Im Anfang war die Liebe – Hochfest von der Geburt des Herrn

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 1
1 Im Anfang war das Wort, /
und das Wort war bei Gott, /
und das Wort war Gott.
2 Im Anfang war es bei Gott.
3 Alles ist durch das Wort geworden /
und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
4 In ihm war das Leben /
und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht leuchtet in der Finsternis /
und die Finsternis hat es nicht erfasst.
9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, /
kam in die Welt.
10 Er war in der Welt /
und die Welt ist durch ihn geworden, /
aber die Welt erkannte ihn nicht.
11 Er kam in sein Eigentum, /
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Allen aber, die ihn aufnahmen, /
gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, /
allen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus dem Blut, /
nicht aus dem Willen des Fleisches, /
nicht aus dem Willen des Mannes, /
sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden /
und hat unter uns gewohnt /
und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, /
die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, /
voll Gnade und Wahrheit.

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Autorin:
Sigrid Haas, Diplomtheologin, Mannheim

 
Die Predigt:
Im Anfang war die Liebe

Liebe Leserin, lieber Leser,
Im Anfang war die Liebe, und die Liebe war bei Gott, und die Liebe war Gott. Alles ist durch die Liebe geworden. Und ohne die Liebe wurde nichts, was geworden ist. So könnten wir heute diesen Text übersetzen. Denn Gott ist Liebe und hat die Welt aus Liebe erschaffen. Die Liebe ist der Anfang von allem, die Quelle allen Sein, allen Lebens. Sie verbindet alles und alle miteinander. Gott ist DAS Wort und dieses fleischgewordene Wort ist LIEBE.

Die Macht der Liebe und der Worte haben wir alle in irgendeiner Form schon häufig erfahren – Himmel und Hölle liegen ganz nahe beieinander. Beide können unser Leben grundlegend verändern – positiv oder negativ. Einige Aspekte wollen wir näher betrachten.

Menschliche Liebe

Waren Sie schon einmal verliebt? Höchstwahrscheinlich. Wurde Ihre Liebe erwidert, war es der Himmel auf Erden! Sie waren glücklich, voller Energie, hatten leuchtende Augen, haben viel gelacht, einander vertraut, sich liebevoll angeschaut, zärtlich berührt, Liebesworte gesagt, vor Sehnsucht nacheinander verzehrt, Sie hätten alles füreinander getan und gemeinsam jedes Hindernis überwunden. Durch die Liebe ändert sich das ganze Leben, manchmal heilt sie auch.

Leider entwickelt sich aber Verliebtsein nicht immer zu tiefer Liebe oder die Beziehung zerbricht. Möglicherweise blieb Ihre Liebe auch unerwidert und Sie haben Höllenqualen gelitten. Oder Sie wurden verlassen und haben vielleicht sogar Hassgefühle empfunden. Menschliche Liebe kann sehr zerbrechlich und begrenzt sein.

Göttliche Liebe

Die Erfahrung, zu lieben und geliebt zu werden, ist die tiefste, die wir machen können, weil Liebe unser aller Ursehnsucht ist. Liebe ist beglückend, wenn sie gegenseitig und dauerhaft ist, zerstörend, wenn sie zurückgewiesen wird oder erlischt. Von dem, der uns liebt und niemals zurückweist, aber selbst oft zurückgewiesen wurde, davon erzählt der Hymnus im Johannesprolog. Gott sagt uns durch Jesus, das fleischgewordene Wort: „Ich liebe dich! Deshalb bin ich Mensch geworden, begegne dir auf Augenhöhe, bin dein Bruder und Freund. Ich liebe dich, egal, was du tust, ich verlasse dich niemals!“ Es gibt keine Trennung mehr zwischen Gott und uns.

Worte erschaffen Realität

Die Quantenphysik sagt: Das ganze Universum ist Energie und Schwingung, auch Worte, Gedanken und Gefühle. Durch sie erschaffen wir unsere Realität, je nach unseren Erfahrungen, Glaubenssätzen, Programmierungen und Konditionierungen. Sind wir von Liebe erfüllt, erzeugen wir Verbundenheit, Fülle, Frieden, Licht- und Freudvolles, werden wir jedoch von Angst beherrscht, gebären wir Trennung, Disharmonie, Mangel, Gewalt und Zerstörung. Leider sind wir uns dessen normalerweise nicht bewusst.

Worte können ermutigen, trösten und auch heilen, beispielsweise wenn wir nach einem Streit sagen „Es tut mir leid, verzeih mir“. Im Bewusstsein der All-Verbundenheit gibt es in Afrika ein schönes Ritual. Hat jemand etwas Böses getan, stellt sich die Gemeinschaft um die Person herum und sagt ihr zwei Tage alles, was sie je Gutes getan hat, damit sie sich wieder erinnert, dass jeder Mensch als gut erschaffen wurde. Der „Worthygieniker“ Jochen Bauer praktiziert so genannte Nicht-Worte, also z.B. Nicht-Frieden statt Krieg. Da „nicht“ das bezeichnet, was nicht existent ist, wird dadurch die Energie des Friedens aktiviert.

Die zerstörerische Kraft von Worten ist uns meist vertrauter. Etwa wenn wir als unfolgsames Kind hören mussten „Du bist ein böses Kind“ und dann aus Angst alles taten, um den Eltern zu gefallen, oft noch als Erwachsene. Oder wenn wir hoffnungsvoll auf ein „Ja“ gewartet haben, etwa bei der Bewerbung für unseren Traumjob oder bei einem Heiratsantrag. Lautete die Antwort „Nein“, waren wir traurig, frustriert, verzweifelt, wütend. In Sekundenschnelle erschuf ein einziges Wort, das eine negative Gefühlsflut auslöste, eine völlig andere Realität – unsere Welt brach zusammen, manchmal sogar das ganze Leben. Ebenso wirken Lügen und gebrochene Versprechen. Sind unsere Worte im Widerspruch mit unseren Gedanken und Gefühlen, entsteht in uns Spaltung. Ob unsere Worte wahr sind und aus dem Herzen kommen, verrät ohnehin unsere Körpersprache – Stimme, Augen- und Mundausdruck, Hand- und Fußbewegungen, Körperhaltung.

Jesus will in uns Mensch werden

Liebe braucht ein Gegenüber, um in Dialog zu gehen, Worte sind ein Kommunikationsmittel. Jede Liebesbeziehung braucht jedoch ein klares Ja zueinander. Weihnachten ist deshalb ein Fest der Entscheidung. Gott will auch in uns Mensch werden, damit wir, genährt von der göttlichen Liebe, ein Licht für die Welt werden. Sind wir bereit, wie das Jesuskind nackt und verletzbar zu sein, damit wir Liebe geben, aber auch empfangen können von den Menschen, die Gott uns schenkt? Oder tragen wir Masken, werden von Ängsten beherrscht, verschließen unser Herz und bauen Schutzmauern?

Jesus kann nur in denen Mensch werden, die tun, was ihr Herz sagt, und die es ihm und den Menschen öffnen. Denn nur dann findet Jesus eine würdige Wohnung, durch dessen Fenster die göttliche Liebe in die Dunkelheit der Welt strahlen kann. Da Jesus als wahrer Mensch sterblich war, wirkt er seitdem durch uns. Ein Mensch, der uns tröstet, umarmt, zärtlich anschaut, verzeiht, uns auch mal den Balken im eigenen Auge zeigt, um uns liebevoll auf den rechten Weg zurückzubringen, durch diesen Menschen sagt Gott zu uns „Ich liebe dich und bin bei dir.“ Seien wir solch ein Mensch für andere, werden wir wahrhafte Menschen, leben wir unsere göttliche Schöpfungsmacht in würdiger Weise. Dann wird auch durch uns das Wort Fleisch, denn unsere wahre Natur ist Liebe.
Amen.

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