Eine gute Wahl – 24. Sonntag im Jahreskreis B

Erste Lesung aus dem Buch Jesaja, Kapitel 50
5 Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. / Ich aber wehrte mich nicht / und wich nicht zurück.
6 Ich hielt meinen Rücken denen hin, / die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, / meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht / vor Schmähungen und Speichel.
7 Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; / darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; / ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate.
8 Er, der mich freispricht, ist nahe. / Wer wagt es, mit mir zu streiten? Lasst uns zusammen vortreten! / Wer ist mein Gegner im Rechtsstreit? / Er trete zu mir heran.
9 Seht her, Gott, der Herr, wird mir helfen.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 8
27 Jesus ging mit seinen Jüngern – und Jüngerinnen – in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er sie: Für wen halten mich die Menschen?
28 Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten.
29 Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias!
30 Doch er verbot ihnen, mit jemand über ihn zu sprechen.
31 Dann begann er, sie darüber zu belehren, der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen.
32 Und er redete ganz offen darüber. Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe.
33 Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
34 Er rief die Volksmenge und seine Jünger – und Jüngerinnen – zu sich und sagte: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.

Autorin:
M. Rings-KleerMarita Rings – Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken – Malstatt, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Eine gute Wahl

Liebe Leserin, lieber Leser,
wir Menschen in den Industrie-Nationen sind es gewöhnt, wählen zu können. Angefangen von der Wahl zu einem Parlament bis hin zur Wahl der Fernsehsendung, des Waschmittels, der Brotsorte oder des Partners.

Die allermeisten Menschen auf unserem Planeten haben nicht so viele Möglichkeiten, Millionen Menschen haben sogar gar keine Wahl. Und wer dann einmal genauer hinsieht, der stellt fest: auch wer wählen kann, hat oft nicht wirklich eine Wahl. Denn die Tatsache, dass wir wählen können, z.B. einen Beruf, der uns gefällt, hängt schon davon ab, wann, wo und wie wir geboren werden. Die Menschen, die in den Zeiten des Krieges geboren wurden oder in den Jahren danach, mussten ums Überleben arbeiten, von Berufsausbildung oder gar Berufswahl war da keine Rede.
Oder die Tatsache, dass viele Kinder in ärmliche oder bildungsferne Familien geboren werden, entscheidet darüber, ob sie überhaupt einen Beruf erlernen. Auch hier ist von echter Berufswahl so gut wie keine Spur zu erkennen, im Gegensatz zu Kindern aus wohlhabenden Familien, die viele gute Chancen haben. Oder auch die Tatsache, ob ein Kind gesund oder behindert zur Welt kommt, ob es eine besondere Begabung hat, ob es Einzelkind ist oder Geschwister hat, ob Junge oder Mädchen. Schon mit der Zeugung stehen einem Menschen entweder viele Möglichkeiten offen oder eben wenige bis gar keine. Viele Menschen können noch nicht einmal zwischen zwei Brotsorten wählen, geschweige denn, zwischen entscheidenden Bedingungen wie z.B. Bildung oder Lebensform.
In den reichen Ländern der Welt wird allerdings durch geschickte Werbung vorgegaukelt, wählen sei durchaus möglich. Und dann auf einmal stellen viele Menschen fest, dass ihnen Dinge passieren, die sie so gar nicht gewollt oder geplant oder ausgewählt haben: Krankheiten, Krisen aller Art oder gar der Verlust eines Menschen, des Arbeitsplatzes, der Heimat platzen plötzlich ins Leben. Das so schön gewählte Leben zerbricht, oft genug von einem Augenblick auf den anderen.

Niemand sucht sich Schicksalsschläge aus und doch treffen sie jeden – überall auf der Welt. Menschen zu allen Zeiten haben dieses Phänomen beschrieben mit den Worten: Ein Mensch wird vom Kreuz getroffen, ein Mensch wird gezwungen, sein Kreuz auf sich zu nehmen – ob er nun will oder nicht. Und wenn das passiert, dann hat er keine Wahl mehr.

Oder erst recht eine Wahl! Die Bibel und das Leben beschreiben in unendlich vielen Variationen, wie sehr ein Mensch unter dem leiden kann, was das sogenannte „Schicksal“ ihm auf die Schultern legt.
Jesaja beschreibt es in seinen Liedern vom gequälten Gottesknecht sogar sehr eindrücklich. Und auch Jesus geht diesem Thema nicht aus dem Weg. Doch er geht einen entscheidenden Schritt weiter. Jesus weiß, dass ich mein Kreuz nicht einfach ablegen kann, in diesem Punkt kann ich nicht wählen, aber wie ich es trage, darüber kann ich entscheiden.
Doch bei der Ankündigung von Leid uns Schmerz schrecken selbst seine Freunde zurück. Petrus macht Jesus heftige Vorwürfe, doch Jesus weiß: niemand kann seinem Schicksal, kann Leid entkommen, kann es einfach abwählen oder zur nächsten Frage weitergehen. Jesus weiß: ich muss mich dem Leid stellen und er macht mir ein Angebot: Nimm dein Kreuz, das musst du sowieso, und folge mir nach.

In vielen Gesprächen mit Menschen, die ein schweres Kreuz zu tragen haben, wird mir immer wieder deutlich, wie sehr Menschen, auch Christen, unter dem leiden, was ihnen zugemutet wird. Aber es wird auch deutlich: bei Menschen, die an Gott glauben und an den leidenden Gottessohn Jesus Christus, gibt es einen qualitativen Unterschied: Sie können das Schwere ihres Lebens tragen, weil sie immer wieder erfahren und spüren, dass sie nicht allein auf ihrem Kreuz-Weg sind.
Immer wieder, ganz besonders im beschwerlichen Alltag, machen sie kleine und auch kleinste Erfahrungen von Aufgehobensein, Getragenwerden, Getröstetwerden, Begleitetwerden und Gestütztsein.
Es sind nicht die großen Wunder, die vielleicht von Gott erwartet werden, aber es ist die Tatsache, dass ich wählen kann, zwischen der Möglichkeit, dass da ein Gott ist, der mir beisteht oder der Tatsache, dass ich ganz allein auf der Welt für das verantwortlich bin, was mit mir und in meinem Leben geschieht. Diese Wahl zu haben ist schon ein unglaublich großes Geschenk. Diese Wahl zu haben ist eine Kraftquelle, aus der immer dann Energie sprudelt, wenn ich gar nicht mehr weiterkann.
Auch wenn die Dosis an Energie und Hilfe oft sehr klein ist, so ist sie dennoch der große und manchmal entscheidende Unterschied zwischen Aufgeben und Weitermachen, zwischen Absturz und Hochrappeln, zwischen Leben und dem bloßen Noch-Dasein.

Im Leben haben wir nur selten eine echte Wahl, aber unter dem Kreuz, unserem Lebenskreuz, haben wir sie. Alle, die diese Wahl pro Jesus Christus getroffen haben, sind froh darüber, ganz besonders dann, wenn das Leben scheinbar keine Wahl mehr lässt.
„Wer sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, wird das Leben haben“ – wir haben die Wahl – jeden Tag.

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