Sehnsucht nach Fairness – 27. Sonntag im Jahreskreis A

Zweite Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philippi, Kapitel 4
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
6 Lasst euch nicht von Sorgen bestimmen, bringt vielmehr in jeder Lage eure Anliegen in Gebet und Bitte vor Gott, immer begleitet von Danksagung.
7 Und Gottes Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.
8 Im Übrigen, liebe Schwestern und Brüder, seid bedacht auf das, was wahrhaftig ist, was integer ist, was gerecht, was rein, was liebenswert, was lobenswert ist, sei es eine gute Charaktereigenschaft, sei es eine verdienstvolle Tat.
9 Was ihr gelernt, angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut. Dann wird Gott, die Quelle des Friedens, mit euch sein.

Autorin:
scale-210-210-12_25508028_2Maria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen, Referentin bei der KAB (Kath. Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Sehnsucht nach Fairness

Liebe Leserin, lieber Leser,
zuerst einmal Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, diese Zeilen zu lesen. Es ist schön, sich in einer Gemeinschaft von Menschen zu wissen, die biblischen Worten im eigenen Leben Bedeutung schenken. Dies allein schon ist eine Verbindung in der Gemeinschaft mit Jesus Christus, von der Paulus schreibt.

Paulus schreibt an die Gemeinde in Philippi. Philippi, heute eine antike Ausgrabungsstätte, war seit 42 v.Chr. eine römische Kolonie. Eine Stadt im Aufschwung, in strategisch bedeutender Lage, mit Sonderrechten für die Bürger. Eine Synagoge gab es nicht als Paulus auf seiner zweiten Missionsreise, ca 50 n.Chr., nach Philippi kam. Er fand am Stadtrand, an einer jüdischen Gebetsstätte ein paar betende Frauen. Darunter Lydia, die sich nach der Begegnung mit Paulus mit ihrem ganzen Haus taufen ließ und den Reisenden Gastfreundschaft bot. So wurde die erste christliche Gemeinde auf europäischen Boden gegründet.

Die Verbindung des Paulus zur Gemeinde in Philippi ist eine besondere gewesen. Nur von dieser Gemeinde nahm Paulus auch finanzielle Unterstützung an. Paulus schreibt den Brief während er im Gefängnis sitzt. Ausgang ungewiss. Wieder einmal eingesperrt, eine Folge seines Kampfes für das Evangelium. Die Gemeinde in Philippi sorgt für Paulus; die Gläubigen schicken ihm über einen Boten Unterstützung ins Gefängnis. Und Paulus schreibt ihnen einen Brief. Nahrung für – geschundene – Seelen. Den Fürsorglichen schreibt er, Gebet, Bitte und Dank immer als Ausgangspunkt zu behalten. Genau das ermöglicht in bedrängenden Lebenslagen, stärker zu sein als die Sorgen. In jeder Situation zuerst die Verbindung zu Jesus Christus suchen, schenkt inneren Frieden und lässt handlungsfähig bleiben.

Paulus legt seinen Freundinnen und Freunden ans Herz, darauf zu schauen, was wahrhaft, integer, gerecht, rein, liebenswert und lobenswert ist. Gerade wenn die Lage bedrängend, bedrohlich, unüberschaubar ist. Daraus wächst Lebenskraft. Orientierung an universalen Tugenden. Zustimmung aus vollem Herzen scheint gewiss. Und doch ist unsere Welt bestimmt von fake news, Korruption, Benachteiligung, Vorteilsnahme, Kälte und Abscheulichkeiten. Die Kunst ist, die Orientierung dennoch zu behalten.

Notwendig dafür ist, sich darüber zu verständigen, was wahrhaft, integer, gerecht, rein, liebenswert und lobenswert ist. Was verstehen verschiedene Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen darunter? Halten wir nur uns selbst für fähig, diese Tugenden zu suchen und zu leben oder suchen wir sie auch bei anderen? Sprechen wir genug darüber? Suchen wir die Haltungen auch bei der Mehrheit der Menschen, die jenseits bürgerlicher Sicherheit leben? Trauen wir uns überhaupt, die Haltungen von wahrhaft, integer, gerecht, in den politischen Diskurs einzubringen?

Eine gute Methode, dies zu überprüfen ist, revision zu halten: festhalten, wie oft in der Woche über beispielhaftes Handeln erzählt wurde. Gute Charaktereigenschaften und verdienstvolle Taten brauchen Resonanz. Dann wird der Wirkungskreis weiter. Gleichzeitig treten damit natürlich auch die Schattenseiten in vollem Ausmaß zu Tage. Kleine, mutige Taten im Geist des Evangeliums jedoch sind wie ein warmes bergendes Licht, das uns umhüllt und schützt, mitten im Dunkel.

Ich ersehne einen breiten Diskurs über Fairness, im persönlichen Leben, im beruflichen und im politischen Leben. Ich sehne mich danach, dass Fairness Vorfahrt hat, wichtiger ist als Privilegien und wichtiger als Jammern über Schwierigkeiten. Fairness als anzustrebendes Ziel. Dankbarkeit darüber, diese Sehnsucht bewahrt zu haben und sie manchmal mit anderen zu teilen, breitet sich aus, zum Beispiel wenn ich Teil einer Gottesdienstgemeinde bin:

glauben
ich glaube nur was ich sehe
so hören wir uns selbst sprechen
in dieser zeit
in der so viele dinge gesagt werden
deren versprechen niemand einlöst.

ich glaube
wir glauben
an dich
gott
unsere freundin
die uns umarmen will
und nicht müde wird
uns zu begleiten.

wir glauben an die kraft
die stärker ist als alles reden
und stärker als das
was menschenaugen je vernommen haben.

wir glauben
dass gemeinschaft und gerechtigkeit
die erde zum wanken
und schlussendlich
ins lot bringen werden.
Amen
Julia Strecker

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 + 5 =

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>