Gott ist weg – 19. Sonntag im Jahreskreis A

Lesung aus dem ersten Buch der Könige, Kapitel 19
In jenen Tagen kam Elija zum Gottesberg Horeb.
9 Dort ging er in eine Höhle, um darin zu übernachten. Doch das Wort des Herrn erging an ihn:
11 Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben.
12 Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.
13 Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.

Autorin:
Foto_Jutta_Schnitzler-Forster-225x300Jutta Schnitzler – Forster, verheiratet, zwei Söhne, Gemeindereferentin in Ulm,
Bildungsreferentin und Organisationsberaterin

 
Die Predigt:
Gott ist weg

Liebe Leserin, lieber Leser,
vor wenigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, an einer Führung in der derzeit streng gesicherten Ulmer Synagoge teilzunehmen, die orthodox geführt ist. Die Jungs mussten beim Betreten des Gebetsraums eine Kippa aufsetzen, diese kleinen, runden Käppchen. Das sorgte, wie meist, für Erheiterung und humorvoll erklärte die junge Jüdin, die uns führte, warum das Tragen der Kippa für Männer so wichtig ist: „Männer müssen stets daran erinnert werden, dass es noch jemanden gibt, der größer und mächtiger ist, als sie selber.“

Vielleicht sind es nicht nur jüdische Männer, die diese Erinnerung brauchen.
Eine Erinnerung, dass Gott da ist, kann sehr hilfreich sein. Für andere, aber auch für einen selber. Der Gottesglaube im christlichen Europa ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Dabei haben durchaus viele Menschen eine Vorstellung von Gott. Es scheint, als suche sich jede und jeder das für sie oder ihn Passende heraus. Es ist nicht mehr wichtig, ob man in den Gottesdienst geht oder nicht, ob man fastet, betet oder pilgert. Es ist keine Selbstverständlichkeit, sich für andere einzusetzen. Es sind vielmehr immer die Gleichen, die sich engagieren. In unseren Kirchen werden es immer weniger Menschen, die hier ihren Glauben leben und Gemeinde bilden. Die Suche nach Gemeinschaft und Erlebnis erfüllt sich offensichtlich an anderen Orten. Denken Sie nur an das Zelebrieren der Fußball-WM und anderer sportlicher Ereignisse! Denken Sie an den hohen Wert von Freizeitaktivitäten und Reisen!

Die Frage nach Gott ist kein öffentliches Thema mehr. Der Glaube wirkt überholt, er passt nicht mehr zum Lebensgefühl heutiger Menschen. Darf oder muss sich Glaube und die Vorstellung, was Gott ist, verändern, wenn sich eine Zeit so radikal ändert?

In der Lesung hören wir vom Propheten Elija. Er lebt in einer Zeit des Übergangs: nicht mehr Baal und Aschera sollen verehrt werden. Israel soll sich zu Jahwe, dem unsichtbaren und rettenden Gott bekennen. Elija wird zum Eiferer. Für sein Ziel kämpft er bis zur Erschöpfung. Das Volk ist stur und er muss sie mit Wundern überzeugen. Das Volk ist nicht bereit für den Wandel. Die Menschen zur Zeit des Elijas tun sich schwer, ihre bisherigen Gottesvorstellungen los zu lassen und an diesen geheimnisvollen „Ich bin da“ zu glauben. Es braucht den ganzen Einsatz von Elija und immer wieder kämpft er bis zur Erschöpfung. Wir kennen die Geschichte von Elija unter dem Ginsterstrauch, der von Engeln versorgt und gestärkt wird, damit er seinen Auftrag weiter erfüllen kann. Gestärkt wandert er 40 Tage in der Wüste. Er sucht Gott.

Mitten in der Nacht, die möglicherweise ein Zeichen für seine dunkelste Glaubenskrise ist, ergeht der Ruf des Herrn an ihn, vor die Höhle zu treten, hinaus in die Welt, in der gerade der Sturm tobt. Hier bekommt er Antwort. Auch diese ist symbolischer Natur. Gott ist nicht im Sturm, nicht im Beben und nicht im Feuer. Die Macht und Kräfte der Natur sind nicht zu verwechseln mit Gott! Erst das sanfte Säuseln, das nicht bedroht, das keine Macht hat, ist ein Zeichen für die Nähe Gottes.

Ist diese leise Präsenz Gottes in unserer Zeit zu wenig? Wird Gott überhört, weil es zu laut und unübersichtlich geworden ist? Wird er übergangen und verplant, weil wir immer wichtigere Dinge zu erledigen haben? Wurde er verdrängt von spektakulären Ereignissen und Events? Reicht uns die Freude und Erfüllung durch Wohlstand und Konsum?

Gott ist weg –
So scheint es.

Das auszuhalten ist eine große Herausforderung gerade für uns „Gläubige“, für alle, denen Gott wichtig ist. Da ist die Hoffnung und Gewissheit, sich geliebt und gehalten zu fühlen. Auch über den Tod hinaus. Das ist ein hoher Wert. Das schafft Vertrauen und Perspektive für das Leben.

Gläubigen Menschen ist es, wie Elija, gegeben, Gott zu erfahren. Nicht nur in den leisen Dingen, aber immer mittendrin! Dass Sie davon etwas erfahren dürfen, das wünsche ich Ihnen besonders jetzt in der Ferienzeit!

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten auf Gott ist weg – 19. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Kähny sagt:

    Blindheit…!

    wir wissen,was die Theologen über Gott sagen.
    Aber-
    die Theologen wissen nicht, was „wir“ über Gott sagen.
    Oder- noch wichtiger-
    was Gott „uns “ sagt.

    Ganz sicher ist, dass Gott sich nicht ausschliesslich über die – so oft fehlinterpretierten -Hl. Schriften mitteilt, weshalb diese zurecht ihre Bedeutung für die GottsucherInnen verlieren.

  2. Ulrike Altherr sagt:

    Sicher teilt sich Gott nicht ausschließlich, aber wesentlich über die hl.. Schriften mit.
    Deshalb finde ich es nicht richtig, dass sie ihre Bedeutung für die GottesdienstbesucherInnen verloren haben. Vielmehr geht es darum die biblischen Texte immer wieder so sachgerecht wie irgend möglich zu „übersetzen“.

    • Kähny sagt:

      …sachgerecht…

      Liebe Frau Altherr,

      ist nicht die Ratio – das „so irgend möglich „sachliche Argumentieren “ – der Todesstoss jeder (Liebes-) Beziehung :( Gott ist Liebe …!) ?

      Sicher -ohne Sachkenntniss geht es nicht.
      Religiöse Authenzität wurde aber zu allen Zeiten mehr über die stärker emotional geprägten Mütter „wahr -“ genommen…

      Und die haben die Herren Theologen aus den Kirchengemeinden vertrieben !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 1 = 1

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>