Von Gott gefunden – 3. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1 und 4
1,1 Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat.
2 Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.
3 Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben.
4 So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.
4,14 Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend.
15 Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen.
16 So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen,
17 reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt:
18 Der Geist des Herrn ruht auf mir; /
denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, /
damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde /
und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
19 und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
20 Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
21 Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
22 Seine Rede fand bei allen Beifall; sie staunten darüber, wie begnadet er redete, und sagten: Ist das nicht der Sohn Josefs?

Autorin:
4f42d070Gabriele Thönessen, Gemeindereferentin im Pfarrverband Selfkant mit Schwerpunkt in der spirituellen Erwachsenenbildung, Bistum Aachen

 
Die Predigt:
Von Gott gefunden

Liebe Leserin, lieber Leser,
Nicht wiederzuerkennen!
„Ich erkenn´ meine eigene Tochter nicht mehr wieder!“, so klagte eine gute Bekannte vor einigen Wochen, deren Tochter Lisa nach einem Studienaufenthalt in England zurückgekehrt war. „Sie will nicht mehr in unsere Firma einsteigen, jetzt will sie plötzlich Sozialpädagogik studieren. Sie fragt uns gar nicht mehr, sie tut´s einfach. Wir streiten dauernd. Es ist, als wären wir Fremde.“

Wenn ein junger Mensch nach der Schulzeit für eine Zeit weg von Zuhause geht, in eine andere Umgebung, – dann kann er wertvolle Erfahrungen sammeln. Und Lisa hat wohl in der Zeit erkannt, was sie beruflich machen will, hat Selbstbewusstsein gewonnen und sich von ihrem Zuhause abgenabelt. Der Evangelist Lukas schildert uns bei Jesus eine ähnliche Situation. Jesus ging von Nazareth für einige Zeit in die Jordangegend zu seinem Verwandten Johannes, den man den Täufer nannte. Im Jordan lässt er sich von ihm taufen. Anschließend beginnt er, in Galiläa zu lehren und er findet Gehör bei seinen Zuhörern. Als er dann in seinen Heimatort zurückkehrt, hat er sich verändert. Viele Menschen in Nazareth werden sein Gesicht wiedererkannt haben, aber sein Verhalten wird ihnen fremd gewesen sein.

Was bildet der sich ein?
Jesus wird in der Synagoge eingeladen, einen Text aus der Schrift zu lesen. Von einer guten Nachricht, von Befreiung ist dort die Rede und von einem Gesandten Gottes, der dazu berufen ist, diese Nachricht zu verkünden und die Menschen zu befreien. Und dann kommt das Unerhörte: Jesus bezieht die Bibelstelle auf sich. Er sagt den Menschen, die ihn als – adoptieren – Sohn des Zimmermanns Josef kennen: „Ich bin der Messias, der von Gott gesandt ist, damit sich diese Worte erfüllen. Heute.“

Gerade in Nazareth hat das einen Aufruhr ausgelöst. Vielleicht haben die Menschen sich gefragt: Wie kann der, ausgerechnet der so etwas behaupten? Was bildet der sich ein? Jesus bildet sich nichts ein. Er hat am Jordan bei seiner Taufe eine einzigartige Gotteserfahrung gemacht: Er, der keinen biologischen Vater vorzeigen konnte, spürt Gottes unmittelbare Nähe, hört Gottes Stimme, die ihn als Sohn anredet; als geliebten Sohn.

Ich bin es!
Das verändert alles. Da geht man nicht einfach zurück nach Hause und macht weiter wie bisher. Jesus zieht sich in die Wüste, in die Stille zurück und kehrt verändert zurück. Er ist sich seiner selbst bewusst als Gottes geliebter Sohn, er ist sich Gottes Nähe bewusst, er ist sich seiner Berufung bewusst. Er hat sich selbst ganz gefunden, weil Gott ihn auf besondere Weise gefunden hat. Durch die Gotteserfahrung am Jordan verdichten sich all seine bisherigen Gedanken, Ahnungen, Wahrnehmungen, Überlegungen. In der Stille der Wüste tritt seine eigentliche Aufgabe klar hervor. Nun ist die Zeit gekommen, in der er sein öffentliches Wirken beginnt.

Ich bin so frei!
Er beginnt zu predigen, und die Menschen spüren, dass Jesus anders ist, mehr ist als einer der vielen Prediger seiner Zeit. Kein Wunder, dass man ihn in Nazareth kaum wiedererkennt.

Jesus redet Klartext, sagt frei heraus, was seine Aufgabe ist, die er erfüllen will. Er macht deutlich: Gott hat mich berufen und zu euch gesandt, mit einer frohen Botschaft. Dadurch könnt ihr frei werden, zu Sehenden werden. Jesus spricht diese Worte als jemand, dessen Suche an ein Ziel gekommen ist. Als einer, der seinen Weg gefunden hat, und auch bereit ist, ihn zu gehen. In aller Konsequenz. Das macht ihn und seine Nachricht erst glaubhaft.

Für die, die ihn vorher gekannt haben, ist das fremd. Die, die ihn erst durch seine Predigten kennen lernen, horchen auf. Interessant wird es für beide Seiten, wenn sie sich fragen, was die Botschaft von der Befreiung für sie persönlich bedeutet.

Es ist so weit!
Und das ist bis heute so. Jesus spricht als Gefundener zu uns Suchenden. Wenn ich mich von seinen Worten bewegen lasse, spüre ich unwillkürlich meine eigenen Fesseln wieder deutlicher. Ist meine Sehnsucht größer als meine Bequemlichkeit oder meine Furcht vor Veränderung, kann auch ich frei werden. Statt blind zu sein für die nächsten möglichen Schritte, statt gelähmt vor Angst zu sein, kann ich zu einem Menschen werden, der bereit ist zum Aufbruch. Immer wieder neu, gerade jetzt, zu Beginn dieses neuen Jahres.

Der lebendige Gottesgeist will uns alle in Bewegung versetzen. Er sucht nach uns. Er findet uns, wenn wir ihn suchen. Er sucht uns, wenn wir uns finden lassen.

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 78 = 79

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>