Vom Hören und Tun – 26. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 21
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes:
28 „Wie denkt ihr über folgenden Fall? Ein Mann hatte zwei Kinder. Er kam zum ersten und sagte: Mein Kind, geh´ heute und arbeite im Weinberg.
29 Der Junge antwortete: Ich will nicht. Später tat es ihm leid und er ging.
30 Der Vater kam zum zweiten und sprach genauso. Dieser Junge antwortete: Ja, Herr, aber er ging nicht.
31 Wer von beiden hat den Willen des Vaters getan?“ Sie antworteten: „Das erste Kind.“ Jesus sagte zu ihnen: „Wahrhaftig, ich sage euch mit allem Ernst: Die Zöllner und die Prostituierten werden vor euch in Gottes Welt gelangen.
32 Johannes kam zu euch mit der Praxis der Gerechtigkeit und ihr habt ihm nicht geglaubt. Die Zöllner und die Prostituierten haben ihm geglaubt. Und ihr – obwohl ihr das gesehen habt – seid doch nicht umgekehrt, um ihm endlich doch zu glauben.

Autorin:
Angela Repka Angela Repka, Offenbach, Literaturübersetzerin, verheiratet, zwei Söhne, vier Enkelkinder, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Vom Hören und Tun

Liebe Leserin, lieber Leser,
das Gleichnis vom heutigen Sonntag fußt auf einer Alltagserfahrung, mit der wohl alle etwas anfangen können. Wer hätte mit Kindern noch nicht erlebt, dass auf die Aufforderung mitzuhelfen, aufzuräumen und so weiter, erst einmal ein „Nein“ kommt. Oder ein „Ja, gleich“ und dann passiert nichts. Oft folgen Ermahnungen oder auch Erklärungen, um das Kind zur Einsicht zu bringen, denn Gehorsam ist nicht mehr so selbstverständlich.

Vor einigen Jahrzehnten war das noch anders und zur Zeit Jesu erst recht. Ein „Nein“ gegenüber dem Oberhaupt der Familie erforderte einigen Mut. Das „Ja, Herr“ wurde erwartet, aber sicher gab es schon damals Möglichkeiten, sich an seinen Pflichten vorbei zu mogeln. Im Gleichnis Jesu gehören die Sympathien dem Neinsager, der erst Widerstand leistet, sich später besinnt und die aufgetragene Arbeit erledigt. Sein Beispiel ist wichtiger als das des Jasagers, weshalb er in der Septuaginta an erster Stelle genannt wird. Er soll als Vorbild dienen. Auch in der Bibel in gerechter Sprache kommt der widerspenstige Sohn zuerst, im Gegensatz zur alten Einheitsübersetzung und anderen Bibelausgaben, wo die Reihenfolge vertauscht wurde. Die Theologin Luise Schottroff interpretiert dies als Versuch, den alten Bund Gottes mit seinem auserwählten Volk abzuwerten und den Vorrang des neuen Bundes, also der Kirche, hervorzuheben.

Bei der Alltagserfahrung können wir jedenfalls nicht stehen bleiben. Das wird klar, wenn wir zurückblicken auf das 21. Kapitel des Matthäusevangeliums, aus dem das Gleichnis stammt. Dieses beginnt mit dem Einzug Jesu auf dem Rücken des Jungen einer Eselin, unter dem Jubel der begeisterten Volksmengen, die ihn für einen Propheten halten und zu ihm als Nachkomme König Davids um Hilfe rufen. Dann folgt die Szene im Tempel, wo Jesus, sich voll Zorn auf die Schrift berufend, die Tische der Händler und Geldwechsler umwirft: Mein Haus wird ein Haus des Gebetes genannt werden. Doch ihr habt daraus eine Räuberhöhle gemacht. Dann heilt er wieder Menschen, die ihn abermals als Nachkomme Davids laut um Hilfe anflehen, sehr zum Ärger der Hohenpriester und Toragelehrten, die ihn zur Rechenschaft ziehen wollen. Aber Jesus belehrt sie mit einem Schriftwort und lässt sie dann einfach stehen. Am nächsten Tag trifft er auf einen Feigenbaum, der keine Früchte trägt, mit denen er seinen Hunger stillen könnte. Voll Zorn lässt er den Baum verdorren. Dann geht er wieder in den Tempel, wo ihn die Hohenpriester und Ältesten des Volkes fragen, woher er seine Vollmacht nehme. Als sie seine Gegenfrage, woher die Taufe des Johannes stamme, vom Himmel oder von den Menschen, nicht beantworten, beantwortet auch er nicht auf ihre Frage nicht.

Der Text hat bis dahin eine rasante Dynamik entwickelt, die Stimmung ist aufgeheizt. Und in diese Situation hinein erzählt Jesus das auf den ersten Blick unscheinbare Gleichnis. Dabei geht es um alles, nämlich um das rechte Hören und Tun, eine Frage, die auch die Elite des jüdischen Volkes zur Zeit Jesu brennend interessiert. Von ihrer Beantwortung hängen ja letztlich auch ihre eigene Legitimation, ihre Stellung und ihr Einfluss ab. Da kommt so ein Niemand von irgendwoher, tut Wunder, wirft die schöne Ordnung um, in der sie sich eingerichtet haben, rührt das Volk auf, das ihn für einen Propheten und Heilsbringer im Namen Davids hält, und präsentiert ihnen – und uns – ein Gleichnis, das zur Entscheidung auffordert: Wollt ihr so weitermachen wie bisher und so tun als ob oder wollt ihr umkehren und das Rechte tun, wie es euch von Gott aufgetragen wurde? Zieht ihr Bequemlichkeit und Sicherheit vor oder seid ihr bereit, um den rechten Weg zu ringen?

Jesus will damals wie heute die Herzen der Menschen berühren, sie aus der Lethargie des Gewohnten herausreißen und ihnen Mut machen, nach seinem Vorbild aus ihrer Gottesbeziehung zu leben. Er weiß, wie schwer das ist, vor allem für jene, die sich für gerecht halten und glauben, sich nichts vorwerfen zu müssen. Es droht die Gefahr, dass ihre Gerechtigkeit zu einem Panzer der Selbstgerechtigkeit verhärtet, der schwer aufzuknacken ist. Eher sind Sünder, die im Gleichnis genannten Prostituierten und Zöllner, zur Umkehr bereit. Sie können – ähnlich dem Neinsager – ihre Fehler leichter erkennen und der Konfrontation mit sich selbst und den ungerechten Verhältnissen nicht so leicht ausweichen. In diesem Sinne empfiehlt Jesus, sich ein Beispiel an solchen Menschen zu nehmen.

Wer in diesem Rat nur eine Provokation sieht, wie damals die anwesenden Hohenpriester und Schriftgelehrten, hat Jesu Mission als Freudenbote Gottes nicht verstanden: Es geht um die Rettung aller, hier und jetzt, überall und zu allen Zeiten. Wir dürfen uns angesprochen fühlen.

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Eine Antwort auf Vom Hören und Tun – 26. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Walter sagt:

    Wut…
    vielleicht ist der Kontext des heutigen Evangelium garnicht s o verschieden vom heutigen…
    Gesetzeslehrer,Theologen, die Wasser predigen und mit den Mächtigen Wein saufen (Müller,Gänswein,Thurn u.Taxis,etc.)- und die Stimmung unter den umherirrenden Schafen
    “ entwickelt eine rasante Dynamik “ (AfD ?)…
    Erst Nein-Sagen und dann doch Tun entspringt einer unsäglichen Verlustangst.
    Die Wut dieser Grenzgänger könnte kalte Kirchenburgen in Oasen verwandeln…

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