Wenn die Steine sprechen könnten, was würden sie wohl sagen? – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

Zweite Lesung
Aus der Apostelgeschichte, Kapitel 6 und 7
8 Stephanus aber, voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
9 Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Zyrenäer und Alexandriner und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
10 aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen.
Kap. 7,54 Als sie das hörten, waren sie aufs Äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen.
55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
56 und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los,
58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.

Autorin:
Susanne-Walter
Susanne Walter
Gemeindereferentin in Filderstadt
verheiratet, vier Kinder

 
Die Predigt:
Im Gemeindegottesdienst wird an alle Mitfeiernden ein Stein ausgeteilt.
Vielleicht können Sie auch einen Stein bereitlegen.

Liebe Leserin, lieber Leser,
Wenn die Steine sprechen könnten, was würden sie wohl sagen? Würden sie sagen: das geschieht diesem Stephanus recht, wenn er den Mund so voll nimmt?
Was erdreistet er sich als junger Mensch gelehrte und erfahrene Menschen, zurechtzuweisen? So geht das nicht, dem muss Einhalt geboten werden.
Auf Gotteslästerung steht nun einmal die Todesstrafe durch Steinigung.
Das war schon immer so.

Würden sie sagen: warum verstehen die Menschen Stephanus nicht? Er hat doch Gutes getan,
die Gemeinde hat sich durch sein Mitwirken vergrößert. Er ist intelligent und gebildet, außerdem ist er als Diakon beauftragt, diesen Dienst zu tun. Man muss doch auf ihn hören!

Würden sie sagen: lasst uns da raus, schaut selbst wie ihr mit dem Konflikt zurecht kommt?

Würden sie sagen: ihr Menschen seid oft selbst wie Steine!

Lassen wir die Steine doch wirklich einmal zu uns sprechen.

Sie haben am Eingang einen Stein bekommen.
Nehmen sie den Stein in die Hand.
Er ist kalt und hart und vielleicht scharf.
So wie die Herzen mancher Menschen.
Fühlen sie die Form des Steines – die glatte, an der alles herunterperlt, die rauhe und kantige, die weh tun und verletzen kann –
so sind wir oft selbst, aalglatt und gefühllos, steinhart und kalt und kantig und scharf und verletzend.

So sind auch die Zuhörer des Stephanus.
Sie sind steinhart.
Sie schleudern ihre Vorurteile gegen Andersdenkende.
Sie schleudern ihre Steine gegen Stephanus.
Sie verstehen ihn nicht und vielleicht nicht sich selbst.
Sie sind hart und kalt und sie bringen den Tod.

An manchen Stellen ist dieser Stein schon abgerundet.
Das Wasser und das Aneinander – Reiben der Steine hat sie jahrelang geschliffen.
Eine Gemeinschaft kann uns unsere Ecken und Fehler zeigen.
Sie sind eine Chance für mich, mich zu ändern.
Ich kann mich an anderen reiben und verändere mich dadurch, verliere meine Kanten und meine Schärfe.
Irgendwann müssen wir uns nicht mehr aneinander reiben, wir sind rund geworden.

Steine spielen an vielen Stellen in der Bibel eine Rolle

Ein Stein wird z.B. als Erinnerungsmal aufgestellt.
Er soll an eine Gottesbegegnung erinnern, wie an der Stelle, an der Jakob seinen Traum von der Himmelsleiter hat.

Joshua, der Nachfolger von Mose hält dem Volk Israel eine Predigt, als sie endlich im gelobten Land angekommen sind. Er erinnert sie ähnlich wie Stephanus an die Heilsgeschichte, in der Gott mit seinem Volk einen langen Weg geht. Er stellt sie vor die Entscheidung, ob sie Gott dienen wollen und das Volk entscheidet sich dafür. Ein Stein wird als Zeichen der Erinnerung aufgestellt, als Zeichen dafür, dass Gott selbst zu ihnen gesprochen hat und sie sich für ihn entschieden haben.

Steine schreien als stumme Zeugen gegen erlebtes Unrecht, wie Gott dem Propheten Habakuk antwortet.

Steine werden aber auch dazu benutzt, Menschen zu töten.

David rettet sein Volk dadurch, dass er mit einem Kieselstein den starken Philister Goliath an der Stirn trifft und diesen tötet.

Auf besonders schwere Verbrechen wie Ehebruch und Gotteslästerung steht die Todesstrafe durch Steinigung.
Diese Strafe widerfährt nicht nur Stephanus, sondern auch Paulus.

Im Johannesevangelium wird berichtet, wie die Menschen eine Frau steinigen wollen, die des Ehebruchs überführt wurde. Nur durch das Eingreifen von Jesus entgeht sie dieser Strafe.

Gott selbst wird in den Psalmen als schützender Fels bezeichnet, aber auch als Stein, an dem man zu Fall kommen, über den man stolpern kann.
Petrus wird als Stein, als Fels bezeichnet, auf den Jesus seine Kirche bauen will.

Jesus selbst ist der Eckstein.

Er hat uns gezeigt, wie aus unbeachteten Menschen, die wie nutzlose Steine am Weg lagen, Schmucksteine wurden.
Er hat uns vorgemacht, wie aus kalten, harten und aalglatten Menschen durch seine Berührung und Nähe gütige und barmherzige Menschen wurden, lebendige Steine in der Gemeinde Gottes.

Er hat uns zugesagt, dass wir auf ihn bauen können.

In der Zwischenzeit ist der Stein warm geworden in unserer Hand.
Nehmen sie in mit nach Hause.
Es liegt an uns, was wir mit unserem Stein tun.
Es liegt an uns,
ob Steine des Vorurteils und des Hasses niedergelegt werden,
ob Steine des Nicht – Verstehen – Wollens
zu Steinen des Nachfragens werden –
und Steine des Festgefahrenen
zu Steinen des Nachdenkens werden –
damit Stolpersteine zu Ecksteinen werden –
Damit Steine sich in Brot verwandeln –
damit Kälte sich in Wärme verwandelt –
damit aus Steinen am Weg das neue, lebendige Haus Gottes entsteht.

Er hat uns zugesagt, dass wir auf ihn bauen können,
dass Gott alles Harte, Kalte und Tote in uns und unserer Welt zum Guten verwandeln kann.
Damit wir nicht vernichten, sondern aufbauen.

Er hat uns zugesagt, dass wir auf ihn bauen können.

Anregungen für diese Predigt fand ich in dem Werkbuch „Angedacht“ Band 1 (Hrsg Ursula Klauke und Norbert Brockmann) in dem gute Meditationstexte zum Thema Stein zu finden sind. Einige Formulierungen habe ich übernommen.

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