Was will DIE denn? – 20. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 15
21 In jener Zeit dort zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück.
22 Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält.
23 Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine – Jüngerinnen und – Jünger zu ihm und baten: Befrei sie von ihrer Sorge, denn sie schreit hinter uns her.
24 Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.
25 Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!
26 Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.
27 Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.
28 Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.

Autorin:
Silke Weihing Silke Weihing, Pastoralreferentin im Schuldienst, verheiratet, zwei Kinder, immer wieder als Aushilfe bei Gottesdiensten in der JVA für Frauen in Schwäbisch Gmünd tätig

 
Die Predigt: in der Justizvollzugsanstalt „Gotteszell“
Was will DIE denn?

Was will DIE denn?
Ich kann mir vorstellen, dass diese Frage auch hier bei Ihnen öfter mal gestellt wird.
Oder?
Was will DIE denn?
In der einen oder anderen Situation wird es schon vorkommen, dass es zwischen Ihnen Unverständnis, genervtes Abtun, ja sogar Ablehnung und Feindseligkeit gibt.
Weil jemand anders ist.
Weil jemand aus einem anderen Land kommt.
Weil jemand eine andere Sprache spricht.
Weil jemand eine andere Religion hat.
Weil jemand einer anderen Gruppe angehört.
Da rutscht es bestimmt schon mal raus – so ein
Was will DIE denn?

Was will DIE denn?
Das fragt sich auch Jesus in der Geschichte, die wir gerade aus der Bibel gehört haben.
Was will diese Frau, die zu einem anderen Volksstamm gehört?
Was will diese Frau, mit der ich als Mann doch sowieso eigentlich keinen Kontakt haben darf?
Was will die denn?

Sonst stellen wir uns Jesus ja immer als so umgänglichen, einfühlsamen, offenen Typ vor.
Aber in dieser Szene könnte ich mir gut vorstellen, dass er es sagt oder zumindest denkt, dieses
Was will DIE denn?
Denn er reagiert erst einmal gar nicht.
Obwohl sie ihm eigentlich gleich von Anfang an ziemlich offen sagt, was sie von ihm will. Sie will, dass er ihre Tochter heilt.
Das will die!
Aber Jesus, der sagt erst mal gar nichts.
Dafür setzen sich die Jünger für die Frau ein. Aber auch nicht aus Nächstenliebe oder ach so großem Verständnis, nein, allein, weil die Frau nicht aufhört, ihnen nachzuschreien und sie zu nerven.
Die Jünger wollen also lieber, dass Ruhe ist und nicht, dass hier an einer Frau wieder einmal die Größe und Herrlichkeit Gottes gezeigt wird.
Jesus soll ihr helfen, damit sie aufhört zu schreien.

Wenn ich mir diese Szene so bildlich oder als Film vorstelle, dann rollt in meiner Phantasie Jesus jetzt erst mal seinerseits genervt mit den Augen. „OK, dann bleib ich eben stehen und stell die Sache klar.“ Aber nicht so, wie man dann wieder so vorurteilsmäßig von Jesus erwartet. Er hilft nämlich wieder erst mal nicht. Sondern stellt der Frau gegenüber klar, dass er in ihrem Fall eigentlich nicht zuständig ist. Seine Hilfe, sein Auftrag, den Menschen von Gott zu erzählen und ihnen seine Liebe, seine Vergebung, seine Hilfe zu bringen, gilt den Menschen aus dem Haus Israel. Sorry, da ist nichts drin für die anderen.
Herzlos! So kennen wir Jesus gar nicht!

Aber, mit einem guten Konter schafft es die Frau doch noch, Jesus auf ihre Seite zu bringen und das zu erreichen, was sie will. Mit ihrem Bildwort von den Hunden, für die beim Fressen ja auch wenigstens die Krümel bleiben, schafft sie es irgendwie Jesu Haltung zu verändern.
Er merkt wohl in diesem Moment etwas, was wir sonst bei ihm für selbstverständlich halten:
dass es völlig egal ist, aus welchem Volk ein Mensch stammt.
Dass es völlig egal ist, welcher Religion ein Mensch angehört.
Dass es völlig egal ist, ob es hier um eine Frau oder um einen Mann geht.
Alles, worum es geht, ist, dass Menschen Hilfe erfahren.
Und die Frau glaubt mit ganzem Herzen daran, dass ihr Jesus diese Hilfe für ihre Tochter geben kann.
Mit ihrer Beharrlichkeit und ihrer intelligenten Entgegnung schafft sie, dass Jesus sich nicht mehr fragt:
Was will DIE denn?
Sondern:
Was will die denn? Was will die wirklich? Was braucht diese Frau? Wo drückt sie der Schuh? Was ist ihre Not?
Und davon lässt sich Jesus bewegen, ja verändern und aufbrechen.
Und das im wörtlichen Sinne: bislang hat er wohl wirklich geglaubt, er sei für Menschen außerhalb seiner religiösen und nationalen Grenzen nicht zuständig.
Aber durch die Begegnung mit dieser Frau bricht da bei Jesus und seiner Einstellung etwas auf, verändert sich etwas.
Und es zeigt sich dann das, was wir eigentlich gleich von Jesus erwartet oder doch erhofft hätten:
dass er hilft.
Dass er zeigt, dass er die Macht hat, das Böse – hier in Form eines quälenden Dämons – zu besiegen.
Dass er sich wirklich für die Anliegen der Menschen interessiert.
Dass er da ist, wo er gebraucht wird.
Dass er einen Blick auf Menschen am Rand wirft.
Dass es ihn wirklich interessiert, was DIE will.

Das macht mir Mut, auch mit allem, was mir auf dem Herzen liegt, zu Jesus zu kommen. Weil ich – wie die kanaanäische Frau – darauf hoffe, dass er für mich da ist, dass er meine Anliegen nicht abwimmelt, dass er auch bei mir nicht denkt:
Was will DIE denn?
Sondern:
Was will die denn? Was braucht die? was liegt ihr auf dem Herzen?

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Eine Antwort auf Was will DIE denn? – 20. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Kähny sagt:

    „…man kann nicht a l l e retten…!“
    Kommt nicht der/die Gütigste angesichts des Leids in der Welt an Grenzen ?
    Der Umgang mit Ressourcen:
    vielleicht will Matthäus sagen, dass nicht der Mensch,sondern allein Gott der Herr ist über die Liebesmüh´…!
    Eine Frohe Botschaft gegen Zwanghaftigkeit und Überforderung.
    Und gegen die Angst vor dem Gericht !

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