Pfingsten kann Nebenwirkungen haben! – Hochfest von Pfingsten

Erste Lesung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 2
1 Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle – die Apostel, etwa 120 Brüder, Maria mit den Frauen und die Brüder Jesu (Kap 1,14 – 15) – am gleichen Ort.
2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren.
3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.
4 Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.
5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden.
7 Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden?
8 Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören:
9 Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien,
10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten,
11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 20
19 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
23 Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.

Autorin:
Bild_Lerke1Maria Lerke,
Pastoralreferentin, Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Pfingsten kann Nebenwirkungen haben!

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker“ – wer kennt ihn nicht, diesen Ratschlag der Pharmaindustrie – denn wer liest schon gerne die Beipackzettel, die den Tablettenschachteln beigefügt sind? Risiken und Nebenwirkungen – alles, was wir tun oder lassen, hat Auswirkungen – nicht nur im medizinischen Bereich – auch im normalen Alltag! Ob ich gut gelaunt in die Schule gehe oder gestresst bin – die Nebenwirkungen sind prompt am Verhalten der Schüler/innen zu spüren. Ob ich mich an Verkehrsregeln halte oder es mal wieder eilig habe – über dieses Risiko kann ganz aktuell unser Bundestrainer Löw Auskunft erteilen! Welche Risiken und Nebenwirkungen unser Glaube haben kann, das können wir in den Lesungen zum Pfingstfest nachlesen.

Nach den katastrophalen Erfahrungen am Karfreitag hatte es den Jüngerinnen und Jüngern regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen. Jesus, auf den sie all ihre Hoffnung gesetzt hatten, wurde wie ein Verbrecher am Kreuz hingerichtet. Der Hoffnungsträger, auf den sie ihr ganzes Leben ausgerichtet hatten, war tot. Ratlos und völlig verunsichert haben sie sich zurückgezogen, haben ihre Türen und Herzen verschlossen. Voller Angst wissen sie nicht mehr weiter. Würden wir mit heutigen medizinischen Begriffen die Situation der Betroffenen beschreiben, vielleicht wären da Begriffe wie „posttraumatische Störung“, „Depression“ oder „Burn-out“ auf der Krankmeldung zu finden.

Und das, obwohl Jesus den Seinen das Heil versprochen hatte? Wir wissen heute, dass Jesus an Pfingsten sein Versprechen auf ganz besondere Weise eingelöst hat. Durch die Sendung der Heiligen Geistkraft haben die Jüngerinnen und Jünger wieder Lebensmut bekommen! Erstarrtes wurde gelöst, Totgeglaubtes wurde wieder lebendig, sie konnten wieder frei atmen und reden. Der Nebel, der über ihren Seelen lag, hat sich wieder gelichtet. Wie Jesus das gemacht hat, beschreibt der Evangelist Johannes so: Jesus trat in ihre Mitte, zeigte seine Wundmale und machte noch einmal damit deutlich, dass sein Tod am Kreuz nicht umsonst war. Jesus zeigte sich als der, der er immer war: als einer der Frieden mitbringt. Zweimal sagt er: „Der Friede sei mit euch!“ Das ist mehr als ein frommer Wunsch – Jesus „befiehlt“ diesen Frieden mit seiner göttlichen Vollmacht über seine Jüngerinnen und Jünger – mit diesem Shalom ist mehr gemeint als das, was wir unter Frieden verstehen. Es geht um ein Heil- und Wohlsein, um Zufriedenheit und im Einklang leben, um ganz und gar erfülltes Dasein.

Mit diesem Geist des Friedens, der Hoffnung und der Heilung haucht Jesus die Verängstigten an, um sie zu beleben und zu beatmen. Mit diesem Hauch werden wir an den Anfang der Bibel, an die Schöpfungsgeschichte erinnert, als Gott den ersten Menschen seinen göttlichen Odem einblies und sie so zum Leben erweckte. Angehaucht werden – „igitt“ – haben meine Schüler/innen spontan gesagt, als wir diese Stelle in der Bibel gelesen haben. „Da kann man sich ja anstecken!“ Ich denke, dass Jesus genau das erreichen wollte, als er den Seinen diese lebensspendende Geistkraft einhauchte – sie anstecken mit seiner Kraft, ja mehr noch, eine Reanimierung, eine Wiederbeseelung. Und die hatte wirklich Folgen!

Wie in der Apostelgeschichte mit mächtigen Bildern erzählt wird, waren die angehauchten Jüngerinnen und Jünger von jenem Moment an Feuer und Flamme, total BeGEISTerte! Der Funke war übergesprungen, wie ein Sturm war die Erkenntnis über sie gekommen, dass Jesus auch weiterhin bei ihnen ist und sie mit seiner Geistkraft führt und begleitet. Jesus war und ist auch in Zukunft Sinn und innerste Mitte ihres Lebens. Sie bekommen Mut zum nächsten Schritt. Übervoll von diesem beglückenden Erlebnis gehen sie hinaus und laufen förmlich über – aus ihnen sprüht es heraus und sie verkünden allen, dass Jesus, der Gekreuzigte auferstanden ist, dass die Macht des Todes durch die göttliche Macht der Liebe gebrochen ist. Gottes zugesagter Shalom gilt trotz Jesu Tod – Gottes Geistkraft wirkt und wird, wie versprochen, die Welt und die Menschen in eine gute Zukunft führen.
Die Erfüllung mit der heiligen Geistkraft hatte für die Jüngerinnen und Jünger eine so starke Wirkung, dass manche sogar meinten, sie stünden unter Drogen, sie wären betrunken. Viele Menschen, die nach Jerusalem gekommen waren, wurden ebenso angesteckt, sie verstanden plötzlich die frohe Botschaft, die aus den Jüngerinnen und Jüngern heraussprudelte.

Dieses Ereignis war wirklich ein Neubeginn – der Geburtstag der Kirche; die Heilige Geistkraft brachte so viel Mut, dass die angesteckten Jüngerinnen und Jünger von da an das Heilswerk Jesu Christi fortsetzten. Sie ließen sich von ihm hinaus senden zu allen, die verwundet sind, die am Leben zweifeln, die keinen Weg mehr erkennen und die Heilung brauchen. Gemeinden entstanden und die Frohe Botschaft hat Menschen vereinigt, die dies nie für möglich gehalten hätten.

Der „neue Weg“ brachte jedoch auch viele Risiken und Nebenwirkungen mit sich – denken wir an die Christenverfolgungen damals – bis in unsere heutige Zeit hinein. Aber wo wären wir, wenn Menschen nicht auch heute mutig für Jesus Christus und seine frohe Botschaft eintreten würden? Wo wären wir heute, wenn sich alle nur hinter Kirchenmauern einschließen und ein gemütlich-wohnzimmerliches-Feierabend-Christentum leben würden? Auch heute braucht Christus Menschen, die sich anstecken lassen, die ihre Türen aufmachen für frischen Wind, auch heute braucht die Kirche Menschen, an denen die Wirkungen der heiligen Geistkraft erkennbar und erfahrbar werden.
Auch heute braucht die Welt Menschen, die sich unterscheiden, die Flagge zeigen und mutig den neuen Weg wagen.

Mut zur Unterscheidung – so hat Franz-Josef Ortkemper* in einer Pfingstpredigt mal gefordert. Er stellt da den Zeitgeist und den Heiligen Geist gegenüber. Zum Geburtstag der Kirche möchte ich Ihnen davon einige Gedanken schenken:
Die Machtworte des Zeitgeistes heißen: Erfolg, Event, Fitness, Flexibilität, Marktwert, Mobilität, Online und Spaß.
Der Zeitgeist zwingt. Gottes Geist befreit.
Der Zeitgeist zwingt uns in die Hektik. Gottes Geist schenkt Gelassenheit.
Der Zeitgeist macht uns zum Herdentier. Man tut, was man eben so tut. Wohin sie alle gehen, dahin gehen sie alle, und wovon sie alle wegbleiben, davon bleiben sie alle weg. Gottes Geist schenkt Zivilcourage und Verantwortung.
Der Zeitgeist will, dass wir immer mehr haben. Gottes Geist schenkt, dass wir immer mehr sind.
Wo der Zeitgeist auf Erfolg setzt, da setzt Gottes Geist auf Liebe.
Wo der Zeitgeist das Leben in Euro und Cent umrechnen will, seinen Anfang und sein Ende bestimmen möchte, da erinnert uns Gottes Geist an die Würde eines jeden Menschen.
Und wo der Zeitgeist mit Bomben verteidigen will, was er für Ehre hält, da halten begeisterte Menschen ihre Hand zur Versöhnung bereit.

Von welcher Geistkraft lassen wir uns heute leiten? Wes Geistes Kind bin ich? Kriegt meine Umwelt davon was mit? Helfen wir mit, dass Gottes heilige Geistkraft auch heute seine Kirche in Bewegung bringt! Denn „Kirche“ das sind wir – alle, die zum Kyrios, zum Herrn gehören.

Risiken und Nebenwirkungen des Glaubens? – An unserem Leben, an unserer Begeisterung und Leidenschaft sollten unsere Zeitgenossen spüren können, welche Wirkkraft Jesus auch heute noch hat.
Ein bewegendes Pfingstfest wünsche ich Ihnen allen! _____________________________________________________________________
*(Franz-Josef Ortkemper war früher Leiter des Katholischen Bibelwerks und ist jetzt Ruhestandsgeistlicher in Waiblingen)

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Pfingsten kann Nebenwirkungen haben! – Hochfest von Pfingsten

  1. Kähny sagt:

    Zeitgeist vs.Geisteskraft…

    wer gegen den Strom schwimmt leidet unter Anpassungsstörung und bekommt eine Psychotherapie.

    Was ist die Norm in SEINER Kirche ?

    Die 1:1 Übernahme der vom CHRISTUS bekämpften israelitischen Theokratie ?
    Die Verkündigung SEINER Froh-Botschaft auf gold-und purpurfarbenen Events ?
    Die höchsten Suizidraten in den reichsten deutschen Bistümern NRW,Bayern,BW ?

    Risiken und Nebenwirkungen des Glaubens …?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

94 − = 87

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>