Alt und neu – 18. Sonntag im Jahreskreis B

Zweite Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus, Kapitel 4
Schwestern und Brüder!
17 Ich sage es euch und beschwöre euch im Herrn: Lebt nicht mehr wie die Heiden in ihrem nichtigen Denken!
20 Das aber entspricht nicht dem, was ihr von Christus gelernt habt.
21 Ihr habt doch von ihm gehört und seid unterrichtet worden in der Wahrheit, die Jesus ist.
22 Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben
23 und erneuert euren Geist und Sinn!
24 Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit

Autorin:
VMHEZ64LMaria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen, stellvertretende geistliche Leiterin der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Alt und neu

Liebe Leserin, lieber Leser,
vielleicht geht es Ihnen wie mir: mich stört das Wort Heiden. Unwillkürlich verbindet sich mit dem Begriff eine Abwertung derer, die nicht zum Christentum gehören oder gehören wollen. Verbunden damit ist oft ein herablassendes „die Unwissenden“. Ich kann den Begriff abwandeln und, möglichst nicht wertend, „die Anderen“ sagen. Spannend bleibt, warum die Unterscheidung zwischen Nichtchristen und Christen wichtig sein soll.

Näher betrachtet wird unterschieden zwischen nichtigem Denken einerseits und dem, was wir von Christus gelernt haben, andererseits. Vielleicht haften wir bestimmte Haltungen leichter Anderen an. Am Anderen lassen sich unerwünschte Haltungen ja bekanntlich viel leichter ablesen. Nichtiges Denken gilt als unerwünscht.

Merkwürdiger Weise öffnet der Text jedoch Spielraum für Spekulationen, mit Allgemeinplätzen wie Wahrheit, Erneuerung, Bild Gottes, Gerechtigkeit und Heiligkeit. Dazu lässt sich alles oder – eben deshalb besser – nichts sagen.

„Zieht den neuen Menschen an“, klingt auch nicht sehr konkret. Mit einiger Mühe kann ich das Wissen, dass es in erster Linie Diktaturen waren – und sind – , die „neue Menschen“ erziehen oder schaffen wollten, beiseite lassen und noch mal hinhören. „Zieh an“ klingt wie: nimm das mal, das steht dir. Nur: das – vorgestellte – Jacket oder Kleid heißt in diesem Fall: Neuer Mensch. Ich steige also in das Kostüm „Neuer Mensch“ und dann? Bin ich alle alten unerwünschten Haltungen los? Umgehend fallen mir einige Attitüden ein, mit denen ich meinen Mitmenschen – und mir – das Leben schwer mache.

Getrost gehe ich davon aus, dass dieser Text so oberflächlich nicht gemeint ist, denn sonst hätte er es kaum in den Kanon der Heiligen Schrift geschafft. Was bleibt? Die Aufforderung: Zieh an. Die Behauptung, es sei möglich neu zu werden. Die Zuversicht, Menschen können sich ändern. Der Text sagt nicht: ändert die Anderen. Sondern von Christus habt ihr gelernt neu zu werden. Ihr könnt euch ändern. Anziehen verstehe ich als entscheiden. Sich entscheiden im Sinne von sich entschließen; zu tun ist ein Akt, der hilft, „die machtvolle Dynamik Gottes in Gang zu setzen“. Diesen Ausdruck zitiere ich aus Angela Repkas Predigt vom letzten Sonntag. Der dort beschriebene Kontext ist das absichtslose Teilen.

Unser Kontext heute ist Veränderung, ist: alter Mensch – neuer Mensch. Die politische Philosophin Hannah Arendt sagt in ihrem Buch „Vita activa“, die bedeutende menschliche Fähigkeit sei die des Anfangens, die Fähigkeit, einen Beginn zu setzen, Initiative zu ergreifen. Unseren Lebensfaden in das schon vorhandene Gewebe zu schlagen und so das Muster mit zu entwickeln. Feministische Ethik bezieht sich auf Arendt und betont, Mensch-Sein sei mindestens ebenso vom Geboren-Werden her zu denken wie auf Sterblichkeit hin. Beides verändert den Blick auf Leben. Indem wir Geboren-Werden betonen, heben wir das Neue hervor, das mit jedem Menschen in die Welt kommt. Der Aspekt des Wachsens und Werdens wird bekräftigt. Das Ermöglichen ist im Blick. Ich denke an Abschlussschüler, die nach Freiwilligem Sozialem Jahr ein bisschen aufgeregt und mit Vorfreude ihren neuen Lebensabschnitt angehen. Aufbruchstimmung.

Die KAB bekräftigt Aufbruchstimmungen bei Menschen. In der KAB betonen wir, dass es wichtig ist, sich zum TUN zu entschließen. Nicht im Sinne von Rechtfertigung durch Werke, sondern im Vertrauen auf die machtvolle Dynamik Gottes. Das bedeutet, wir unterstützen strategisch das Sich-Aufmachen, das Aufbrechen. Anfangen und dann sehen was wird. Sich entschließen zum Tun kann heißen, als Betriebsrat zu kandidieren, Streuobstwiesen zu pflegen, ehrenamtlich Rat und Hilfe-Beratungsstellen mit aufzubauen, Aktionen zum Sonntagsschutz als wirksame Antistressmaßnahme zu unterstützen und vieles mehr.

Laut Papst Franziskus ist die Begrenztheit der eigenen Mittel keine Entschuldigung dafür, nicht anzufangen. Vermutlich wurde er im Hinblick auf die Flüchtlingshilfe in diesem Sinne zitiert. Die Aussage gilt aber auch für andere Bereiche. Bei Franziskus ist viel von Freude die Rede. Von der Freude, die vieles leichter macht, wenn wir erst erkennen, dass Mitgefühl und Initiative uns näher zu uns selber führen.

Und manchmal brauchen wir eben jemanden, der sagt: du kannst das. So wie es der Epheserbrief tut. Zieh an!

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