Ringen mit einem Evangeliumstext – 7. Sonntag der Osterzeit

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 17
In jener Zeit
1 erhob Jesus seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht.
2 Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt.
3 Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast.
4 Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast.
5 Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war.
6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben, und sie haben an deinem Wort festgehalten.
7 Sie haben jetzt erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist.
8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, gab ich ihnen und sie haben sie angenommen. Sie haben wirklich erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast.
9 Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir.
10 Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht.
11 Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt, und ich gehe zu dir.

Autorin:
Walburga_2009Walburga Rüttenauer – Rest, Bensberg, verheiratet, drei Kinder, Grundschullehrerin, nach der Pensionierung Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische und liturgische Aufgaben in der Pfarreigemeinde

 
Die Predigt:
Ringen mit einem Evangeliumstext

Liebe Leserin, lieber Leser,
das Johannesevangelium des heutigen Sonntags hat mir viele Fragen beschert und hat mich sehr verunsichert. Ich lade Sie trotzdem ein, an meinem Ringen um den Text teilzunehmen.

Wir, die dieses Evangelium heute hören, sind sozusagen eine Zuhörerschaft zweiter Klasse. Wir fühlen uns unbeteiligt, da wir zur Zeit Jesu oder kurz danach nicht gelebt haben. Die meisten von uns kennen Verfolgung, Folter und qualvollen Tod nur durch das Fernsehen oder durch Erzählungen der Menschen, die im 2. Weltkrieg oder in einem diktatorische Regime gelebt haben. Die Betroffenheit, Scham und Hoffnungslosigkeit der Jünger, die vor Angst Jesus überstürzt verließen, können wir nicht wirklich nachempfinden. Doch noch schwerer fällt es uns, die Ergriffenheit, hervorgegangen aus der Begegnung mit dem unnahbar herrlichen Sieger über den Tod, uns vorzustellen.

Wörter wie: „verherrlichen“ und „Herrlichkeit“ klingen wie Bilder aus vergangenen Zeiten, wo sich Könige, Herrscher, Fürstbischöfe mit übertriebenem Pomp dem einfachen Volk zeigten. Mit einer wirklichen Gotteserfahrung kann ich jedenfalls diese Worte nicht verbinden. So war ich auch nicht erstaunt, dass ich, als Zuhörerin, das Gebet zunächst wie einen Monolog aus einem Theaterstück empfand, das uns vorgespielt wird. Wüsste ich nichts von der Passion, die darauf folgen wird, und wäre mir nicht von Kindheit an Ehrfurcht vor Gott und seinem Sohn eingeflößt worden, hätte ich es nicht wirklich ernst nehmen können. Ein Gebet wie dieses, so dachte ich, ist doch etwas Intimes zwischen dem Beter und Gott. Als Zuhörerin fühlte ich mich fehl am Platz, weil ich mich nicht angesprochen glaubte. Es war mir unangenehm, weil ich heimlich erlauschte, was nicht für meine Ohren bestimmt war, so jedenfalls kam es mir vor. Oder hatte der Evangelist dieses Gebet allein aus pädagogischer Absicht entworfen, es Jesus in den Mund gelegt und an dieser Stelle eingefügt?

Immer wieder las ich den Text und immer wieder stieß ich mich an den Wörtern: Herrlichkeit – verherrlichen, die in diesem Textstück sechsmal verwandt werden. Mein Widerstand gegen diese „Vokabel“ beruht wahrscheinlich auf der Silbe: „Herr“ und den Erfahrungen mit diesem Wort. Ich suchte nach der Bedeutung des griechischen Wortes und fand Glanz, Pracht, Licht, Strahlen, Macht, Anerkennung. Ging es Jesus wirklich darum oder war ich in eine Sackgasse geraten? Jesus bittet um seine Verherrlichung durch den Vater kurz vor seiner Gefangennahme und der anschließenden Kreuzigung. „Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn!“ Das klingt in meinen Ohren wie Ironie, wenn ich an die bald folgende Verspottung des dornengekrönten Jesus denke. Auch seine Auferstehung war eigentlich keine Verherrlichung im menschlichem Sinne, denn sie geschah ohne Publikum. Kein lebender Mensch war bei der Auferstehung Augenzeuge. Verherrlichen verlangt aber nach Publikum.

Die Begegnung der Jüngerinnen und Jünger mit dem Auferstandenen war jedes Mal mit einer Glaubensprüfung verbunden und nicht mit einem Triumph des Auferstandenen, wie unsere Osterlieder oft vermitteln wollen. Diese Form von Verherrlichung muss auf einer anderen Ebene liegen. Also war meine Schlussfolgerung: Zurück zum Text:
In Vers 10 heißt es:“in ihnen bin ich verherrlicht“. In ihnen? Wieso verherrlicht in ihnen? Ganze elf Jünger und eine kleine Gruppe von Frauen, das war die Bilanz, die Jesus vorzuweisen hatte, als er dieses Gebet sprach. Aus menschlicher Sicht kaum ein Grund, um von einer Verherrlichung zu sprechen, zumal diese kleine Schar später den Auferstandenen keineswegs begeistert begrüßte, sondern weiterhin in Angst lebte. Von einer besonders großen Anzahl an Menschen also hängt diese Verherrlichung nicht ab. Ja, selbst unsere Unsicherheit, unsere Glaubenszweifel liegen dieser Verherrlichung nicht im Wege.

Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben„. Wir alle sind also ein Geschenk Gottes an seinen Sohn, wenn wir an ihn glauben. Da ist es unwichtig, ob es nur eine Hand voll sind oder eine unüberschaubare Menge. Die Verherrlichung Jesu hängt also allein von unserem Glauben an ihn ab, mag er auch schwach und anfällig sein, mögen wir wenige oder viele sein. Wir brauchen vor diesem großen Auftrag nicht zu kapitulieren, denn wir wurden von Gott dazu ausgewählt, Jesu Werk und Botschaft glaubend zu leben.

Die Verherrlichung Jesu entfaltet sich also in der menschlichen Geschichte bis in die heutige Gegenwart und in die geschichtliche Zukunft hinein. Sie entfaltet sich immer da, wo Menschen sich von Gott auswählen lassen. Das Besondere an dieser Erwählung durch Gott besteht darin, dass er dieses Risiko eingeht, wohl wissend, dass wir unserem Glauben an seinen Sohn auch untreu werden könnten. Das Gebet ist, so verstehe ich jetzt, nicht ein privates Gespräch Jesu allein mit seinem Vater, wie ich geglaubt hatte, sondern ist zugleich eine Botschaft an uns, die wir hören sollen. Wir werden zum Garant der Verherrlichung Jesu, indem wir an ihn glauben und damit auch an alles, was er uns gelehrt und vorgelebt hat. So wird mein persönlicher Glaube mitverantwortlich für die Verherrlichung Jesu in der Welt. Wir müssen keine missionarische Predigten halten und besonders schwere Taten vollbringen, wir müssen nur den Glauben an Jesus leben, unbeirrbar und verantwortungsvoll. Wobei ich mir bewusst bin, dass es leichter gesagt ist,“den Glauben an Jesus zu leben“ als das wirklich umzusetzen. Doch Jesus kann seinen Vater auf Erden nur allein durch unseren aktiven Glauben an ihn, Jesus, verherrlichen. Ihm sind bildlich gesprochen die Hände gebunden. Er kann nur handeln durch unsere Hände und auf diese Weise seinen Vater verherrlichen. Lassen wir uns darauf ein? Können wir es überhaupt? Sind nicht unsere Hände auch gebunden durch den Zeitgeist, in dem wir leben?

Im letzten Vers des heutigen Evangeliums bittet z.B. Jesus den Vater, uns zu bewahren, damit wir eins werden wie der Vater und der Sohn eins sind. „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.“ Wie steht es um die Einheit unter den Christen? Wenn sie nicht gelingt, ist das ein Indiz dafür, dass wir unseren Glauben an Jesus Christus verraten haben? Steht eine Kirche, der die Einhaltung selbst geschaffener Dogmen wichtiger ist als eine Kirchenspaltung, noch in der Nachfolge Christi? Sind wir in der Lage, Gott zu verherrlichen, wenn es uns nicht gelingt, an einem gemeinsamen Tisch Mahl zu halten, weil wir nicht Christus die Gäste aussuchen lassen, sondern dafür der Glaubenskongregation das Feld überlassen?

All diese Fragen scheinen sich allein an die kirchliche Hierarchie zu wenden und nicht an die einzelne Christin. Bleibt nur die Frage: Wird unser Glaube allein durch diese Hierarchie bestimmt? Ich selbst versuche, meinen Glaubensweg in der Nachfolge Jesu Christi zu gehen, unabhängig von den Wegweisern der kirchlichen Hierarchie, in der Kirche, aber frei von ihren Machtansprüchen.

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 16 = 21

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>