Was ist wirklich wichtig? – 28. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 10
17 Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
18 Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen.
19 Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!
20 Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.
21 Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!
22 Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.
23 Da sah Jesus seine Jüngerinnen und Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!
24 Die Jüngerinnen und Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen!
25 Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.
26 Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden?
27 Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.
28 Da sagte Petrus zu ihm: Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.
29 Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat,
30 wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.

Autorin:
C-Bettin-komprimiert-200x300Christina Bettin, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach – Süd im Bistum Aachen>

 
Die Predigt:
Was ist wirklich wichtig?

Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Schwestern und Brüder,
sehr oft stehe ich als Seelsorgerin auf dem Friedhof und versehe dort den Beerdigungsdienst. In den Grenzsituationen unseres Lebens, angesichts des Todes eines nahen Menschen, im Innehalten, tauchen oft die großen Fragen des Lebens nach dem Woher und Wohin, nach Sinn und Ziel auf. Vieles wird dann in den Blick genommen und überdacht, manches relativiert sich. Nach dem Schock, der inneren Leere, der Stille, erlebe ich bei vielen Hinterbliebenen eine neue Ausrichtung oder Schwerpunktsetzung. Eine Fürbitte, die ich in diesem Zusammenhang nicht selten am offenen Grab spreche, bittet deshalb für uns selbst: „Guter Gott, lass uns erkennen, was in unserem Leben wirklich wichtig ist und was unvergänglichen Wert besitzt“.

Was ist wirklich wichtig? Da gibt es sicher viele verschiedene Antworten. Ich denke, die Werbung, die Gesellschaft, die Mechanismen von Erwerbsarbeit und Geldverdienen, Lebensunterhalt und Konsum… vermitteln uns ihre schillernden Prioritäten von Besitz und Luxus immer wieder sehr eindringlich und auch subtil. Aber auch der Freizeitkult, Schönheitsideale, Gesundheitswahn vom Ideal der Jugendlichkeit und Belastbarkeit sowie ausgefallene Hobbies und Reisen spielen eine prägende Rolle und stehen hoch im Kurs. Wie soll man durch diesen vereinnahmenden Dschungel hindurch finden und eigene Prioritäten setzen? Was ist wichtig? Worauf kommt es wirklich an? Wann führen wir ein erfülltes Leben, das Zukunft hat, eine Zukunft über den Tod hinaus?

Schon König Salomon ahnte, dass da so einiges falsch laufen kann und eben letztlich unglücklich macht. Folglich besinnt er sich auf seinen guten Draht zu Gott und betet in erster Linie um Weisheit. Und Gott schenkt ihm Weisheit. Mit diesem Geschenk der Weisheit, die man eben nicht für Geld erwerben kann, werden dem Salomon ganz neue Welten geöffnet und noch vieles mehr hinzugeschenkt. Wer Weisheit hat, besitzt das Wichtigste im Leben, nämlich die richtige Geisteshaltung, die innerlich frei, glücklich und zufrieden machen kann.

Die „großen Fragen“ treiben auch den jungen Mann im Markus Evangelium zur Zeit Jesu um. Der Jüngling, der nun schon alle Gebote Gottes hält, er ahnt, dass ihm noch etwas Entscheidendes fehlt. Deshalb befragt er Jesus direkt. Die Umstehenden, die Jüngerinnen und Jünger und auch wir selbst, werden mit hineingenommen in dieses sogenannte Schülergespräch. Die Antwort Jesu ist eine harte Nuss, die nur schwer zu knacken ist. Sie hat mit dem Reichtum und Besitz des jungen Mannes zu tun. Jesus, der ihm einfühlsam ins Herz schaut, erkennt nämlich, dass er da übermäßig dran hängt, dass dies seine Priorität ist. Jesus lädt nun den jungen Mann ein, diese Priorität zu überdenken, um eine größere Freiheit zu gewinnen. Er soll sich gleichsam nicht abgesichert auf Gott verlassen. Es wird deutlich, dass wir unsere Rettung nicht selbst erwirken können, sie ist vielmehr Gottes Sache. Indem Jesus sein Gegenüber dreimal in einem sehr tiefen Sinne anschaut, erkennen wir außerdem, dass es in erster Linie auf die Beziehung und Bindung zu den Menschen ankommt, weniger auf die Beziehung zu Sachen. Jesus will mit seiner Ablehnung des Reichtums kein düsteres Szenario zeichnen, sondern im Gegenteil uns, die wir ja vielleicht alle eine ähnliche Betroffenheit verspüren wie der Jüngling in der Bibel, klarzumachen, dass wir jederzeit unsere Prioritäten überdenken und gerade rücken dürfen.

Innehalten, aussteigen aus der scheinbaren Routine und Notwendigkeit. Immer wieder einmal Distanz einnehmen, einen Blick drauf werfen und Veränderungen versuchen. – Das Entscheidende ist meines Erachtens die innere Einstellung und Haltung dazu. Sich nicht leben lassen, ausgeliefert, ohnmächtig oder unreflektiert, sondern sich als selbstbestimmt erleben. Ich habe es selbst in der Hand, wonach ich mich ausrichte, was in meinem Leben an erster Stelle steht, was mein Lebensinhalt und mein Ziel ist. Die Schriftstelle ermuntert uns, stets auf der Suche zu bleiben nach den passenden Antworten auf die Frage: „Was ist in meinem Leben wirklich wichtig?“ Was besitzt unvergänglichen Wert für mich? Neben finanziellem Reichtum und Ansehen, rücken dann ideelle, innere Werte in den Fokus und bekommen mehr Gewicht. So kann die Antwort dann heißen: Begegnungen mit Menschen; meine Familie; meine Kinder….

Auch dazu sagt Jesus etwas Herausforderndes, denn auch innerhalb unserer familiären, verwandtschaftlichen Beziehungen, darf sich unser Blick weiten. Wir sind nicht festgelegt auf die Familie, die wir haben, sondern erleben im Glauben Verbundenheit und tragfähige Beziehungen weit darüber hinaus. Wir gewinnen Schwestern und Brüder im Glauben hinzu. Manch einer von uns klingt das „Schwestern und Brüder“ als Anrede zu Beginn einer Predigt vielleicht etwas altbacken oder frömmelnd, doch zum heutigen Evangelium ist es absolut passend, ja unerlässlich! Dabei ist in der Aufzählung Jesu über die neuen Familienverhältnisse im Glauben eines noch besonders auffällig. Er erwähnt keine Väter in Vers 30, denn Vater ist für alle gemeinsam Gott. Ich sehe darin die Aufhebung der üblichen patriarchalischen Familienstruktur. Das heißt, wir dürfen uns in unseren Familien alle auf Augenhöre begegnen und der unüberbietbar Verbindende in allem ist Gott selbst; er verzichtet bewusst darauf, Stellvertreter in unseren Familien zu installieren.

Eigentlich eine Revolution der Familienstruktur! Wie anders wäre wohl die Weltgeschichte verlaufen, wenn die Menschen Gottes Priorität beherzigt hätten? Ob auch die Bischöfe bei der „Familiensynode“ gemeinsam mit Papst Franziskus solche Gedanken haben? Ein spannender Gedanke und ich spüre deutlich die Dynamik darin.

Was ist wirklich wichtig? Haben wir also den Mut, unserer je persönlichen Antwort auf der Spur zu bleiben. In uns allen steckt das Potential zu Veränderung. Gott hat es in uns hineingelegt und er traut uns das zu.

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