Wer ist weise und klug? – 14. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 11
25 In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.
26 Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
27 Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.
28 Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.
29 Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.
30 Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.

Autorin:
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Beate Limberger, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Lone – Brenz, Seelsorgerin für Familien mit behinderten Kindern im Dekanat Heidenheim

 
Die Predigt:
Wer ist weise und klug?

Liebe Leserin, lieber Leser,
Hand aufs Herz: wie wäre Ihre Antwort, wenn Ihnen jemand die Frage stellte: „willst Du klug und weise sein?“
Das stellt die Welt schon auf den Kopf, wovon Jesus da im Evangelium spricht: es ist den Klugen und Weisen verborgen – die Botschaft vom Reich Gottes! Mit den „Klugen und Weisen“ waren damals die Schriftgelehrten und Pharisäer gemeint, sie haben die Bibel studiert und nahmen für sich in Anspruch, zu wissen wo es langgeht und wie zu leben ist. Im Gegensatz dazu sind die „Unmündigen“ die Jünger und Jüngerinnen, allesamt Leute aus dem einfachen Volk. Sie werden von Jesus hervorgehoben, ihnen ist deutlich, worauf es ankommt: in der Verbindung mit Gott zu leben, wie es Jesus getan hat.
Und heute? Wer gehört zu welcher Personengruppe? Wo reihen wir uns ein? Brennende Fragen, die nicht einfach auf die Schnelle zu beantworten sind. Vielleicht kann es ein Weg sein, da erst mal genauer hinzuschauen, wo sich das Reich Gottes offenbart – oftmals im Unscheinbaren, Kleinen – genaues Hinsehen ist also gefragt! Mir fallen da ein paar Beispiele ein:
Wenn ich an meine Kinder mit „Behinderung“ denke und ihre ganz natürliche, unbeschwerte Weise auf Menschen zuzugehen und ihre Bedürfnisse kundzutun, dann spüre ich tief in mir etwas von der Liebe Gottes, die sie ausstrahlen.
Überhaupt Kinder: wie oft leben sie ganz im Hier und Jetzt und fragen nicht nach vorher oder nachher? Dieses „im Augenblick leben“ schafft ihnen eine besondere Nähe zu Gott, denn er ist eben im gegenwärtigen Moment erfahrbar und nicht in unserem Gedankendschungel, in dem wir uns so oft verlieren. Auch so manche alte Menschen strahlen diese „Gottesnähe“ aus, wenn sie in tiefer innerer Zufriedenheit sein können. Und mir fällt eine schwer kranke Frau ein, die mich zutiefst beeindruckt. Sie lebt in einer derartigen Präsenz und besitzt eine große Ausstrahlungskraft, dass viele Menschen zu ihr kommen, um ihre Sorgen bei ihr loszuwerden. Auch bei Sterbenden habe ich diesen Ausdruck in den Augen schon gesehen, der ohne Worte davon spricht, dass eine kraftvolle transzendente Gegenwart genau in diesem Augenblick an diesem Ort DA IST.
Gott selbst, der „ICH BIN DA“ schenkt sich wo wir ihn einlassen, wo er den „bereiteten Boden“ findet. Wir brauchen ihn nicht zu suchen an den Enden der Erde, jenseits des Meeres, in den Weiten des Himmels; nein, er ist nah bei dir in deinem Herzen, so verkündet es uns bereits das alttestamentliche Buch Deuteronomium.
Um dies zu erfahren, muss der Boden bereitet werden.

Wie geht das? Eine Antwort darauf gibt uns der zweite Teil des Evangeliums, wo Jesus sagt: „Kommt zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.“ Damals waren wohl primär die Lasten gemeint, die den Menschen von den Pharisäern aufgebürdet wurden: die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften, die das gesamte Leben betrafen. Bereits beim Propheten Jesaja wird das Bildwort vom „Joch des Gesetzes“ verwendet, verbunden mit der Vorstellung von der leichten Mühe und vom Finden der Ruhe. Auch heute schleppen wir die unterschiedlichsten Lasten mit uns: Schweres, das uns auf der Seele liegt, Sorgen und Nöte, Trauer und Angst, gesellschaftliche und kirchliche Probleme usw. Die Reihe der Lasten ist endlos. Und da hinein sagt Jesus: „Kommt alle zu mir! Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ Welch eine Verheißung. Ich muss nichts dafür tun, nichts leisten, nichts vorweisen. Ich darf einfach kommen wie ich bin, mit allem was mich ausmacht, und finde das, was meine Seele so dringend braucht: Ruhe. Nicht zu verwechseln mit oberflächlicher Langeweile, sondern hier ist ein tiefer innerer Frieden verheißen, der uns vom Grund unserer Seele her zufließt.

Es braucht hierfür einen ruhigen Ort und eine Zeit, in der wir nicht irgend etwas nachjagen, sondern einfach ganz da sein können. Eine Zeit, in der wir die äußeren Stimmen verklingen lassen, um zur tiefsten inneren Stimme zu gelangen, zu Gott selbst. Es geht um keine Leistung, um kein Streben nach Karriere, Macht oder Geld und es geht auch um kein kluges Nachdenken – in all dem vermag uns das Wesentliche verborgen bleiben. Einfaches Da-Sein ist gefragt, um im Hier und Jetzt Begegnung zu feiern mit der liebenden Gegenwart Gottes, die in und um uns ist. Madeleine Delbrel, eine französische Mystikerin der Straße im 20. Jahrhundert, drückt es so aus: „Das Evangelium verlangt, um sein Geheimnis preiszugeben, weder Ausschmückung noch Bildung noch eine Technik. Es braucht nur eine Seele, die anbetend niedergesunken ist, und ein Herz, das kein Vertrauen mehr in menschliches Vermögen setzt.“

Das ist die Herzensklugheit, um die es Jesus geht – damals für seine Jünger und Jüngerinnen und heute für alle, die sein Wort hören und ihr Leben darauf bauen.
Amen.

Literaturempfehlung: Madeleine Delbrel, Gott einen Ort sichern, Texte – Gedichte – Gebete, hrsg. von A. Schleinzer, Stuttgart 2002

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2 Antworten auf Wer ist weise und klug? – 14. Sonntag im Jahreskreis A

  1. W. sagt:

    Diese Predigt hat mir gut getan. Es ging von ihr eine Ruhe aus, die ausstrahlt auf meine Unzufriedenheit mit mir selbst. Das Zitat von M. Delbêl am Abschluss brachte alles auf den Punkt: Anbetung, was in unserer heutigen Welt fast unmöglich erscheint. Danke!

  2. Herlinde Bentele sagt:

    „Klug und weise“ ist wohl eine Redensart und meint vermutlich das intellektuelle Nachdenken. Unter „weise“ verstehe ich eigentlich das Gegenteil, nämlich in der Wahrheit Gottes stehen. Ein weiser Mensch denkt mit dem Herzen, nicht allein mit dem Verstand.
    Es mag behinderte Kinder geben, die sehr offen und zugänglich sind (Down-Syndrom), aber es gibt auch solche, die voller Aggressionen sind. Vorsicht vor Schönmalerei.
    Aber wie sehr kleine Kinder einen ins Hier und Jetzt bringen, kann ich immer erleben, wenn ich mit meinen Enkelinnen zusammen bin. Sie dulden kein Wegdriften.
    So driftet auch Gott nie weg, er begleitet mich ständig, sogar aufs stille Örtchen.
    Seine Präsenz bewirkt Wärme, Beweglichkeit, ein sich ständig neu Erfinden.
    In der Übersetzung von Fridolin Stier steht statt „Ruhe“ das Wort „Aufatmen“ – Ihr werdet Aufatmen finden für euer Leben. Wenn am Grab gebetet wird: Der Herr gebe ihm die ewige Ruhe, übersetze ich immer: Das ewige Leben. Aufatmen, Frieden in mir finden, in Ihm finden, weil er mich hält und erhält. Dann kann der Atem wieder ruhig fließen, ich nehme mich, meine Umwelt entspannter wahr.
    Danke für die Denkanstöße!

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