Erntedank – politisch brisant?! – 25. Sonntag im Jahreskreis C

Erste Lesung aus dem Buch Amos, Kapitel 8
4 Hört dieses Wort, die ihr die Schwachen verfolgt /
und die Armen im Land unterdrückt.
5 Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei? /
Wir wollen Getreide verkaufen. Und wann ist der Sabbat vorbei? /
Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen /
und die Gewichte fälschen.
6 Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, /
für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides /
machen wir zu Geld.
7 Beim Stolz Jakobs hat der Herr geschworen: /
Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.

Autorin:
Sr.Kathrin 05 AusschnittSr. Kathrin Prenzel, Franziskanerinnenkloster Sießen, Pastoralreferentin in der Klinikseelsorge und im Religionsunterricht

 
Die Predigt:
Erntedank – politisch brisant ?!

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist Wahlsonntag und die Deutschen sind aufgerufen ihre Regierung zu wählen. Viele werden dieses Recht allerdings nicht in Anspruch nehmen – zu frustriert sind sie über die Politik im Allgemeinen und so manche Abgeordnete im Besonderen. Doch es ist schwer geworden, in Zeiten der Globalisierung, der Schnelllebigkeit und der Macht des Geldes Gerechtigkeit zu schaffen. Die Politik hinkt hinterher und ist diesen Mächten, so hat man manchmal den Eindruck, regelrecht ausgeliefert. So haben viele den Glauben an die Politik und ihre Vertreter und Vertreterinnen verloren. Die kleinen Machtspielchen innerhalb der Parteien aller couleur tun da noch ihr Übriges dazu.

Macht und Geld regieren die Welt. Nicht erst heute. Schon als der Prophet Amos lebte, hatte das Geld, bzw. hatten die Reichen, die Anderen fest im Griff. Und schon damals war die Gier nach Mehr grenzenlos. Auch wenn seither über zweieinhalbtausend Jahre vergangen sind, sind die Reden des Propheten Amos erschreckend aktuell:
Millionen von Flüchtlingen suchen einen Ort, wo sie einfach in Frieden von ihrer Hände Arbeit leben können und Europa schottet sich ab und teilt sie in Untergruppen ein, nennt sie Wirtschafts- oder Kriegsflüchtlinge, als ob Hunger und Not der Einen größer wären als die der Anderen. Rationalisierung und Wettbewerb bestimmen über den Menschen und nicht umgekehrt. So ist die Arbeit schon lange nicht mehr für den Menschen da, sondern der Mensch muss den Gesetzen des Marktes gehorchen – wer einmal in die Mühlen von Hartz IV geraten ist, weiß ein Lied davon zu singen und kommt meist nicht mehr aus diesem Teufelskreis heraus.

Zur Ruhe kommen, Zeit für Begegnungen haben, die Seele baumeln lassen – all das bringt keinen Profit und so schmelzen der Feiertags- und Sonntagsschutz zu Lasten der Arbeitnehmer und ganze Industriezweige setzen alles daran, Marktlücken mit neuen Festen zu besetzen, um den Verkauf anzukurbeln. Selbst die Lebens- und Futtermittelindustrie bleibt von der Gier nicht verschont, wie Fleisch- und Dioxinskandale zeigen.

Die Welt ist aus den Fugen geraten. Da tut es gut, sich neu zu besinnen. Das Erntedankfest, das in vielen Gemeinden an diesem Wochenende begangen wird, könnte ein guter Anlass sein, einmal darüber nachzudenken, was eigentlich die Basis, das Fundament unseres Handelns, ja unseres ganzen Lebens, ist.
Zum Erntedankgottesdienst werden traditionell in den Kirchen wunderschöne Altäre aufgebaut mit allem, was Gärten und Felder in diesem Jahr wieder hervorgebracht haben – manchmal gekrönt mit einer Erntekrone aus Getreidehalmen. Und es ist gut, wenn wir uns nach dem Sommer vor Augen führen, wie reich uns die Natur wieder einmal beschenkt hat. Angefangen vom Obst, über Gemüse und Getreide. In aller Regel kaufen wir diese Dinge eher, als dass wir sie selbst anbauen. Aber trotzdem gilt: wir haben sie nicht selbst hervorgebracht, wir sind auf die Natur und ihren Reichtum angewiesen. So ist das Erntedankfest auch für uns heute aktuell, obwohl wir nicht mehr in einer Agrargesellschaft leben. Aber auch bei andern Dingen, die wir zum Leben brauchen, sind wir auf die Natur angewiesen: der Boden schenkt uns Öl und Wärme, Wind und Wasser Strom, die eigene Phantasie und der Körper Ideen und Kraft.

Doch vieles ist für uns selbstverständlich geworden und wird darum weniger beachtet. Zu leicht ist der Griff ins Regal des Supermarktes, das immer gefüllt ist oder der Stecker in die Steckdose gesteckt. Unser Leben ist aber nicht immer angefüllt. Und wir sind nicht immer voller Power. Oft spüren wir, dass das Leben ziemlich brüchig ist – trotz aller technischen Errungenschaften. Leider haben wir Menschen in all dem Überfluss und Luxus verlernt, uns darauf zu besinnen, wo alles herkommt und wo wir Halt finden, wenn Missernten ganze Existenzen zerstören; wenn wir plötzlich zum alten Eisen gehören und wegrationalisiert werden, obwohl wir erst in der Lebensmitte stehen; wenn wir vom Lohn unserer Arbeit nicht leben können; wenn uns eine schwere Krankheit aus der Bahn wirft.

Erntedank ist dann das Fest, das uns sagen will: Gott will uns beschenken, mit Nahrung, mit Seiner Nähe, mit der Nähe durch andere Menschen, mit Anerkennung durch die Arbeit. Und wo all dies fehlt, ist Gott nicht abwesend, sondern sagt uns: er ist da in Hochzeiten und schlimmen Zeiten; in den Gaben der Schöpfung, aber auch in den Begegnungen unseres Alltags und den Menschen, die zu uns halten, die uns mögen. Gott ist in der Fülle, aber auch in der kargen Not. Es kommt nur darauf an, dass wir einen Blick dafür entwickeln und Seine Spuren in unserem Leben entdecken. Das geht nicht von jetzt auf gleich. Es braucht Zeit, um in Beziehung mit Gott zu kommen und die Beziehung zu pflegen – so wie die Pflanzen Zeit zum Wachsen brauchen. Wer sich aber darauf einlässt, der wird spüren, dass sich sein Leben wandelt, dass sein Leben tiefer wird und eine Dankbarkeit in ihm wächst – auch für das Kleine und Unscheinbare. Und wer mit Gott in Beziehung lebt, wird spüren, dass zugleich auch ein Sinn für Gerechtigkeit in ihm entstanden ist, der zum Handeln aufruft. Somit ist nicht nur der Prophet Amos politisch brisant, sondern eigentlich auch das Erntedankfest selbst, da es unseren Umgang mit der Schöpfung, den Menschen, ja der Welt selbst, anfragt. Und damit ist es das ideale Fest zum Wahltag.

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