„Engelsgleich“ – Zum Fest der Erzengel Michael, Gabriel und Rafael am 29. September

Zweite Lesung aus der Offenbarung des Johannes, Kapitel 12
Übersetzung „Bibel in gerechter Sprache“
7 Im Himmel kam es zum Krieg. Michael und seine Boten zogen gegen den Drachen in den Krieg. Der Drache und seine Boten zogen in den Krieg.
8 Es blieb im Himmel kein Platz mehr für sie.
9 Hinausgeworfen wurde der große Drache, die alte Schlange, der Teufel und Satan genannt wird, der die ganze Menschheit irreführt – hinausgeworfen wurde er auf die Erde, und seine Boten wurden mit ihm hinausgeworfen.
10 Ich hörte eine mächtige Stimme im Himmel sagen:“Jetzt ist die Rettung eingetroffen, die Macht und die Königsherrschaft unseres Gottes, die Herrschaft von Gottes Gesalbtem, denn der Ankläger unserer Geschwister, der sie vor unserem Gott Tag und Nacht anklagt, ist hinausgeworfen worden!
11 Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch das Wort ihres Zeugnisses. Sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod.
12 Deshalb freut euch ihr Himmel, und die darinnen wohnen.“

Autorin:
C-Bettin-komprimiert-200x300Christina Bettin, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach – Süd im Bistum Aachen

 
Die Predigt:
„Engelsgleich“

Liebe Leserin, lieber Leser,
die Texte zum heutigen Sonntag möchte ich zugunsten des Festes der Erzengel einmal außen vor lassen. Meine Gemeinde ist nämlich eine „St. Michaels-Gemeinde“ und feiert heute ihr Patrozinium.

Nicht nur an diesem Tag im Jahr, sondern auch schon mal öfter im Festkreis werden bei uns Engel thematisiert. Jenseits aller verkitschten Modewellen und kommerziellen Verkaufsschlager spielen bei uns in der Kirche Engel eine Rolle. Erst letztens, zur Schulentlassung der Viertklässler vor den Sommerferien, haben wir mit den Kindern zu Engeln assoziiert. Äußerungen wie:“das sind Boten Gottes; jeder hat einen Schutzengel; Gelbe Engel vom ADAC; meine große Schwester hat einen als Schlüsselanhänger am Autoschlüssel ihres ersten eigenen Autos; meine Oma hat einen als Handschmeichler im Hospiz bekommen; meine Tante hat ganz, ganz viele selbstgetöpferte im Regal; am Unfallort hatte der Notfallseelsorger einen aus Bronze dabei“… waren zu hören. Überhaupt sind Kinderäußerungen oftmals sehr spontan und authentisch, so dass sie tiefe Wahrheiten in sich bergen. Ich erinnere mich z.B., dass meine damals fünfjährige Tochter auf die Frage der Kinderärztin, wo genau es ihr am Rücken denn weh tue, antwortete: „Da wo früher mal meine Flügelchen waren.“ Unsere Kinder zeigen uns damit, dass sie ein Gespür in sich dafür wach haben, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als was wir gemeinhin sehen und rational erfassen können.

Die Darstellungen und Figuren von Engeln versuchen es ins Bild zu bringen, was wir da erspüren. – Dabei haben allerdings die barocken, nackten Kleinkinder mit ihren Flügelchen nicht viel mit dem zu tun, was wir eigentlich meinen. – Ich habe gerne etwas, woran ich mich halten und festhalten kann. Ein Handschmeichler aus Bronze nimmt nicht nur meine Körperwärme auf, er gibt mir auch wirklich Kraft. So manifestiert und verdichtet sich darin, was mich unsichtbar umgibt.

Engel in der Bibel sind Boten Gottes. Sie überbringen oftmals eine Nachricht, sind Mittler oder Begleiter. Sie vermitteln eine Nähe zu Gott, bieten Schutz und Geleit. Der Erzengel Michael tritt auf beim Weltgericht. Wir lesen von ihm im Buch Daniel (Kapitel 10,13 und 12,1), im Brief des Judas (Kapitel 1,9) und in der Offenbarung. „Weltgericht“ hat für mich einen düsteren, ja fast bedrohlichen Klang. Sicher rührt das daher, dass darüber in früheren Zeiten in drastischen, drohenden Worten gepredigt wurde. Es bekommt für mich einen anderen Klang, wenn ich es unter dem Aspekt des „Aufgerichtet – Werdens“ betrachte. Am Ende der Zeiten wird aufgerichtet, was brach lag, was nicht zur Entfaltung kam. Unter Gottes liebendem Blick aufgerichtet werden zur Fülle meiner Möglichkeiten, meines Menschseins, so wie Gott mich von Anbeginn gewollt hat. Und dabei steht Michael ihm als Helfer zur Seite. Mithelfen beim „Aufrichten“ oder auch „Ausrichten, Neujustieren“. Das ist doch auch eine Aufgabe, der wir als Christinnen engelsgleich nacheifern können, denn keine „Droh-Botschaft“ haben wir zu verkünden, vielmehr eine „Froh-Botschaft“.

Der Name „Michael“ schließlich heißt: „Wer ist wie Gott?“ Die Antwort darauf kann nur sein: Kein Mensch hier ist gottgleich. Keiner kann seine Stelle einnehmen. In unseren Ohren klingt es nicht gut, wenn wir als Geschöpfe oder Kinder angesprochen werden. Doch lassen wir uns nicht täuschen, genau darin liegt eine unbestreitbare Größe und Würde. Schon der Psalmbeter erkennt das Besondere, wenn er im Psalm 8, 5-6 fragt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.

Einen wichtigen Teil meiner Aufgabe erkenne ich darin, immer wieder dazu beizutragen, dass alle, ich selbst und die anderen Menschen, zur vollen Entfaltung kommen können, dass wir lernen, als aufrichtige und aufrichtende Christin zu leben. Am Festtag der Erzengel liegt mir der Gedanke besonders nahe mich neu von Gott in Dienst nehmen zu lassen. Genau da, wo ich heute dran bin. Mit den Menschen, mit denen ich heute zu tun habe, die mir heute alle begegnen werden. Für Gott zur Botin zu werden. Nicht nur mit gepredigten Worten vielleicht, sondern mit Gesten, Beistand, Zuwendung und Aufmerksamkeit.

Engel sind für mich nicht nur eine unsichtbare Realität, ich kann auch dem Gedanken „menschlicher Engel“ vieles abgewinnen. Wenn ich zu einem lieben Menschen sage: „Mein Engel“, dann meine ich das auch so. Voll Dankbarkeit empfinde ich darin, dass er oder sie mir was besonders Liebenswertes getan hat, mich die Nähe Gottes hat spüren lassen. Ganz schlicht, vielleicht im grauen Alltag, ist durch eine Begegnung, ein liebes Wort, eine Geste etwas Besonderes aufgestrahlt. Das hat für mich etwas mit „Engel“ zu tun. Es müssen nicht Barock-Engel sein, es können Menschen wie du und ich sein. „Lass mich heut dein Engel sein.“ Was gibt es für einen schöneren Vorsatz am Beginn eines jeden Tages?

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4 Antworten auf „Engelsgleich“ – Zum Fest der Erzengel Michael, Gabriel und Rafael am 29. September

  1. W sagt:

    Vielen Dank für diese Engelpredigt. Sie tut gut, auch wenn ich viele Fragen an den Text aus der Offenbarung habe. Denn er macht Angst. Selbst im Himmel kann ein Krieg ausbrechen, kann es einen Kampf geben zwischen der Macht des Guten und der Macht des Bösen! Ich bin im Krieg geboren, in einer Bombennacht. Mein erste Erinnerung an das Beten war die tägliche Bitte im Abendgebet um die Beendigung des Krieges. Kein Gutenachtkuss bevor nicht diese Bitte zum Himmel geschickt wurde. Doch einmal unterbrach ich meine Mutter (ich war 3 Jahre alt) mit der Frage: „Wenn der liebe Gott den Krieg hier weg tut und er klebt an seinen Händen, wo tut er ihn dann hin?“ Im Text heißt es: „herausgeworfen auf die Erde“.
    Wir leben in einem Land, das schon eine lange Zeit keinen Krieg mehr hatte, aber um uns herum löst ein Krieg den anderen ab.
    „Sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod.“ Wie kann das zur Lösung dieses schrecklichen Zustandes beitragen und wo bleiben da die Engel?

    • Kähny sagt:

      „…sie haben ihn – den/das Böse- besiegt durch das Blut des Lammes und das Wort des Zeugnisses “ :
      Der Aufruf unseres Papstes für einen Bitt- und Fastentag zum Syrienkrieg am 9.9. (auch Freitagsgebet der Muslime) hat mehr bewirkt als wir (Kleingläubige ?) glauben…! –
      „…wo zwei oder drei (-Engel-) in meinem Namen…!“

  2. Man wirft Ihnen von Seiten der katholischen Kirche vor, in den heiligen Messen zu predigen, obwohl es Ihnen sowie auch anderen und überhaupt Frauen verboten ist, in Gottesdiensten bzw. Heiligen Messen zu predigen. Stimmt es, dass diese Predigten in heiligen Messen gehalten werden? Und wenn ja, – wie reagieren Sie darauf?

  3. Birgit Droesser sagt:

    Liebe Frau Christensen,
    ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihre Anfrage richtig verstehe. Ich versuche eine Antwort:
    1. Die Predigt in der Eucharistiefeier ist nach kirchlicher Anordnung den Priestern und Diakonen vorbehalten, um die Einheit von Wort und Sakrament zu wahren. Frauen sind also duch ihr Geschlecht von diesem Predigtdienst ausgeschlossen. Aus diesem Grund predigen wir Frauen hier im Internet. So können alle sehen, was wir in der Eucharistiefeier predigen würden, wann man uns ließe.
    2. In den Wortgottesfeiern predigen Laien, Frauen wie Männer. Wer eine Predigtausbildung und -beauftragung hat, verfasst selbst eine Predigt. Andere benützen ausgearbeitete Lesepredigten.
    3. Darüberhinaus gehen die Diözesen unterschiedlich mit der Predigterlaubnis um. Der Diözesanrat der Diözese Rottenburg – Stuttgart hat einen Beschluss gefasst mit der Teilüberschrift „Außerordentliche Situationen, in denen der Predigtdienst durch Laien in der Eucharistiefeier möglich erscheint“, durch den es den Pfarrern in der Diözese ermöglicht wird, in besonderen Situationen der Überlastung und bei Problemen mit der deutschen Sprache Laien die Predigterlaubnis zu erteilen. Daher gibt es in unserer Diözese Gemeinden, in denen Gemeinde- und Pastoralreferentinnen in der Eucharistiefeier predigen.
    Habe ich Ihre Frage beantwortet?
    Mit freundlichen Grüßen
    B. Droesser

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