Darf ich für Sie beten? – 7. Sonntag der Osterzeit A

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 17
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
In jener Zeit 1 blickte Jesus auf zum Himmel und sagte: „Du, Gott, hast mich erwählt und die Zeit ist gekommen. Lass den göttlichen Glanz deines Erwählten erstrahlen, damit dein Erwählter dich erstrahlen lässt,
2 genauso wie du ihm Macht über alle Geschöpfe gegeben hast, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe.
3 Dies aber ist das ewige Leben: Dass sie dich, den allein wahren Gott, und Jesus, den Messias, den du gesandt hast, erkennen.
4 Ich habe deinen Glanz auf der Erde leuchten lassen, indem ich das Werk vollendet habe, das du mir zu tun aufgetragen hast.
5 Und jetzt, Gott, lass mich bei dir strahlen in dem Glanz, den ich bei dir hatte, bevor die Welt existierte.
6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein und du hast sie mir gegeben und sie haben dein Wort beachtet.
7 Jetzt haben sie erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist.
8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen weitergegeben. Und sie haben sie aufgenommen und wahrhaft erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie sind zum Glauben gelangt, dass du mich gesandt hast.
9 Ich bitte für sie. Ich bitte nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein.
10 Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Und mein göttlicher Glanz strahlt in ihnen.
11 Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt und ich gehe zu dir.“

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Darf ich für Sie beten?

Liebe Leserin, lieber Leser,
am Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten hält die Liturgie einen Text aus Johannesevangelium für uns bereit.

Die Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache, die ich diesen Zeilen voraus gestellt habe, hat verschiedene Worte und Bedeutungen gesucht, wo sonst in der Einheitsübersetzung immer von Verherrlichung/verherrlicht/Herrlichkeit die Rede ist. Trotzdem bleibt der Abschnitt ein eher sperriger Text.

Ich würde am liebsten beim Evangelisten Johannes nachfragen, ob er das auch anders sagen könnte, was er uns da schreiben will.

Vielleicht würde er mir antworten, dass er in diesem Kapitel doch keine Lehre geschrieben habe, sondern ein Gebet und dass dieses Gebet allen zeigen solle, wie Jesus die Menschen in die Beziehung zu seinem Vater hineinnimmt;
dass Jesus für seine Freundinnen und Freunde betet,
dass er sie angesichts des anstehenden Abschieds, ja der sich anbahnenden Katastrophe wieder zurück in Gottes Obhut legt, damit sie nicht verloren gehen;
dass die Freundschaft, die Beziehung, die Liebe, die sie mit ihm verbinden, nicht aufhört, sondern im Glauben weiterbesteht, in Gott aufgehoben ist.
Vielleicht würde Johannes so antworten.

Ein Gebet.
Jesus betet für seine Freundinnen und Freunde.
Haben wir Antennen, dies zu verstehen?
Fühlen wir uns bestärkt, beheimatet, gehalten, ermutigt, beschenkt? Durch dieses Gebet?

Jesus betet für die, die er liebt.

Ein Gebet für die, die wir lieben – kennen wir das?
Tun wir das?

„Darf ich für Sie beten?“
„O Gott,…“ mag vielleicht der Eine oder die Andere entsetzt denken – Weltverbesserer, vereinnahmende Missionierer… doch jenseits von Polarisierungen und vielleicht fundamentalistischen Abwegen, die auch in diesem Satz stecken können, hat er große Kraft.

Wo ist Ihnen dieser Satz schon begegnet?

„Darf ich für Sie beten?“
Da könnten wir Bilder von Menschen vor Augen haben, die durch das Angebot des Gebets Unterstützung, Hilfe weiterschenken möchten. Ein Beratungsgespräch, eine Therapiesitzung, oder auch ein Besuch bei einem kranken Menschen könnte auf so ein Angebot hinauslaufen. „Darf ich für Sie beten?“

„Darf ich für dich beten?“
Eine Oma fragt ihre Enkelin, ihren Enkel…; die Freundin, der Freund fragt…,

Da spricht Mit-Sorge, Mit-Gehen, Begleiten, Dabei-Bleiben.
Der Betende möchte den Anderen nicht alleine – gehen – lassen.
Wer diese Frage stellt, der möchte dem anderen etwas schenken und anbieten.

Auch Jesus will seinen Freunden etwas geben.
Angesichts der bevorstehenden Katastrophe, möchte er seine Freundinnen und Freunde ins Gebet hineinnehmen und ihnen gleichzeitig das Gebet als TUN schenken.

Angesichts schwieriger Situationen in unserem Leben, ist uns das Gebet als TUN Jesu geschenkt, so dass auch wir dieses TUN können und dadurch manchmal nicht hilf-los bleiben müssen.

Eine schwere Krankheit,
ein tödlicher Unfall
eine schwere Prüfung
Streit und Gewalt
Verlusterfahrungen
Ungerechtigkeiten

Vieles kann uns aus der Bahn werfen und ratlos und hilflos zurücklassen,
sprachlos und oft mit einem Gefühl der Ohnmacht.

Und da kann ein Gebet wie dieses Gebet Jesu aus dem Johannesevangelium eine Spur für einen Schritt nach vorne sein?

Was betet Jesus?
Er spricht von der Ewigkeit und dem göttlichen Glanz – und davon, dass die Freundinnen und Freunde Anteil daran haben, weil sie das Wort gehört und es befolgt haben.
Er spricht von seinem Anteil an Gott und dass seine Freunde durch ihn ebenfalls Anteil an Gott haben.
Ein andermal spricht er vom Eins-Sein mit dem Vater.
Und er holt die Freunde hinein in diese göttliche Wirklichkeit.

Was können wir beten?
Wir dürfen glauben, dass wir aufgehoben sind, in diesem „göttlichen Glanz“, dass wir aus Gottes DA-SEIN durch Jesus, nicht herausfallen können – nicht im Leid, nicht im Tod, nicht in der Schuld und auch nicht in der Gleichgültigkeit.

Wir brauchen nicht um dies oder jenes zu beten – Wir können uns im Beten in die Gegenwart Gottes stellen und uns beschenken lassen, und im Beten für andere können wir diese in unsere Gottesbeziehung mit hineinnehmen und darauf vertrauen, dass auch sie beschenkt werden.
Geschenkt ist das „in Beziehung sein“, das Vertrauen und die Liebe, mit der wir an der Seite Jesu von Gott angenommen und angeschaut sind.
Jesus schenkt uns seine Art von Beten.
Er nimmt uns mit hinein in seine Beziehung zum Vater.

Und wir dürfen ebenso beten
und die, die wir lieben, die uns am Herzen liegen, denen wir Gutes und Heil wünschen, mit hineinnehmen in unser Gebet
und darauf vertrauen, dass auch andere für uns beten.

Das ist kein billiger Trost,
das ist auch nicht locker und nicht immer leicht.
Dies gelingt auch nicht immer und „funktioniert nicht automatisch“,
denn was der Andere mit dem Angebot macht, das ist seine Entscheidung, sein Leben
Im Gebet verändern wir nicht die Welt, nicht die Anderen,
nur uns selbst kann es verändern –
und dieses Gebet kann wachsen,

Dieses Gebet braucht auch nicht immer und nicht unbedingt geschliffene Formulierungen.
Vielleicht braucht es manchmal auch gar keine Worte.
Und manchmal gibt es keine Worte.
Fast möchte ich meinen, auch Johannes tat sich schwer, die richtigen Worte für das zu finden, was er in diesem Gebet Jesu ausdrücken wollte.

Es gibt verschiedene Formen des Gebets.
In der Meditation
In Gemeinschaft
Im Singen, oder im Gehen…
Pilger nahmen in früheren Zeiten oft auch die Anliegen anderer mit auf den Weg und jeder Tag liefen sie für einen Menschen oder ein Anliegen – Gebet in den Füssen.

So ist Gebet oft mehr als wir mit Worten formulieren können.
Vielleicht sind formulierte Gebete ein Anfang und eine Hilfestellung
Gebet ist mehr als „ein Gebet sprechen“
Gebet ist die Zeit, die ich „im Gebet“ verbringe.

Vielleicht ist die Einladung, immer wieder, regelmäßig solche „Zeit im Gebet“ zu verbringen, eine Einladung zu leben.

Im Gebet sein
Im Gebet für andere sein
Auch das ist Nachfolge Jesu – ganz im Sinne des Evangelisten Johannes.
Wir dürfen einander „ins Gebet nehmen“

„Darf ich für Sie beten?“

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