Weihnachten – bei Tag betrachtet / Hochfest der Geburt des Herrn

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 1
1 Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.
2 Im Anfang war es bei Gott.
3 Alles ist durch das Wort geworden / und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
4 In ihm war das Leben / und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht leuchtet in der Finsternis / und die Finsternis hat es nicht erfasst.
6 Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes.
7 Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen.
8 Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, / kam in die Welt.
10 Er war in der Welt / und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
11 Er kam in sein Eigentum, / aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Allen aber, die ihn aufnahmen, / gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, / allen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus dem Blut, / nicht aus dem Willen des Fleisches, / nicht aus dem Willen des Mannes, / sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden / und hat unter uns gewohnt / und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, / die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, / voll Gnade und Wahrheit.
15 Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war.
16 Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, / Gnade über Gnade.
17 Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.
18 Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn,
Gemeindereferentin,
Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Weihnachten – bei Tag betrachtet

Liebe Leserin, lieber Leser,
Weihnachten am Tag, ist das nicht manchmal fast wie
„am Tag danach“ – haben wir nicht oft den Eindruck, all die Erwartungen, Hoffnungen und Träume richten sich auf die Heilige Nacht – und dann ist diese vorbei und am Tag sieht alles – wieder – ganz anders und nüchtern aus?

Die Sehnsucht nach liturgischem Feiern ist für manch Einen mit dem Besuch eines Gottesdienstes an Heilig Abend für´s Erste wieder gestillt. Und doch behält die Botschaft der Heiligen Nacht auch bei Tageslicht ihre Kraft.
Weihnachten, bei Tag betrachtet, muss uns noch mehr von der eigentlichen Botschaft offenbaren und so ist es logisch und gut, dass wir heute, wie jedes Jahr den Prolog des Evangelisten Johannes lesen.

Vom Wort ist die Rede

Es gibt Worte, die schaffen Fakten – ein Urteilsspruch, ein Vertragsabschluss, eine Beleidigung…
Es gibt Worte, die beschreiben, erklären, versuchen Beziehung herzustellen, drücken aus, was wir verstehen oder nicht verstehen.
Worte können einwickeln oder bloßstellen.
Worte werden wirksam, wenn sie gehört werden, wenn sie zu jemandem gesprochen werden.

Worte sind Ausdruck von Beziehung.
Ohne Beziehung entstehen keine Worte.

Friedrich der Grosse wollte in seinem aufklärerischem Forschungsdrang herausfinden, welche Sprache die Ursprache der Menschen sei, und er befahl ein Experiment, bei dem Kinder als Versuchspersonen mitmachen mussten.
Sie sollten mit Nahrung und Kleidung versorgt werden, aber niemand durfte mit ihnen sprechen. Und das Ergebnis: Es gab keine „Ursprache“ – alle Kinder starben, wohl weil ihnen die Worte – die Beziehung fehlten.

Worte sind Ausdruck von Beziehung.
Ohne Beziehung stirbt der Mensch.

Vielleicht ist es ein Zeichen unserer Zeit, dass der Flut und Verfügbarkeit von Information und Wort eine Sprachlosigkeit in Beziehungsgestaltung gegenübersteht.

Wie können wir in den Worten, die wir einander sagen uns wirklich spüren?
Welche Worte taugen für unsere Beziehungen?

Die Worte des heutigen Evangeliums – hören wir sie in der Wiederholung als alt oder trauen wir ihnen auch Bedeutung für unser Leben heute zu?

Dieser Anfang, der mit dem Wort „WORT“ umspielt wird, er zeigt uns einen Gott, der in Beziehung lebendig ist. Beziehung zur Welt, deshalb sind wir Schöpfung und nicht abstrakte Idee. Gestaltet und geprägt ist diese Beziehung zur Welt durch die Geistkraft, die Weisheit, von der es in Genesis hei8t, sie schwebte über den Wassern, als alles noch Wirrwarr – Tohuwabohu – war.

Wir könnten auch sagen: Gott ist Beziehung.
Diese Beziehung ist Leben.
Lebendiges Leben braucht lebendige Beziehung.

Dieser Spur folgend, kann ich im Anfang der Frohen Botschaft, wie Johannes sie uns verkündet ein neues Bild entdecken.
Seine Frohe Botschaft beginnt damit, dass er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern sagt, dass Gott von Anfang an Beziehung zu uns Menschen will und lebt.

Von Anfang an könnten wir Menschen miteinander und mit Gott lebendig und beziehungsreich leben.

Allerdings genügt ein wacher Blick auf uns selbst um zu sehen, dass wir Menschen uns oft genug in Dunkelheit einwickeln, dass wir sie „schaffen wollen“, die Dunkelheit, weil wir vielleicht selbst verletzt worden sind, weil wir Leid, Ungerechtigkeit oder Gleichgültigkeit nicht oder nur schwer ertragen können und sie deshalb „nicht sehen wollen“, was ja im dunkeln einfacher ist.

Und Johannes schreibt in den ersten Zeilen die ganze Frohe Botschaft in sein Evangelium.

In diese Welt, zu diesen Menschen, die wir so sind, wie wir sind, in diese Welt kommt uns Gott entgegen.
In seinem Vertrauen, in seiner Liebe, in seinem Verzeihen schenkt er uns die Chance, in uns selbst Vertrauen, Liebe und Versöhnung lebendig werden zu lassen.

Das fällt uns oft unendlich schwer – aber wenn wir es schaffen – manchmal oder immer wieder, dann passiert das Unglaubliche, dann schenkt er uns „Vollmacht, Kinder Gottes zu sein“.
Als Kinder Gottes lernen wir Beziehung, wie Gott sie ist, wir lernen die Sprache Gottes, wie ein Kind die Sprache der Eltern lernt.

Als Kinder Gottes haben wir die Chance, die Welt mit den liebenden Augen Gottes sehen zu lernen.

Es ist keine Heile – Welt – Sicht, kein Weihnachtsmärchen – es ist der Lohn für unseren Glauben und zugleich die Aufgabe für unser Leben. Wenn wir Jesus, den Messias als unseren Bruder erkannt und anerkannt haben, dann werden wir letztlich „aus Gott geboren“.

Was den Text des Johannesevangeliums mit der Weihnachtserzählung nach Lukas doch verbindet, ist die Einsicht, die überwältigende Einsicht, dass dies alles Geschenk ist. Johannes schreibt: Gnade über Gnade – großartige Worte, die uns in Güte und Liebe aufrufen, einladen, mit diesem Jesus an der Seite, als Kinder Gottes, als Schwestern und Brüder Jesu, die Sprache Gottes zu lernen und unter den Menschen zu sprechen und dann wie Johannes der Täufer zu „Zeugen für das Licht“ zu werden.

Weihnachten, bei Tag betrachtet ist unglaublich.
Weihnachten ist ein Geschenk, das uns in die Freiheit entlässt und uns zur Aufgabe macht, Hand mit anzulegen an den Aufbau des Reiches Gottes.

In der „Bibel in gerechter Sprache“ wird mit Bezug auf die Beziehungsebene in diesem Text, das griechische „logos“ mit „Weisheit“ übertragen – lassen sie diese Übersetzung einmal auf sich wirken.

So wünsche ich Ihnen Frohe und lebendige, beziehungsreiche Weihnachten.
Amen.

1__1Am Anfang war die (logos)Weisheit
und die Weisheit war bei (theos)Gott
und die Weisheit war wie Gott.
2Diese war am Anfang bei Gott.
3Alles ist durch sie entstanden
und ohne sie ist nichts entstanden.
Was in ihr entstanden ist, 4war Leben,
und das Leben war das Licht für die Menschen.
5Und das Licht scheint in der Finsternis,
aber die Finsternis hat es nicht aufgenommen.
9Die Weisheit war das wahre Licht,
das allen Menschen leuchtet, die in die Welt kommen.
10Sie war in der Welt,
und die Welt ist durch sie entstanden,
aber die Welt hat sie nicht erkannt.
11In das ihr Eigene kam sie,
aber die Ihrigen haben sie nicht aufgenommen.
12Allen denen aber, die sie angenommen haben,
denen gab sie Vollmacht, Kinder (theos)Gottes zu werden.
Das sind die, die an Gottes Namen glauben,
13die nicht aus Blut und nicht aus (sarx)irdischem Bestreben
und nicht aus dem Willen eines Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.
14Und die Weisheit wurde (sarx)Materie
und wohnte unter uns,
und wir sahen ihren (doxa)Glanz,
einen Glanz wie den eines einziggeborenen Kindes von (pater)Mutter und Vater
voller (charis)Gnade und Wahrheit.

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