Freude über verloren Geglaubtes – 24. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 15
1 In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören.
2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.
3 Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte:
4 Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?
5 Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern,
6 und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war.
7 Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.
8 Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet?
9 Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte.
10 Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.

Autorin:
IMG_8551Elisabeth Dörrer-Bernhardt, Pastoralreferentin in Stuttgart- Vaihingen,verheiratet, drei Kinder

 
Die Predigt:
Freude über verloren Geglaubtes

Liebe Leserin, lieber Leser,
wer kennt das nicht: wir verlegen etwas, etwas woran wir hängen, etwas mit Erinnerungswert. Wir suchen und suchen, setzen unsere Energie ein und sind erfolgreich, wir finden verloren Geglaubtes. Ein Grund anzustoßen, ein Grund sich zu freuen. Freude über verloren Geglaubtes, zwei anschauliche Gleichnisse werden uns heute erzählt: einmal der Schafhirt, der sich über das verlorene und wiedergefundene Schaf freut, einmal die Frau, die ein Geldstück verliert, sucht und sucht und, als sie es wieder findet, ein Fest mit Nachbarinnen und Freundinnen feiert.

Diese zwei Beispielserzählungen spricht Jesus den religiösen Führern seiner Zeit zu, den Pharisäern, die sich darüber empören, dass Jesus sich mit Leuten abgibt, die man meidet, die verachtet sind, weil sie nicht ins herkömmliche Schema passen, die keine braven Bürger und wenig oder gar nicht praktizierende Gläubige sind. Jesus sagt damit, diese in der damaligen Gesellschaft Ausgestoßenen, diese Gemiedenen gehören genauso zur Gesellschaft dazu, wie ein Schaf, das sich von der Herde wegbewegt hat, zur Herde gehört. Sie sind nicht mehr und nicht weniger wert als alle anderen Geldstücke, die die Frau nicht verloren hat. Es lohnt sich aber, das Verlorene zu suchen und es ist eine Freude, es wieder zu finden. Dann rechtfertigt Jesus noch sein Tun, indem er sagt: „Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.“ Sich auf die einzulassen, die nicht ins herkömmliche Schema passen, die verloren geglaubt sind, das sieht Jesus als seinen Auftrag an, als seine Mission.

In wenigen Tagen, am 17. September, feiern wir den Gedenktag der vor einem Jahr noch von Papst Benedikt heiliggesprochenen und zur Kirchenlehrerin erhobenen Hildegard von Bingen. Bereits seit 834 Jahren, also gleich nach ihrem Tod 1179, wird Hildegard von Bingen als große Gelehrte, als Heilige des Volkes, als Heilkräuterkundige und theologisch Gelehrte verehrt. Diese zeitlebens kränkelnde Frau hat mit großer Energie, mit tiefem Glauben und mit einer ausgesprochenen Klugheit in einer Zeit, da Papst und Kaiser in tiefem Machtstreit lagen und Gegenpäpste eingesetzt wurden, zwei Klöster gegründet, zahlreiche Missionsreisen mit Vorträgen und Predigten vor hohen Würdenträgern gehalten, Päpste und Kaiser beraten und sich mutig über Vorgaben hinweggesetzt, die ihr in den Weg gelegt wurden. In Visionen, so schildert sie, hat sie göttliche Weisheit erfahren und in zahlreichen Schriften diese niedergelegt.

Sich den Ausgestoßenen zuwenden, das kennt auch Hildegard. Sie nimmt eine Frau, die als besessen galt, ins Kloster auf und heilt sie durch Zuwendung, ausdauerndes Gebet und Kräuter. Einen exkommunizierten Edelmann begräbt sie auf dem Klosterareal, zeichnet mit ihrem Äbtissinnenstab ein Kreuz über seinem Grab und lässt die Grabränder unkenntlich machen, um der geforderten Exhumierung vorzubeugen. Sie nimmt dabei sogar das Verhängen eines Interdikts über das Kloster in Kauf, das es dem Kloster verbietet, Messen lesen zu lassen und die Sakramente zu empfangen. Dieses wird noch vor ihrem Tod wieder aufgehoben. Freude über verloren Gegangenes und Wiedergefundenes, das erfährt auch die hl. Hildegard immer wieder in ihrem Leben.

Nicht viele haben damit gerechnet, dass sie nach über 800 Jahren doch noch offiziell als Heilige anerkannt und sogar zur Kirchenlehrerin erhoben werden würde. In der kirchlichen Obrigkeit war immer umstritten, wie mit ihrem Ungehorsam gegenüber der Kirchenleitung umzugehen sei. Man vermutet heute darin den Grund, warum sie über Jahrhunderte hinweg nicht heiliggesprochen wurde. Doch sich den Nicht – Konformen annähern, das aus den Augen Verlorene wieder finden, das gibt es auch in der Kirche!

Etwas verlieren gehört zu unserem Leben und manchmal gehört auch dazu, dass wir die Dinge nicht mehr finden oder, wie die Frau mit der Drachme, erst lange Zeit und intensiv suchen müssen ehe wir sagen können, dass wir z. B. nach dem Verlust eines Menschen wieder Freude am Leben gefunden haben. Manchmal sind es auch gerade die unkonventionellen Wege, die uns etwas neu finden lassen, was uns eigentlich verloren schien.

Da ist ein Paar, das nach der Pensionierung erst wieder ganz neu zueinander finden muss und dem dies gelingt, indem sich beide in einer Vesperkirche engagieren und ganz neue Erfahrungen dabei machen können. Da ist die Frau, die trotz des Verlustes ihrer Gesundheit, Lebenskraft behält und anderen ihr Ohr, ihre Zeit schenkt. Oder die Eltern, die nach der intensiv erlebten Familienphase, in der sie Elternzeit genommen und dann in Teilzeit gearbeitet haben, damit zurechtkommen müssen, dass die Kinder gehen und eine neue Lebensphase für das Paar beginnt. Neues oder Bewährtes aus der Anfangszeit der Beziehung will erst entdeckt werden. Verluste gehören zu unserem Leben genauso, wie das Wiederfinden und die Freude über das Wiedergefundene.

Der Himmel, so hören wir heute, freut sich über das Wiedergefundene. Gott ist einer, der es zulässt, dass wir Verluste erleiden, Gott ist aber auch einer, der will, dass wir nicht im Verlust verharren, sondern suchen, danach suchen, dass wieder Lebensfreude, Sinn und damit Nähe zu Gott entsteht. Wenn wir dabei auch andere unterstützen können, dann handeln wir ganz im Sinne Jesu. Amen

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