Bauleute des Lebens – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

Lesung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 6 und 7
8 Stephanus aber, voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
9 Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Zyrenäer und Alexandriner und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
10 aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen.
7,54 Als sie das hörten, waren sie aufs Äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen.
55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
56 und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los,
58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.
59 So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
60 Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er

Autorin:
def9d78cf6Gabriele Greiner-Jopp, verheiratet, lebt in Wendlingen
z.Zt. als Dekanats-, Gemeindereferentin und Beraterin tätig

 
Die Predigt:
Bauleute des Lebens

Liebe Leserin, lieber Leser,
Wenige Tage vor seiner Ermordung im Jahr 1980 sagte der bolivianische Jesuit Luis Espinal: „Das Land braucht keine Märtyrer, sondern Bauleute
Gilt dieser Satz auch für unsere Kirche? Manchmal erscheint es mir so, als halten wir Christen den Tod nicht aus und das Leben ebenso wenig. Auferstehung wird schon am Samstagabend gefeiert, statt am Ostermorgen, kaum ist der erste Weihnachtstag vergangen, kaum haben wir Jubel und Freude über die Geburt des göttlichen Kindes in uns wirken lassen, konfrontiert uns die heutige Lesung mit Hass, Leid und Mord.

Als Kind mochte ich diese Botschaft am 2. Weihnachtstag nicht. Und alle – zweifellos klugen – Auslegungen wie Stephanus zur Weihnachtsbotschaft passt, haben meine Fragen nicht gelöst: Halten wir zwei Tage Festtagsfreude nicht aus?
Getröstet hat mich dann die Erkenntnis, in der Vorbereitung auf diese Predigt, dass das Fest des Hl. Stephanus eher zufällig mit dem Weihnachtsfest zusammen getroffen ist. Der sogenannte Stephanstag ist älter als das Weihnachtsfest. Er wurde schon lange in Jerusalem an diesem Datum gefeiert, bevor Mitte des 4. Jahrhunderts Weihnachten auf den 25.12. gelegt wurde um so die römische Feier des „Sol invictus“, des unbesiegbaren Lichts abzulösen, genauer: mit christlichem Inhalt zu füllen.

Jetzt also: Weihnachten und der Stephanstag: Geburt, Freude, Leben – wenn auch bedroht – auf der einen Seite, Gewalt, Hass und Tod auf der anderen Seite. Klar, wir können darauf hinweisen, dass dies ganz wie im richtigen Leben ist. Neues Leben ist oft bedroht, nicht jedes Neugeborene wird freudig begrüßt und auch an den Weihnachtstagen wird gefoltert, gemordet und werden Kriege geführt. Und trotzdem oder deshalb wollte ich einen Zugang finden zu diesem 2. Weihnachtstag, und zum Fest des Hl.Stephanus, der das Leben betont. „Wir brauchen keine Märtyrer sondern Bauleute“ sagt Luis Espinal.

Ein Wegweiser für mich war die Wahl des Hl. Stephanus zum Diakon (Apg 6,5)der Jerusalemer Urgemeinde. Einem von sieben. Seine Aufgabe war es, Menschen in Not zu helfen, sie zu nähren an Leib und Seele. Auf diese Weise haben er und die anderen Diakone an der jungen Kirche mitgebaut. Indem er diente. Darin ist er seinem Meister, dem Kind in der Krippe, ganz nah. Dem Leben dienen, indem ich sehe, was Menschen brauchen für ein würdiges Leben; meine Stimme erheben, für die, die sonst keine Stimme haben, hingehen zu denen, die nicht kommen können, oder nicht – mehr – wollen; sehen, die sonst keiner sieht, reales und seelisches Brot austeilen für die, die sonst hungern, vielleicht sogar verhungern: all das ist Diakonie, ist Dienst am Leben, wie es der erwachsene Mensch Jesus vorgelebt und von seinen Freundinnen und Freunden gefordert hat.

Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts“ hat der evangelische Theologe und Glaubenszeuge Dietrich Bonhoeffer gesagt. Darin sehe ich den tieferen Sinn des Stephanstages. Uns zu erinnern dass die Freude über das göttliche Kind dazu führt, sich selber zu schenken mit all den eigenen Möglichkeiten und Gaben. Dem Leben dienen wir, indem wir für die Menschen da sind, die uns brauchen. Das gelingt umso besser, wenn wir es aus der Freude heraus tun, dass wir selber beschenkt sind. In jeder und jedem von uns lebt etwas vom göttlichen Kind.

In den südamerikanischen Basisgemeinden wird im Hochgebet auch der verstorbenen Glaubenszeugen/Märtyrer unserer Zeit gedacht. Oscar Romero, Luis Espinal oder Elisabeth Käsemann z.B.. Wenn die Namen gelesen werden, antwortet die Gemeinde “presente“ = anwesend. Sie sind da, bleibend unter uns, leben in unserer Gemeinschaft fort wie der Auferstandene, dem sie vertraut haben,und der in ihnen lebendig war. Presente:so sind sie auch nach ihrem Tod Bauleute des Lebens.
Ich für mich widme den Stephanstag allen Menschen, die diakonisch leben und so Zeuginnen und Zeugen werden für Gottes menschenfreundliche Gegenwart. Damit setzen sie der Botschaft Jesu Christi und dem Weihnachtsfest die Krone auf. Denn „Kranz“ oder Krone, das bedeutet das griechische Wort „Stephan“.

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Eine Antwort auf Bauleute des Lebens – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

  1. Alcide Kragbe sagt:

    „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts“ hat der evangelische Theologe und Glaubenszeuge Dietrich Bonhoeffer gesagt. Dieser Satz stammt nicht von Dietrich Bonhöffer, sondern vom französischen, katholischen Bischof von Evreux in Frankreich, Bischof Gaillot, der seit 1996 vom bischöflichen Dienst entbunden ist. Im originalfassung heißt es: „Une Eglise qui ne sert pas, ne sert à rien“. Ansonst gute Gedanken in ihrer Predigt.

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