Gleichwertig und gleich geliebt von Gott – 27. Sonntag im Jahreskreis B

Erste Lesung aus dem Buch Genesis, Kapitel 2
18 Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.
19 Gott, der Herr, formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte es heißen.
20 Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen entsprach, fand er nicht.
21 Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch.
22 Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.
23 Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein /
und Fleisch von meinem Fleisch. /
Frau soll sie heißen, /
denn vom Mann ist sie genommen.
24 Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 10
Es kamen Pharisäer zu Jesus und fragten: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Damit wollten sie ihm eine Falle stellen.
3 Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben?
4 Sie sagten: Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen.
5 Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben.
6 Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen.
7 Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen,
8 und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins.
9 Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
10 Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber.
11 Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch.
12 Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.

Autorin:
Silke WeihingSilke Weihing, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Schwäbisch Gmünd, verheiratet, zwei Kinder, immer wieder als Aushilfe bei Gottesdiensten in der JVA für Frauen in Schwäbisch Gmünd tätig

 
Die Predigt:
Gleichwertig und gleich geliebt von Gott
Gottesdienst in der JVA für Frauen „Gotteszell“

Liebe Mitfeiernde,
wie gehe ich mit den Heiligen Texten meiner Religion um? Wie lese ich die Bibel, den Koran, die Veden oder eine andere Heilige Schrift? Für viele Menschen sind diese Texte wirklich heilig, also in dem Sinne, dass sie glauben und darauf vertrauen, dass diese Texte, genauso wie sie da stehen, von der jeweiligen Gottheit so vorgegeben wurden; und dass Menschen wie der Prophet Mohammed sozusagen das Werkzeug Gottes waren, um seine Worte aufzuschreiben.
Für diese Menschen ist es unheimlich wichtig, dass die Texte dann auch genau so gelassen werden, wie sie niedergeschrieben wurden, da ist keine Veränderung möglich, ja nicht einmal eine Übersetzung lassen manche zu. Weil klar ist, dass allein durch eine Übersetzung der Sinn verändert wird.

In der Religion, aus der ich komme, im Christentum, gibt es auch Menschen, denen die wörtliche Weitergabe und auch das wörtliche Verständnis der Bibeltexte sehr wichtig ist. Es gab aber auch eine andere Entwicklung im Christentum. Schon recht früh fingen die Christen an, ihre Heiligen Texte – also das Alte und das Neue Testament – auch zu übersetzen. Und die Angst, dass Texte dadurch verändert werden, ist durchaus berechtigt und auch so eingetreten. Durch die Übersetzung in eine andere Sprache kommt ein Text auch in eine andere Gedankenwelt und verändert sich dadurch.

Aber es ging sogar weiter. Mit der Aufklärung und dem kritischen Hinterfragen bislang fest stehender Konzepte wurde auch begonnen, die Bibel näher zu erforschen. Es wurden Fragen wichtig wie z.B.: wer hat diesen Text wann und in welcher Situation für wen geschrieben? Man wollte so der ursprünglichen Absicht eines Autors wieder näher kommen, um so den Text besser zu verstehen. Aber es passierte auch, dass Texte so zerpflückt wurden, dass man sie auch dadurch in gewisser Weise kaputt gemacht hat.

Aber ich muss für mich ehrlich sagen: mir fällt es schwer anzunehmen, dass die Texte unserer Heiligen Schriften direkt von Gott so diktiert oder vorgegeben wurden. Ich kann dem Hinterfragen und Erforschen durchaus etwas abgewinnen. Dennoch ist die eigentlich wichtigste Frage beim Lesen eines Bibeltextes für mich: was will mir dieser Text heute für mich sagen? Welche Botschaft, welche Lehre, welche Erkenntnis kann ich durch diesen Text geschenkt bekommen?

Es zeigt sich also: der Umgang mit solchen Texten ist eine schwierige Sache und im Grunde muss jede und jeder für sich entscheiden, wie er mit ihnen umgeht. Und die Gefahr bleibt, dass jeder aus so einem Text heraus liest, was ihm gerade passt. Das trifft z.B. auf den Text, den wir gleich aus der Bibel hören werden, absolut zu. Im Grunde lassen sich bei entsprechender Begründung genau gegensätzliche Interpretationen herauslesen. Aber, was ich bei meinen Überlegungen nie außer Acht lasse, wenn ich z.B. versuche biblische Texte zu verstehen – und die Bibel ist nun mal das Buch, in dem ich mich am besten auskenne, aber ich kann mir vorstellen, dass das im Koran, in den Veden und anderen religiösen Texten sehr ähnlich ist – was ich also nie außer Acht lasse, ist die Tatsache, dass das gesamte Heilige Buch so etwas wie einen Grundtenor hat, also eine Art Fundament oder einen roten Faden, der sich durch das komplette Werk zieht und den man eigentlich nicht verlassen darf, bzw. gegen den man nie argumentieren kann.

Und dieser rote Faden ist in der Bibel für mich: Gott liebt mich und dich und uns alle – bedingungslos! Ohne dass wir irgendetwas machen oder gar leisten müssten, kommt er uns immer schon mit seiner Liebe, seiner Vergebung, seinem Erbarmen und einer neuen zweiten Chance entgegen. Das gesamte Leben Jesu lässt sich für mich mit diesem Satz zusammenfassen und auch das Alte Testament – trotz einiger Widersprüche – passt in diesen Gesamtrahmen. So auch die heutige Lesung, die vom Anfang des ersten Buchs der Bibel stammt, wo es um die Schöpfung der Welt geht. Hören wir gemeinsam diese Stelle:

Lesung aus Genesis 2,18-24

Was wird hier also erzählt?
Gott schafft den Menschen, er schafft Mann und Frau. So wie es hier erzählt wird, kann das Ganze so verstanden werden – und so ist es im Laufe der Geschichte auch lange verstanden worden – die Frau steht unter dem Mann; der Mann ist wichtiger und hat das Sagen. Immerhin ist der Mann zuerst da und die Frau wird sozusagen aus einem Teil von ihm erschaffen.

Für mich passt dieses Verständnis aber eigentlich nicht – okay, mag vielleicht auch daran liegen, dass ich eine Frau bin. Da will ich das auch anders lesen und verstehen, aber es gibt ja auch noch andere Argumente – aus dem Text – die einem einfallen können, warum eine übergeordnete Stellung des Mannes sich nicht aus dieser Stelle herauslesen lassen kann:
1. Der Mann kann ohne die Frau nicht sein, der Mann braucht die Frau, damit das Ganze gut und perfekt ist.
2. Die Frau entspricht dem Mann und weist keinerlei Unterschiede auf.
3. Erst die Frau ist für den Mann eine gleichWERTIGE Partnerin.
Diese Punkte werden auch durch einen weiteren biblischen Text gestützt. Nämlich den ersten Schöpfungsbericht. Vielleicht kennen Sie den? Es ist die Erzählung, wie Gott die Welt in sechs Tagen erschafft. Und am sechsten Tag sind eben Mann und Frau dran. Und in diesem Text steht gar nichts von erst Mann, dann Frau und wer woraus entsteht. Dort heißt es nur: Und Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.

Da steht nichts von zuerst-danach, höher-tiefer; erst zusammen sind Mann und Frau eine Einheit und auch nur zusammen Gottes Abbild. Somit kommt beiden die gleiche Würde zu. Wenn wir die Bibel so verstehen – und wie gesagt, dass ich als Frau sie so verstehen will, ist vielleicht nur allzu verständlich – aber wenn ich sie so verstehe, dann passt diese Auslegung zumindest auch wieder zu dem, was ich vorher den roten Faden der Bibel genannt habe. Gott liebt die Menschen, alle, gleich, und da ist es völlig egal, ob ich ein Mann oder eine Frau bin – bei ihm sind wir gleichWERTIG!

Auch ich bin eine Frau, ich hab mir das nicht ausgesucht, aber ich finde es gut. Und ich finde, da auch sonst niemand selber aussucht, was er ist – und z.B. ja auch nicht, in welchem Land er geboren wird oder wer seine Eltern sind – eben weil das niemand sich aussucht, deswegen hat meiner Ansicht nach auch niemand das Recht, mich deswegen klein zu machen oder klein zu halten. Weder die Politik, die es ja nicht schafft, endlich hinzukriegen, dass bei gleichem Job Männer und Frauen endlich auch gleich viel verdienen – da werden Frauen sehr benachteiligt. Noch die Gesellschaft, wo ich manchmal aus bestimmten Richtungen das Gefühl habe, dass wir Frauen vor allem auf unsere Rolle als Mütter reduziert werden. Und die Kirche schon gar nicht, okay: da will ich genau sein: die katholische Kirche! Aber nicht nur dort werden Frauen klein gehalten und z.B. von Ämtern ausgeschlossen, allein, weil sie eine Frau sind. Das gibt es auch in anderen Religionen und ist meiner Ansicht nach auch dort nicht okay.

Der Dalai Lama hat den Satz gesagt – so sinngemäß: „Religion hat die einzige Aufgabe, die Welt und das Leben der Menschen besser zu machen!“ Wenn also im Namen einer Religion – egal welcher – die Hälfte der Menschen unterdrückt und klein gehalten wird, dann kann das meinem Verständnis nach nicht im Sinne einer Gottheit sein, deren tiefstes Geheimnis die Liebe ist.

Nun weiß ich nicht, welche Erfahrungen Sie als Frau in Ihrem Leben gemacht haben. Ich weiß nicht, wie viel Leid und negative Erfahrungen sie einfach auf Grund Ihres Geschlechts aushalten mussten. Aber ich möchte Ihnen hier und jetzt einfach sagen: Sie sind wertvoll – als Mensch und als Frau. So sind Sie geschaffen. Und so sind sie geliebt.

Zwischenstück: Ruhige Orgelmusik

Und es ist ja nicht so, dass ich mir solche Ideen aus den Fingern sauge, einfach weil es mir eben besser in den Kram passt, dass Frauen nicht schlecht behandelt werden. Jesus selber zeigt eine andere Haltung, als es viele Männer seiner Zeit taten. Er scheint eine andere Einstellung zu Frauen zu haben.

Lesung des Evangliums

Im Evangelium stellt er sich eindeutig auf die Seite der Frauen.
Das Thema Ehescheidung war im jüdischen Gesetz einfach ungerecht geregelt. Ein Mann durfte seine Frau aus der Ehe entlassen, eine Frau hatte das Recht nicht. Da bringt Jesus wieder ein Gleichgewicht rein, indem er beiden dieselben Rechte zugesteht. Und auch im Umgang zeigt sich Jesus anders – er lässt sich von Frauen ansprechen, ja sogar berühren – ein No Go für viele seiner Mitmenschen, also eben Mitmännern.

Vielleicht hatte das Christentum auch deswegen solche große Erfolge bei seiner Ausbreitung – nicht zuletzt bei Frauen. Diese offene Haltung hat sich allerdings leider nicht lange gehalten. Im Laufe der Geschichte wurde die männliche Dominanz doch wieder groß und größer und drängte die Frauen zurück. Aber wenn ich das bei Jesus sehe – daraus schöpfe ich Kraft und Mut. Jesu Zuneigung und Liebe gilt ganz offensichtlich allen, voraussetzungslos, nicht nur einigen besonders Auserwählten. Das zeigt sich auch in seinem Abschiedsmahl. Die Forschung streitet sich noch, wer da genau alles dabei war. Aber unabhängig davon, die Botschaft, die Jesus am Ende seines Lebens aussendet, ist eindeutig: seine Hingabe gilt allen.

Und so auch hier und jetzt uns – allen, die wir jetzt da sind.
Wenn Sie mögen, nehmen Sie diese Einladung jetzt gerne an!
AMEN

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2 Antworten auf Gleichwertig und gleich geliebt von Gott – 27. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Walburga Rüttenauer-Rest sagt:

    Schade, dass diese so authentische, leicht zu verstehende und klare Predigt nicht der Familiensynode in Rom vorgetragen wird.
    Denn“allen, voraussetzungslos, nicht nur einigen besonders Auserwählten“ hat Jesus
    seine Botschaft gebracht: Gottes bedingungslose Liebe zu uns. Danke

  2. Walter sagt:

    Verrat…
    Nach gut 2000 Jahren muss der Nachfolger Petri müde erkennen, dass er mit seinem Evangelium „in der Welt“ besser aufgenommen wird als bei seinen „Brüdern“, die -ählich wie im Alten Bund- der Tradition mehr Wert beimessen als der Barmherzigkeit.
    Nicht ,dass sich immer mehr Menschen, nein, auch Gott selbst scheint sich von dieser Kirche zu verabschieden.
    ER macht die Blinden sehend, lässt die Emotionalen den „Verrat“ erkennen und mit den Füssen abstimmen.

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