Lioba, die Liebe Schenkende – zum Gedenktag am 28. September

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 15
In jener Zeit sprach Jesus:
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
6 Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.
7 Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.
8 Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger – und Jüngerinnen – werdet.
9 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!
10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.
11 Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.
12 Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.

Autorin:
Walburga_Rüttenauer-Rest2009Walburga Rüttenauer – Rest, Bensberg, verheiratet, drei Kinder, Grundschullehrerin, nach der Pensionierung Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische und liturgische Aufgaben in der Pfarreigemeinde

 
Die Predigt:
Lioba, die Liebe Schenkende

Liebe Leserin, lieber Leser,
am heutigen Tag feiert die Kirche die Heilige Lioba, Äbtissin von Tauberbischofsheim, auch Apostolin Germaniens genannt.

Warum habe ich eine Heilige ausgewählt, die vor mehr als tausend Jahren gelebt hat? Was kann sie heute uns noch sagen? Der Name Lioba bedeutet: die Liebe Schenkende. Es ist ihr Kosename, ihr eigentlicher Name ist nicht bekannt. Lioba, die Liebe Schenkende, passt gut zum heutigen Evangelium: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.

Lioba kam um 710 n Chr. zur Welt in Wessex, England. Mit 7 Jahren – für uns heute undenkbar – wurde sie in ein Benediktinerinnenkloster gebracht. Hier trat sie später als Schwester ein. Als junge Benediktinerin hatte sie einen Traum, den sie den Mitschwestern erzählte. Ihr träumte, dass ein roter Wollfaden aus ihrem Mund hing. Als sie ihn aus dem Mund ziehen wollte, wurde er immer länger. Eine Mitschwester deutete ihn so: Als die Liebe Schenkende würde sie immer mehr Liebe ohne Ende verschenken. Wie dieser rote Faden leuchtete in ihrem Leben immer wieder die Nächstenliebe auf. Eigentlich müsste jede Christin in ihrem Leben die Liebe aufleuchten lassen, als roter Faden in unserer Lebensgeschichte.

Das Fest der hl Lioba durfte ich zweimal im Altenberger Dom mit 400 KFD Frauen feiern(KFD = Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands). Jedes Mal habe ich die Geschichte vom roten Faden zum Thema gemacht. Doch dieses Mal blieb ich bei der Vorbereitung dieser Predigt an der dreimaligen Umbettung ihrer Leiche hängen. Die Antwort auf die Frage, warum das geschah, werde ich am Schluss meiner Predigt geben. Denn sie ist noch heute aktuell.

Als Lioba 20 Jahre alt war, bat Bonifatius in England um Hilfe bei seiner Missionsarbeit in Germanien. So kam Lioba, die bereits in einem regen Briefwechsel mit Bonifatius stand, mit anderen jungen Benediktinerinnen aufs Festland. Ohne die Hilfe dieser Schwestern wäre Bonifatius wahrscheinlich mit seiner Missionsarbeit gescheitert. Nur zu oft hatte er erlebt, dass die Germanen ins Heidentum und ihre alten Bräuchen zurückfielen. Mit seinen männlichen Predigten erreichte er diese Völker nur oberflächlich und schon gar nicht die Frauen. Er erhoffte sich durch das Wirken von christlichen Frauen eine Vertiefung des Glaubens bei den Germanen. Wäre das nicht auch heute einen Versuch wert?

Der 20 Jahre alten Lioba übertrug er die Leitung des neu gegründeten Frauenklosters in Tauberbischofsheim. Lioba sah es als ihre besondere Aufgabe an, das Vertrauen der Mädchen und Frauen im Umland zu gewinnen. Das ging nicht allein über das Wort, denn Sprachprobleme gab es damals wie heute. – Täglich erlebe ich diese Schwierigkeiten bei der Betreuung von Flüchtlingen. Mir wurde bald klar, dass ich wie Lioba nur im gemeinsamen Lernen und Tun die Frauen gewinnen kann.

Lioba brachte ihnen Lesen und Schreiben bei. Ihre Missionsarbeit bestand vor allem darin in jedem Menschen, auch den Ungebildeten oft Ungehobelten, Christus selbst zu sehen. Das vergessen wir oft bei unserer Caritasarbeit. – Wir erwarten Dankbarkeit und Anerkennung für unseren Einsatz und sprechen von Undank, wenn wir Bedürftigen etwas bringen und sie es nicht haben wollen. Uns fällt es schwer, anzunehmen, dass die Menschen aus fernen Ländern mit ihren Sitten und Gebräuchen unsere Kultur zunächst nur als fremd empfinden. Die Familie aus Afghanistan, die ich seit zwei Jahren begleite, brauchten keine Betten, keinen Tisch und Stühle, sondern einen großen Teppich, das allein genügte.

Lioba hat sich sehr in die fremde Kultur eingefühlt. So gewann sie bald das Vertrauen des einfachen Volkes. Ein Beispiel ist uns überliefert und zeigt ihr Einfühlungsvermögen in die Mentalität der Menschen von damals. In ihrer Vita, die 50 Jahre nach ihrem Tod verfasst wurde, wird von einer drohenden Feuerkatastrophe berichtet. Ein Haus hatte Feuer gefangen und die Gefahr bestand, dass das ganze Dorf niederbrannte. Die Menschen liefen zu Lioba und riefen um ihre Hilfe. Sie schickte einen aus der Menge, einen Krug zu holen und ihn mit dem Wasser des nahe liegenden Flusses zu füllen. Dann streute sie vor ihren Augen geweihtes Salz in das Wasser und befahl, dieses Wasser in den Fluss zurück zu gießen. Danach schickte sie alle weg, um ebenfalls Krüge zu holen und mit dem Wasser aus dem Fluss zu füllen. Dieses geweihte Wasser sollten sie in die Flammen gießen, was sie voller Eifer taten. Bald war das Feuer gelöscht. Warum dieser Umweg, werden Sie sich fragen? Lioba kannte diese Menschen gut, weil sie mit ihnen den Alltag teilte. Durch dieses Ritual schwand bei den Menschen die lähmende Angst und damit kehrte die Bereitschaft, selber zu handeln zurück.

Lioba verstand unter „Missionieren“ nicht wie Bonifatius und seine Gefährten eine Unterwerfung, sondern ein Beschenktwerden durch die Liebe Gottes. Als Äbtissin des Klosters in Tauberbischofsheim pflegte sie auch regen Kontakt mit dem Adel, der sie hoch schätzte. Es ging ihr vor allem darum, ihre Pläne von Mission umsetzen zu können. Hoch gebildet und sehr klug, sah sie bald, dass es notwendig war, sich auch um die jungen Frauen aus dem Adel zu kümmern und sie bildete sie zu Lehrerinnen für die Frauen auf dem Land aus. Das passte dem Klerus schon damals nicht. Doch sie ließ sich nicht beirren, stand doch Bonifatius ganz auf ihrer Seite. Mit ihren adeligen Schülerinnen besuchte sie die einfachen Frauen auf dem Land und unterrichtete sie. Lioba wollte in erster Linie Liebe verschenken ohne darauf zu achten, welchen Erfolg es brachte. – Erst als ich bei der Flüchtlingsbetreuung nicht auf Erfolg in Hinblick auf Integration achtete, sondern ihre Kultur versuchte zu verstehen, ging es den Flüchtlingen und mir viel besser.

Bonifatius ging es vor allem um die Gewinnung der germanischen Anführer. Doch er hatte keinen großen Erfolg, weil er ihre Mentalität nicht studiert hatte und sie deshalb nicht verstand. Das berühmte Beispiel vom Fällen der Donar-Eiche zeigt seine Vorstellung von Missionierung. Mit dem Fällen der Eiche, einem sehr verehrten germanischem Heiligtum, wollte er die Ohnmacht der altgermanischen Götter beweisen und demütigte die Germanen tief.

Lioba, die Liebe Schenkende, starb nicht als Märtyrin wie Bonifatius, denn sie achtete sehr darauf, dass es nicht zu Widerstand und Ablehnung bei den Menschen kam. Sie bemühte sich, das Fühlen und Denken dieser Menschen zu verstehen und zu schätzen. Bonifatius achtete Liobas Wirken so sehr, dass er vor seiner letzten Missionsreise vor den Augen seiner Mitstreiter seine Kukulle (Chormantel) Lioba anlegte und anordnete, dass Lioba – sie war wesentlich jünger als er – später nach ihrem Tod in seinem Grab beigesetzt werden sollte. Er hatte bereits damals erkannt, dass Missionierung nur gelingt, wenn männliches und weibliches Fühlen und Erkennen sich ergänzen. Leider wurde sein Wunsch nicht beachtet, weil Liobas Wirken dem Klerus nicht passte. Vielleicht hatte es sie aufgebracht, dass Lioba und Bonifatius im regen Kontakt miteinander standen, um über ihre Arbeit zu sprechen und sie abzustimmen Oder es gefiel ihnen nicht, dass dank der Unterrichtung durch Lioba die einfachen Frauen mehr Selbstbewusstsein gewannen. Doch das so genannte einfache Volk ertrotzte mit seiner großen Verehrung, dass ihre Lioba wenigstens in der Klosterkirche beigesetzt wurde, in der Bonifatius auch begraben war.

Der Kampf um den Platz, wo Lioba begraben werden sollte, spiegelt sehr eindrucksvoll wieder, wie schwer es der Männerkirche fiel, mit den einfachen Menschen, die von Lioba „missioniert“ worden waren, aus dem Gebot gelebter Liebe heraus, christlich umzugehen. Zunächst war sie also in der Nähe des Bonifatius Grabes, aber in einem Männerkloster, beigesetzt. Frauen waren dadurch von der Verehrung am Grab ausgeschlossen, denn sie durften das Männerkloster nicht betreten. Das wollten die Frauen nicht annehmen und versuchten immer wieder ihr Grab zu besuchen.

Als auf dem Petersberg in Fulda eine neue Kirche errichtet wurde, wurde Liobas Leichnam in diese Kirche überführt, aber nicht wie es damals bei Heiligen üblich war, unter einem Altar. Ihr Leichnam wurde in einem einfachen Stein Sarkophag in der Krypta beigesetzt. Offiziell heißt die Kirche „Peterskirche“, doch das Volk nannte sie von Anfang an „Liobakirche“. Im Jahr der Umbettung 836 verfasste ein Mönch eine Bonifatius-Biografie, in der der Name Lioba nicht erwähnt wird, was meine Vermutungen unterstützt.

In den 1000 Jahren seither hat sich viel verändert, aber das Verhältnis vieler Würdenträger in Rom wie in der ganzen christlichen Welt zu den Frauen hat sich kaum geändert. Liebe Heilige Lioba bitte für uns Frauen in der Kirche des 21.Jahrhunderts!

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Eine Antwort auf Lioba, die Liebe Schenkende – zum Gedenktag am 28. September

  1. Sr. Katharina Merz OSU sagt:

    Die Predigt zur heiligen Lioba gefällt mir sehr gut!
    Ich finde das Engagement für „Frauenpredigten“ toll.
    Herzlichen Dank!
    Sr. Katharina Merz, OSU

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