüssten sicher gerne, was sie gesprochen und erlebt haben um jene zehnte Stunde, aber das wird nicht berichtet. Da muss jeder von uns sein persönliches Gespräch mit Jesus führen. Ein Gespräch mit Jesus braucht Zeit, es kann nicht zwischen Tür und Angel geschehen.
 
Im Evangelium wird von der zehnten Stunde gesprochen.
Es ist die Zeit des Wechsels vom Tag zur Nacht, bzw. zum nächsten Tag.
Es ist die Stunde der Wende und Vollendung.
Genau das geschieht auch für die beiden Jünger.
Es wendet sich etwas in ihrem Leben.
Sie haben gesucht und gefunden!
Jesus hat sie eingeladen, mit ihm zu gehen und zu leben, zu er-leben, wer er ist und was er tut.
Sie bleiben.
 
Von einem der beiden, Andreas, wird berichtet, dass er später zu seinem Bruder Simon läuft und ihm erzählt, wen er gefunden hat. Dieser lässt sich sofort anstecken und folgt Jesus ebenfalls. Vom anderen Jünger wird nicht berichtet, wie es weitergeht. Manche Theologen meinen, der Evangelist Johannes habe diesem bewusst keinen Namen gegeben. So kann jede und jeder von uns, seinen Namen in diesen kurzen Dialog einsetzen.
 
Was sucht ihr? Diese Frage taucht im Johannesevangelium immer wieder auf, zu Beginn und nach seiner Auferstehung.
 
Wir sind noch ziemlich am Anfang des neuen Jahres. Lassen wir uns von Jesus immer wieder fragen: was suchst Du? und folgen wir seiner Einladung: Komm und sieh! Was wir da wohl so alles erleben im Laufe dieses Jahres?

Zum Weiterdenken

augenblicke
begegnungen
die verändern
mich
meine art die dinge zu sehen

augenblicke
begegnungen
die lehren zu lieben
mich
den anderen
die welt

augenblicke
begegnungen
die helfen neu anzufassen
einem der nicht mehr wollte
in einer welt in der niemand mehr etwas erwartet

augenblicke
begegnungen
die unendlich kostbar sind
für mich
für jeden von uns
für alles was ist

– Bernhard Rathmer –
 


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4 Antworten auf Auf der Suche nach Gott – 2. Sonntag im Jahreskreis B

  1. walter sagt:

    Siechtum und Suchen…

    der Mensch, ein von seinem Schöpfer Vertriebener und zum Leid Verfluchter… ?
    Es ist die Erinnerung an das Paradies ( im Mutterleib ), welche die Hoffnung speist – und die Enttäuschung über das „danach“…
    Die existenzielle Unsicherheit und die Gier der Siechen befeuern die „Versuchbarkeit“ nach dem immer Mehr-Höher-Weiter.
    Vielleicht ist es gut, dass die biblischen Chronisten Gott keinen „Wohnort“ zuweisen :
    Er lässt sich überall suchen und überall finden…

  2. Maria sagt:

    Wohnen. Daheim sein. Gerade in Begegnungen.Geborgenheit und Freiheit. Vielen Dank für diese Predigt.

  3. lydia sagt:

    Eine Predigt, die aufatmen lässt, anregt, wohl tut; danke für diese Predigt am Beginn von 2018

  4. Jannik sagt:

    Was wollt ihr? Sich selbst im Klaren sein wonach es einem verlangt. In sich hinein horchen. Ankommen.
    Sehr schöne Predigt

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