Entscheide dich! – 16. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 10
In jener Zeit
38 kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf.
39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Da kam sie zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir überlässt? Sag ihr, sie soll mir helfen!
41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere erwählt, das soll ihr nicht genommen werden.

Autorin:
Foto_Jutta_Schnitzler-Forster-225x300Jutta Schnitzler – Forster, verheiratet, zwei Söhne, Gemeindereferentin in Ulm,
Bildungsreferentin und Organisationsberaterin

 
Die Predigt:
Entscheide dich!

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist Sommer. Die Ferienzeit steht auch in Baden-Württemberg unmittelbar vor der Tür. Endlich geschafft! Bei vielen ist das mit einem großen stöhnenden Aufatmen verbunden. Uff, die letzten Wochen waren anstrengender als sonst. Neben dem normalen Alltag fanden, wie jedes Jahr zur Sommerzeit, unzählige Feste, Feiern und Abschlüsse statt. Nach wie vor nehmen Frauen ihre Rollen als Versorgerinnen an und sind in der Regel dafür verantwortlich, dass es schöne Familienfeiern, üppige Buffets und wunderbare Dekorationen gibt. Wenn wir Studien glauben dürfen, tun sie dies auch in ihrem eigenen Haushalt deutlich öfter, als der gleichberechtigt im Hause lebende Mann.

Es ist gut, dass es sorgende und versorgende Menschen gibt, keine Frage! Nur wäre es eben schön, wenn jede die sorgt, auch selber gut versorgt werden würde. Denn wir wissen es: wer auf Dauer zu viel gibt, überfordert sich selber und kann krank werden.

Wenn Frau nicht aufpasst, sitzt sie in der Marta-Falle. Wer die Bedürfnisse und Wünsche anderer erahnt und sie vorauseilend erfüllt, ist gut beschäftigt. Es gibt immer etwas zu tun, die Arbeit geht nie aus, das ist die Hausfrauenklage! Von Marta erfahren wir, dass Jesus und seine Begleiter keinerlei Wünsche und Ansprüche formulieren mussten, nein, sie ist von sich aus eine gute Gastgeberin und weiß, was zu tun ist.
Sie geht davon aus, dass ihre Schwester Maria auch wissen sollte, was zu tun ist. Ihre Schwester hat jedoch eine andere Beschäftigung gewählt. Sie sitzt bei den Gästen und beteiligt sich am Gespräch. Je mehr sich Marta für die Gäste abrackert, umso wütender wird sie auf Maria. Marta weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als Jesus zu bitten, ihre Schwester an ihre hausfraulichen Pflichten zu erinnern.

Doch Jesus tut etwas, was weder die beiden Frauen, noch wir als Zuhörerinnen dieser Geschichte, erwarten: Er schenkt beiden Frauen die Freiheit der Entscheidung. Er macht deutlich, dass beide gewählt haben. Marta hat sich dafür entschieden, die Rolle der guten Gastgeberin zu übernehmen. Darin geht sie ganz auf, erkennt aber weder ihre Grenzen noch ihre anderen verborgenen Wünsche.
Auch Maria hat eine Wahl getroffen. Sie sitzt nicht zufällig dem Meister zu Füßen. Sie will ihn hören. Unbedingt! Sie will als Frau eine Grenze überschreiten und mit einem Mann, einem Rabbi, über Theologie sprechen. Das will sie, und das tut sie, und Jesus lässt sie. Ja, er lobt sogar ihre Entscheidung – und spricht von dem besseren Teil, den sie gewählt hat.

Diese Bewertung war und ist für viele Frauengenerationen ein Schlag ins Gesicht. Sie widerspricht der damaligen und auch heute noch gängigen Frauenrolle. Frauen sollen gute Hausfrauen sein, dem Mann und der Familie dienen oder sind zumindest dafür zuständig, dass es allen gut geht. Und dann wird von Jesus Maria herausgehoben, die sich dieser Rolle entzieht und Tabus überschreitet. Das ist unerhört! Jesus lässt genau das zu. Jesus bestätigt, dass es auch gut ist, wie Maria sich entschieden hat. In einem Bibelseminar, in dem ich mich ausführlich mit dieser Stelle beschäftigt habe, wiesen die Exegeten darauf hin, dass die Übersetzung „sie hat den besseren Teil gewählt“ auch anders übersetzt werden kann. „Sie hat einen guten Teil“ erwählt, und das könnte die Sache wirklich spannend werden lassen.

Wie wäre es zu sagen: alles zu seiner Zeit? Manchmal ist es wichtig, für andere da zu sein, sie zu versorgen. Aber es ist genauso legitim, mich auf meine anderen Fähigkeiten und meine Interessen zu konzentrieren und diese zu leben.

Marta und Maria stehen für unterschiedliche Arten sich in Alltagssituationen einzubringen. Beide Herangehensweisen sind notwendig und gut. Und ganz wichtig: beide Geschlechter dürfen und sollen beides leben!

Die Prinzipien von Maria und Marta in mir zu erkennen und zu wissen, was ich wann leben kann und manchmal auch muss, hilft mir, mich klarer zu entscheiden. Ich habe immer eine Wahl und bin nicht den Erwartungen anderer ausgeliefert.

Den Zorn Martas kennen viele, die das Gefühl haben, fremd bestimmt zu werden – nicht selbst zu entscheiden. Marta weiß um den Teil in sich, in dem sie nicht nur die Dienerin und Versorgerin sein möchte. Sie spürt, dass es Seiten in ihrer Persönlichkeit gibt, die sie noch nicht entfalten konnte. Sie ahnt ihre eigenen Bedürfnisse, die sich zaghaft melden und denen sie selbst bisher so wenig Raum gegeben hat. Und Jesus zeigt sich als einer, der diesen Raum gibt. Wir dürfen uns immer wieder entscheiden, Neues zu wagen und damit glücklicher zu werden.

Das ist eine gute Botschaft für die Sommerzeit, in der wir eingeladen sind aus dem Alltagtrott auszusteigen und anders, freier, ja nach Herzenslust zu leben, wozu es uns wirklich treibt. Amen.

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5 Antworten auf Entscheide dich! – 16. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Kähny sagt:

    die Wahl und die Zwanghaftigkeit…
    Jesus weiss um den Zorn/die Lüge hinter der Fassade aus Protz und Prassen :
    es m u s s ein Buffet/Mastkalb sein (wir sind ja sowieso alle am verhungern…!! ),und nicht etwa ein Glas kühles Zitronenwasser.:“…was könnten die „Anderen“ denken/sagen …?“
    ER reisst die Fassade ein: „… ICH bin gekommen (neu aus-) zu richten-damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden (Joh 9,1-41).

  2. W sagt:

    Bei Maria und Marta geht es eigentlich nicht um die jeweilige Tätigkeit sondern darum, dass ich kein Recht habe, von anderen etwas zu erwarten. Mein Maßstab hat nur für mein Tun und Lassen ein Verbindlichkeit, nicht für eine andere. Dass ich im Stress die Hilfe der Anderen erwarte, ist menschlich. Aber sie einzufordern und dabei eine höhere Instanz einzuschalten ist nicht im Sinne Jesu. Wie oft sind wir zu feige, die andere direkt anzusprechen und schalten dritte ein!

  3. Hans Klein sagt:

    Anmerkung zu : „die Übersetzung „sie hat den besseren Teil gewählt“ auch anders übersetzt werden kann. „Sie hat einen guten Teil“ erwählt, und das könnte die Sache wirklich spannend werden lassen.“
    Da steht im Griechischen der bestimmte Artikel: „den guten Teil“!

  4. Birgit Droesser sagt:

    In der Predigt wird hervorgehoben, dass sowohl Maria als auch Jesus die Grenzen der Konvention überschreiten, indem Maria sich dem Rabbi Jesus zu Füßen setzt und seinen Worten lauscht. Ich meine, man kann das Außerordentliche dieser Szene gar nicht genug betonen. Und Lukas hat diese eigentlich doch beiläufige Geschichte nicht fallen gelassen, sondern in sein Evangelium aufgenommen. Damit hat er den so ganz anderen Umgang Jesu mit den Frauen gewürdigt und für alle Zeiten bewahrt.

    Und heute, am 22. Juli, ist der Festtag der heiligen Maria von Magdala, ein Festtag, der, so weit ich sehe, in den Kirchen nicht nur nicht begangen, sondern nicht einmal einer Erwähnung wert gehalten wird. Alle vier Evangelien heben die einzigartige Stellung dieser Frau im Kreis der Jüngerinnen und Jünger hervor. Sie hat bis in den Tod zu Jesus gehalten, um ihn getrauert und wurde als erste der Begegnung mit dem Auferstandenen gewürdigt. Ja sie, eine Frau, erhielt vom Herrn den Auftrag, den anderen Schwestern und Brüdern die umwälzende Nachricht zu bringen: Jesus lebt!
    Und da sollte es nicht in seinem Sinn sein, die Berufung von Frauen zu kirchlichen Ämtern anzunehmen?

  5. Benedikta Hellrung sagt:

    Danke für den Hinweis auf den Festtag der hl. Maria von Magdala am 22. Juli !
    Für diesen Festtag müssen wir Frauen uns tatsächlich deutlich einbringen !
    Er ist ein sinnvoller Tag z. B. für die Segnung und Aussendung von Pastoral-und Gemeindereferentinnen, Lektorinnen, Diakoninnen , Gemeindeleiterinnen und eines Tages auch Priesterinnen.

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