Wieder auf´s Neue nach vorne schauen – 1. Adventssonntag A

Der erste Adventssonntag bedeutet für Christen den Beginn eines neuen Kirchenjahres. Die Katholische Kirche folgt im Lesejahr A dem Matthäusevangelium. Lesen Sie eine kurze Einführung dazu am nächsten Sonntag.

Erste Lesung aus dem Buch Jesaja, Kapitel 2
1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat.
2 Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn / steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. / Zu ihm strömen alle Völker.
3 Viele Nationen machen sich auf den Weg. / Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn / und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, / auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, / aus Jerusalem sein Wort.
4 Er spricht Recht im Streit der Völker, / er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern / und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, / und übt nicht mehr für den Krieg.
5 Ihr vom Haus Jakob, kommt, / wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 24
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern – und Jüngerinnen:
29 Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
30 Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen.
31 Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zum andern.
32 Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.
33 Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr das alles seht, dass das Ende vor der Tür steht.
34 Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft.
35 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
36 Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
37 Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein.
38 Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging,
39 und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein.
40 Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen.
41 Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen.
42 Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.
43 Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht.
44 Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.

 

Autorin:
Bild_Lerke1Maria Lerke, Pastoralreferentin, Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
 
Die Predigt:
Wieder auf´s Neue nach vorne schauen

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Wo sie auch stecken, kommen sie gut an ihr Ziel“ – so sagte die freundliche Frau aus dem Radio vergangenen Mittwoch am Ende ihrer Staumeldungen. Ich steckte gerade im Berufsverkehr und dachte, na also, wie soll das denn gehen? Feststecken und trotzdem ans Ziel kommen? – Viele Situationen gingen mir durch den Kopf, wo ich gerade feststecke, wo Bekannte klagen, dass nichts vorangeht, wo Menschen meinen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Und schon war ich mit meinen Gedanken mitten im Advent. Ist es da nicht ähnlich? Wir wollen das Ziel Weihnachten erreichen und stecken doch wieder einmal total fest in unserem Alltag, in unseren Verpflichtungen und all dem, was von außen auf uns einstürmt. Dieses Jahr wollten wir es doch anders machen und ahnen jetzt schon, dass es wahrscheinlich wieder ähnlich abgeht – bis die letzten Geschenke besorgt sind, bis die Plätzchendose zum dritten Mal leer gegessen und wieder gefüllt wurde, bis das kleine Glühbirnchen für die Lichterkette am Tannenbaum kurz vor Ladenschluss doch noch gekauft werden konnte, ja bis … – das noch, und jenes noch – und was kommt dann? – Völlig ausgebrannt stehen wir dann unterm Tannenbaum und warten, dass Weihnachtsstimmung aufkommt. Ich hab jetzt natürlich übertrieben aber – soll das unser Ziel sein? – ist Weihnachten nicht mehr?

In den biblischen Texten der Adventszeit begegnen wir Zielen ganz anderer Art! Der Prophet Jesaja beschreibt in einer großen Vision das ersehnte Ziel aller Menschen: Alle Völker werden nach Jerusalem strömen und Gott erkennen. Die Menschen suchen und gehen Gottes Wege und jedes Gegeneinander, jeder Krieg hat ein Ende. Schwerter werden zu Pflugscharen – Kriegsgerät wird Werkzeug zum Leben: Panzer zu Traktoren, Raketen zu Werkbänken, Kasernen zu familienfreundlichen Stadtvierteln. Ist das nicht eine herrliche Vorstellung?

Schön wäre es, sagen sicher manche von uns, aber die Welt sieht leider anders aus. Über die Medien haben wir in unseren Wohnzimmern jeden Tag Teil an Gewalt, Tod und Zerstörung durch Terror, Krieg, Umwelt- und Naturkatastrophen in vielen Teilen der Erde. Von Frieden kann keine Rede sein! Müssen wir da bei den Träumen des Jesaja nicht müde abwinken? Sicher ist es den Zeitgenossen von Jesaja ähnlich gegangen: Das Land Palästina wurde heimgesucht von Krieg, Verwüstung und Tod. Es war die Zeit in der die brutalen assyrischen Armeen Mord und Tod über den gesamten nahen Osten brachten. Die Menschen litten unter diesen kriegerischen Auseinandersetzungen, sie waren direkt betroffen – vom Frieden keine Spur!

Und doch spricht Jesaja vom Frieden, vom großen Shalom, der kommen wird. Vielleicht klang das für manche wie eine Durchhalteparole oder eine Vertröstung auf später. Für viele Menschen aber lag in dieser Vision eine große Kraft und Hoffnung: darauf nämlich, dass das Leben stärker ist als der Tod, Liebe stärker als der Hass, das Miteinander stärker als jedes Gegeneinander.

Hört, horcht auf, lauscht! So fordert Jesaja. Und seine Vision von der Zukunft hat wirklich „Format“. Da ist nichts von einer kurzfristigen Augenblicksseeligkeit zu spüren im Stile von: „Morgen Kinder wird`s was geben – morgen werden wir uns freun!“
Jesaja spricht an, worauf es ankommt in Gottes und der Menschen Zukunft:
– Es wird eine Mitte sein in der Welt, zu welcher die Völker
hinziehen werden, weil da Orientierung ist und Zusammenhalt und Heil.
– Es wird eine Weisung geben, die gangbare Wege des Miteinanders aufzeigt und vernichtendes Gegeneinander überflüssig macht.
– Es wird eine Rechtssprechung geben, die diesen Namen wirklich verdient, weil Gerechtigkeit gegen jedermann tatsächlich auch praktiziert wird.
– Es wird die Waffe verstummen und die Erde wird nicht mehr zerstört sondern ein friedliches Gesicht bekommen.
Sind das nicht auch unsere Sehnsüchte heute? Dass Menschen einander achten und dass sie Gottes Wege gehen – dass sein Reich komme – dass sein Wille geschehe? Alles nur ein Traum – nur eine Vision?

Visionen – vor noch nicht all zu langer Zeit sprach man von Visionen nur im Zusammenhang mit Verrückten oder Heiligen. Heute jedoch geht es ohne Visionen nicht mehr. Jede politische Partei muss eine Vision für die gesellschaftliche und staatliche Zukunft haben. Jedes Unternehmen, das auf sich hält, Schulen und Kindergärten haben eine Vision, die im Leitbild dargelegt wird. Fast jede und jeder von uns wird heute irgendwann einmal nach der persönlichen Lebensvision gefragt.

Vision ist etwas, das als Ziel in der Zukunft angelegt ist, das angesteuert werden soll: So soll es sein, im nächsten Jahr, in zehn oder mehr Jahren, zum Wohl der Nation, des Unternehmens, der Schule, der Kirche, der Stadt … Menschen, die keine Visionen und keine Ziele haben, wissen nicht mehr, wofür sie eigentlich leben, sie haben keine Zukunft. Das gilt auch für unsere Welt: Wenn wir aufgeben, an eine Zukunft in Gerechtigkeit und Frieden für alle Menschen zu glauben und uns dafür einzusetzen, dann hat unsere Welt tatsächlich keine Zukunft! Die Klimakonferenz in Warschau hat das doch wieder überdeutlich gemacht. Gerade deshalb ist die Vision des Jesaja so wertvoll. Lassen wir uns von dieser Hoffnung immer wieder neu anstecken und tragen wir unseren Teil dazu bei, dass die Vision kein Traum bleibt, sondern ein Stück Wirklichkeit wird – in meiner Umgebung in meinem ganz persönlichen Alltag.

Zugleich betont Jesaja aber noch etwas anderes, etwas, das ihn mit der Botschaft Jesu verbindet – und was uns Menschen entlasten will: Ganz realistisch dürfen wir sehen, dass wir es nie allein aus eigener Kraft schaffen werden, unsere Welt zum Frieden zu führen. Gott ist es, der unserer Sehnsucht und unserem Mühen um Frieden Erfüllung schenkt. Aus ihm können Menschen Wege des Friedens wagen, in seinem Wort einander Worte der Versöhnung und Liebe schenken.
Das genau meint Jesus, wenn er uns zur Wachsamkeit aufruft. Er spricht von den Menschen in den Tagen des Noah. Sie lebten in den Tag hinein bis ihnen alles genommen wurde. Alles ist untergegangen, alles schien kaputt zu sein, doch da kam die Taube mit einem frischen Ölzweig im Schnabel und Noah wusste: Jetzt beginnt neues Leben. Ich und meine Nachkommen und die ganze Erde haben von Gott her eine Zukunft. Mitten im Weltuntergang blitzt etwas von Gottes Herrschaft auf.

Und wenn wir über unser Leben nachdenken, werden wir sicher Ähnliches schon erlebt haben, Situationen, in denen wir gesagt haben: Da ist eine Welt für mich zusammengebrochen, da war ich völlig am Ende, da stand ich vor einem großen Trümmerhaufen. Träume vom Leben sind zerplatzt, berufliche Pläne zerbrochen, Enttäuschungen, Untergangserfahrungen. Ja, – da fallen Sonne, Mond und Sterne vom Himmel, alles wird dunkel. Und doch kann man manchmal im Rückblick sagen – gerade damals ist Gott in meinem Leben aufgeblitzt. Vielleicht war es ganz gut, dass ich mich beruflich neu orientiert habe, vielleicht hat mich erst die Krankheit zu dem werden lassen, wie ich heute bin – vielleicht hat mich gerade diese schmerzvolle Erfahrung besonders geprägt? Im Nachhinein können wir oft erkennen, dass gerade die schwierigen Erlebnisse ganz wichtige Einfallstore für Gott in meinem Leben sind. Oftmals wird uns erst dann richtig deutlich, worauf es wirklich ankommt, worauf wirklich Verlass ist!

Jesus mahnt zum Aufschauen nach vorne, auf den kommenden Menschensohn – dem Gott, der uns Menschen jetzt schon ganz nahe ist. Das feiern wir, das ist „Advent“: Ankunft Gottes unter uns, Ankunft der Hoffnung, Ankunft des Lebens. Himmel und Erde berühren sich. Nicht erst am Sankt Nimmerleinstag sondern jetzt und hier und heute. Die Adventszeit will uns einladen wieder neu nach vorne zu schauen: Damit wir erkennen, dass Gott unter uns lebt – und dass sich in seiner Liebe Schwerter zu Pflugscharen, Panzer zu Traktoren, Eigeninteressen und hart gewordene Herzen zu wahrem Frieden wandeln können.

„Wo sie auch stecken, kommen sie gut an ihr Ziel!“ Wir können jetzt im Advent diesen Satz getrost so stehen lassen, denn das Ziel kommt uns immer schon entgegen – Gott findet uns, egal wo wir gerade stecken. Amen

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