In jenen Tagen
4b stand Mose am Morgen zeitig auf und ging auf den Sinai hinauf, wie es ihm der Herr aufgetragen hatte.
5 Der Herr aber stieg in der Wolke herab und stellte sich dort neben ihn hin. Er rief den Namen Jahwe aus.
6 Der Herr ging an ihm vorüber und rief: Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue:
8 Sofort verneigte sich Mose bis zur Erde und warf sich zu Boden.
9 Er sagte: Wenn ich deine Gnade gefunden habe, mein Herr, dann ziehe doch mein Herr mit uns. Es ist zwar ein störrisches Volk, doch vergib uns unsere Schuld und Sünde und lass uns dein Eigentum sein!
Autorin:
Christina Bettin, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach – Süd im Bistum Aachen
Die Predigt:
Der Name Gottes
Liebe Leserin, lieber Leser,
die heutige alttestamentliche Lesung bringt mich auf die Spur des Namens Gottes und welche Eigenschaften wir mit ihm verbinden.
Bei manchen Namen habe ich gleich ein bestimmtes Bild im Kopf, geht Ihnen das auch so? Bei „Kevin“ z.B. sehe ich gleich einen lebhaften Jungen mit blondem Haarschopf vor meinem inneren Auge, der permanent ausgefallene Ideen hat, und dem merkwürdige Sachen passieren. Oder auch „Sarah“, diesen Namen hätten wir niemals für unsere Tochter ausgesucht, weil ihr Vater damit ein recht unangenehmes, rothaariges neunjähriges Mädchen einer früheren Ferienfreizeit assoziierte… Einen „Namen“ geben wir einer Sache, einem Tier einer Person, um sie genau wiederzuerkennen, um sie zu identifizieren. Manche bekommen auch einen Namenszusatz, so z.B. Theresia von Lisieux, die „Kleine Therese“, um sie von einer anderen zu unterscheiden, Theresia von Avila nämlich. Manche Menschen haben sich einen „Namen bei mir gemacht“; solche, von denen ich eine gute Meinung habe; der ehemalige Küster aus der Nachbargemeinde z.B., der über Jahrzehnte dort ein Urgestein war, und über alles bestens Bescheid wusste.
In Bezug auf Gott ist das mit dem Namen bedeutend vielschichtiger. Wir sollen uns kein Bild von ihm machen, weil EIN Bild allein, ihn gar nicht fassen kann; EIN Name allein würde ihm, „dem ganz Anderen“ nicht gerecht. Im Islam gibt es die Tradition der „99 Namen Gottes“. Dieser Gedanke gefällt mir sehr gut, weil er die Vorstellungswelt weitet, und für jede und jeden von uns eine je individuelle Anrede und Vorstellung ermöglicht. (Auch der kath. Theologe und Politikwissenschaftler Dr. Dieter K. Petri schrieb 2011 dazu in seinem Buch „Die 99 Namen Gottes – Gedanken eines Christen zu einer islamischen Tradition“.)
Mit dem Namen sind immer auch Wesensmerkmale und Eigenschaften verbunden: Gott der Verborgene, Gott der Mitgehende; Gott der Geheimnisvolle… – wobei mich im Deutschen der männliche Artikel etwas stört, weil ich merke, wie mich das persönlich festlegt auf eine männliche Vorstellung von Gott. Ich habe für mich allerdings noch keine Formulierung gefunden, die mir flüssiger über die Lippen kommt. Insofern bin ich auf Ihre Rückmeldungen gerade zu diesem Punkt gespannt. Doch im Letzten geht es mir hier natürlich nicht um eine Klärung der Geschlechterfestlegung Gottes! –
Gott lässt sich auf ganz verschiedene Arten erfahren und gibt damit je einen Teil von sich zu erkennen: in der Wolkensäule bei der Wüstenwanderung des Volkes Israel, im sanften Säuseln bei der Begegnung mit dem Propheten Elija, in Feuerzungen beim Pfingstereignis. Indem Gott einen Teil von sich erkennen lässt, bleibt er nicht vollends der Unbekannte! – Denn auf keinen Fall sollte er in die Ecke des „Un-bedeutenden“ abrutschen. Gott soll vielmehr „einen Namen bei mir haben“, hoch geschätzt bei mir sein, einen Platz in meinem Denken, in meinem Handeln und vor allem in meinem Herzen haben.
Wenn wir noch einmal genauer in den Lesungstext schauen, fällt Folgendes auf: In Zeiten des Zweifels des Volkes Israel, wird Gott hier als Gott der Güte und der Treue erkannt. – Das ist schon toll, wenn man das so sagen und im eigenen Leben mit vollziehen kann!
Ich denke die Bibel ist voll mit solchen Beispielen, weil es zu allen Zeiten der Menschheit so war und ist: Gläubige und auch suchende Menschen kennen sowohl Phasen des Vertrauens in Gott bis hin zu einer Glaubenssicherheit, als auch Phasen voller Dunkelheiten, Verlassenheitsgefühl und tiefe Glaubenszweifel. Mose und das Volk am Sinai haben in der Situation des Zweifels Jahwe neu entdeckt: Gott hat sich neu vorgestellt und sich mitgeteilt.
Die Szene spielt zeitig am Morgen, bei Anbruch des Tages, und markiert schon durch die Tageszeit einen Neubeginn. Von Gott her ist hier ein neuer Anfang gesetzt, denn auf Gottes Geheiß stieg Mose auf den Berg. Gott ermöglicht auch dem Vertreter des noch so störrischen Volkes einen Neubeginn. Das gilt für alle Zeiten: Gott sucht von sich aus immer wieder einen neuen Anfang mit uns Menschen.
Das allein schon bricht Festgefahrenes, Erstarrtes auf. Denn es wird von einer korrespondierenden Bewegung aufeinander zu berichtet: Mose steigt auf den Berg und Gott steigt von oben herab. Gott gibt sich allerdings nicht ganz zu erkennen, er bleibt Gott, in dem er ein Geheimnis bleibt. Er erscheint verhüllt in der Wolke. Er ist im Letzten nicht greifbar oder voll verfügbar oder gar festgelegt. Das bekräftigt auch die Umschreibung: der Herr ging an ihm vorüber. – Gott geht aber nicht einfach achtlos vorüber, sondern er stellt sich erst einmal neben Mose. Sich neben einen stellen heißt doch so viel wie mit ihm auf einer Stufe zu stehen, partnerschaftlich zu sein. – So etwas in Zeiten des persönlichen Zweifels zu spüren, das schenkt Kraft und Vertrauen zurück. Es lässt mich innerlich aufgerichtet sein und meine eigene Würde erfahren. So partnerschaftlich möchte Gott uns nahe sein, als solch aufrechten Geschöpfen und mit Würde ausgestattet, begegnet uns Gott.
Dahinein sagt Jahwe etwas über sich, er gibt eine Wesensbeschreibung und legt seinen Namen aus. „Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue“. Ich frage mich: Wie habe ich Gott bisher in meinem Leben erfahren? – Dafür nehme ich mir ruhig ein wenig Zeit! – Und wie haben Sie Gott erfahren? Welche Eigenschaften haben Sie persönlich schon an ihm entdeckt? Mit welchem Namen reden Sie ihn an? Welcher Name passt zu ihm?
An den Namen Gottes zu glauben ist unser Programm als Christinnen und Christen. Ich bin davon überzeugt, es ist unsere spannende, lebenslange Aufgabe.
christliches Ethos…
dass Gandhi und der Dalai Lama sich dem christlichen Ethos ( s.Bergpredigt) mehr verbunden fühlen als allen anderen Religionen spricht für ein Festhalten am Anrufen des allumfassenden christlichen , dreifaltigen Gottesnamens.
Liebe Christina, warum heißt es eigentlich DER Name? DER Gott hat deinen Namen in
DIE Hand geschrieben und DER Heilige Geist ist in der Sprache Jesu weiblich. Das ist mir alles zu kompliziert. Aber deine Predigt gefällt mir. Ich lese gerne Frauenpredigten. Claus (ein schon sehr betagter Diakon)